Astrid Vits - Du und viele von Deinen Freunden

17.05.2005 | 6 Kommentare | motorhorst

Als erstes: Die Idee dieses Buches ist super. Ich hätte das gerne selbst gemacht, wenn ich nicht so ungern mit Leuten telefonieren würde, nie was zuende brächte, was angedacht wurde und überhaupt und Schweinewelt.

34 Bands und Künstler interviewt die Autorin, die sie als "deutsche Künstler" zusammen fasst. Die Lektüre dieses über 500 Seiten starken Werkes hat bei mir beinahe ein halbes Jahr gedauert. Das ist kein gutes Zeichen, da mich Interviews an und für sich immer begeistern, auch bei Künstlern, die mich erstmal nicht so interessieren. Natürlich müssen diese Interviews auch entsprechend gut geführt sein, siehe alert oder galore. Doch zunächst mal einige Kritik, die sich in den letzten Monaten gesammelt hat. Das Ganze deshalb mehr so als Gedankenprotokoll, das über längere Zeit entstanden ist.

Gute Idee, die Interviews mit "Tomte" (= Thees) und "Kettcar" (=Marcus W.) an den Anfang zu stellen, da die einfach so gute, ehrliche und richtige Meinungen vertreten, dass man einfach nur bei jedem Satz auf die Knie gehen oder "Jawoll!" schreien möchte.

Dann kommt mon)tag, eine mir komplett unbekannte Band, die wirklich nur dumme Aussagen trifft, keine Ahnung von irgendwas hat und so komische Ansichten von und über alles und jeden hat, dass ich mir einfach nicht vorstellen kann, dass die irgendwas sinnvolles Musikalisches schaffen können. Da sind ja die gesammelten Aussagen von VJ! und Mia. komplett zu vernachlässigen, was da zur Nation kommt, von unverfänglicheren Themen ganz zu schweigen.

Im Anschluss sono, die mir ebenfalls nicht geläufig sind, aber alleine durch ihre Beiträge halt wieder richtig Interesse an der Band wecken, auch wenn die Musik nach der allgemeinen Beschreibung nicht so mein Ding sein wird.

Die Frage, die ich mir an diesem Punkt stelle:
- Was war denn das Anliegen von Frau V., dieses Buch zu machen. Oder kommt man einfach so auf die Idee, "ich fahr mal rum und schau mal, was es mit deutscher Musik auf sich hat." In letzterem Fall kann ich die Auswahl dann aber nicht so ganz nachvollziehen, aber egal.

Manche Bands sind etwas kurz dargestellt (Spillsbury), viele machen Lust darauf, mehr von ihnen zu erfahren (Ocker!), manche erweisen sich als sehr viel sympathischer und interessanter als man aufgrund von Erfolg/Mainstream-Verdacht dachte (Wir sind Helden), andere bestätigen hingegen jedes negative Vorurteil und tun alles dafür, den schlechten Eindruck noch zu verstärken (Virginia Jetzt!).

Die Fragestellungen der Autorin werden auf Dauer etwas eintönig (Warum gibt es so wenig Frauenbands? lese ich jetzt zum hundertsten Mal, mit beinahe identischen Antworten), wenn es hingegen aufgrund einer Antwort mal etwas spannend zu werden droht, wechselt die Autorin zu schnell das Thema.

Tippfehler gibt es auch immer mal im Buch, ärgerlich ist das, wenn aus "Peter Hein" dann "Peter Heine" wird, lustig ist es, wenn von den "Misfits" die Rede, eigentlich aber das Comedy-Duo gemeint ist.

Das Problem ist, dass es immer wieder interessante Strecken gibt und sich die schlechten Eindrücke z.B. relativieren, wenn man in kurzer Folge die Interviews mit Bernd Begemann, den Sportfreunden und Olli Schulz liest. Das liegt aber weniger daran, dass Vits so intelligente Fragen stellt, sondern dass diese Leute einfach viel zu erzählen haben, auch ohne dass mit Fragen nachgebohrt werden muss.

Wenn dann in drei Vierteln des Buches die seltsamen Ansichten zur Nation von z.B. Mia. immer wieder zur Sprache kamen, dann ist es doch eher enttäuschend, dass im Interview mit 2 Mia.-Mitgliedern dieses Thema nur ganz kurz gestreift wird.

Alles in allem ein zwiespältiger Eindruck: Die Idee ist super, die Welt war sicherlich bereit dafür. Das Buch ist sicherlich viel zu umfangreich, die Auswahl stellenweise zu hinterfragen, wichtige Künstler fehlen (was nicht alleine das Verschulden der Autorin ist). Der Fragestil ist sehr ähnlich gehalten, es wird kaum mal nachgefragt, wenn es wirklich interessant zu werden droht. Das ärgert mich als Leser doch an vielen Stellen. Die besten Interviews kommen dann meist doch von den Künstlern, die viel zu erzählen haben (Begemann, Sterne, Tomte, Kettcar, Sportfreunde) und die Autorin nur Stichworte geben muss. Schade. Würde mich über eine zweite Ausgabe mit z.B. Mediengruppe und Von Spar freuen. Befürchte leider eine zweite Ausgabe mit Juli und Silbermond.
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Kommentare

super-soccer am 18.05.2005 um 12:14 Uhr:

Ich fand vor allem das Interview mit Begemann super, der er hat wrklich viel zu erzählen, ist verdammt witzig und bringt viele Dinge (Kunst, Politik, Gesellschaft etc) gnadenlos auf den Punkt.

motorhorst am 18.05.2005 um 12:20 Uhr:

Begemann ist definitv eines der Highlights im Buch.
War aber auch nicht anders zu erwarten.

Knarf Rellöm auch sehr gut in seiner Verachtung für fast alles andere.

Christian_alternakid am 18.05.2005 um 17:12 Uhr:

ich bin auch noch drüber...
mich hat im interview mit ocker die gänzlich bornierten aussagen zu den Pet Shop Boys von Frau Vits gestört.
erstens finde ich keineswegs, dass man sich dafür rechtfertigen müsste, Pet Shop Boys im cd-reagl stehen zu haben auch wenn man in indiekreisen unterwegs ist, sich aber dann auch noch fachlich völlig falsch zu rechtfertigen, ist ärgerlich. der satz über die Pet Shop Boys "heute sind sie kommerziell, damals nicht" ist einfach unsinn. Pet Shop Boys waren natürlich schon immer kommerziell, von anbeginn an. und auch zurecht, sie waren ja beinahe die einzigen, die gezeigt haben, dass du musik für die massen machen und trotzdem stil haben kannst. und wenn dann ist es eher andersherum, dass die Pet Shop Boys in den letzten jahren unkommerzieller (was man ja auch an den chartplatzierungen ablesen kann) geworden sind. naja solche sätze sind einfach ärgerlich und zeugen von einer gewissen unreife, die ich bei einer journalisten/buchautorin einfach nicht vermutet hätte. da kann ich mich mit 16jährigen viva-gepolten-pseudo-indiekids unterhalten und bekomme das gleiche intellektuelle gewicht.

ansonsten unterschreibe ich motors kritik komplett.

Dr. Lukas am 18.05.2005 um 22:23 Uhr:

Quasi mit dem gleichen Wortlaut habe ich auch meine Besprechung zu dem Buch bei CT gesendet. Diese Deutsch-Sache wird nämlich zwischendurch sehr, sehr anstrengend.

Erdjohann am 26.09.2020 um 08:07 Uhr:

Deine Aussage bezüglich Juli und Silbermond war rückblickend ja geradezu prophetisch. Aber Tokio Hotel hat sie sich dann doch nicht getraut.

motorhorst am 28.09.2020 um 08:33 Uhr:

Das könnte natürlich auch ein zeitliches Problem gewesen sein, da Tokio Hotel erst 2005 groß wurden und da schon das zweite Buch erschien. Allerdings glaube ich auch, dass sie an diese Band dann überhaupt nicht rangekommen wäre.


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