Er, der einmal ein Fanzine schrieb (2)

17.11.2006 | 0 Kommentare | barracuda

Es geht weiter mit der kurzen Geschichte, die zwar am Heiligen Abend spielt, aber sonst relativ wenig mit Weihnachten zu tun hat. Heute Teil 2, viel Spaß.
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In dem Wagon herrscht eine feuchtheiße Atmosphäre, die Scheiben sind beschlagen. Auch seine Brillengläser setzen Kondenswasser an und er nimmt sein Gestell ab. Das bewirkt erst Mal ein unscharfes Bild der Umgebung und er blickt sich vorsichtig um. Manchmal sitzt ein alter Bekannter in seiner Linie, einer von denen, die er nur schwer ertragen kann. Hoffentlich nicht heute, schießt es ihm durch den Kopf, ich sollte mein Gesicht nicht so offensiv in die Luft recken. Er streift die dicke Kapuze nach hinten und wickelt seinen Schal umständlich vom Hals. Dann zieht er den Reißverschluss seines Parkas nach unten und trägt damit zur lästigen Sichtverschlechterung nach draußen bei. Das ist ihm nicht bewusst und es wäre ihm wahrscheinlich auch egal, denn er, der einmal ein Fanzine schrieb, sieht sich als Unangepassten, dem es ziemlich schnuppe ist, was um ihn herum passiert. Er stellt seine Umhängetasche zwischen die Beine und sucht mit der rechten Hand einen der herabhängenden Haltegurte, als sich die Straßenbahn mit einem kräftigen Ruck in Bewegung setzt. Da man seinen Blick nicht mit den Geschehnissen außerhalb des Wagens ablenken kann, schauen die meisten Mitfahrenden irgendwie betreten zu Boden oder versuchen, an der Decke etwas Interessantes zu sehen. Leider haben die Verkehrsbetriebe das Streckennetz in der letzten Zeit nicht großartig umgebaut, weswegen da oben nur alte Pläne hängen, einer vom Gesamtgebiet und einer der Linie. Daneben gibt es die alten Werbeflächen, die sich aber auch seit den späten Sechzigern nicht mehr verändert zu haben scheinen. Die sind genauso dämlich, wie deine scheußliche Brille, hatte seine Freundin einmal gesagt, als sie zusammen in der Straßenbahn fuhren, und ihr Blick nach oben schweifte. Er findet nicht, dass seine Brille dämlich aussieht, allerdings die Anzeigen schon sehr scheiße.

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Reihe

22.12.2006 - Er, der einmal ein Fanzine schrieb (6) barracuda

Tja, es ist unausweichlich. Übermorgen weihnachtet es sehr, und Geschenke all überall. Meines an euch kommt bereits heute: Der sechste und letzte Teil meiner kleinen Pseudo-Christmas-Story!

08.12.2006 - Er, der einmal ein Fanzine schrieb (5) barracuda

Eine Geschichte, die am Heiligen Abend spielt – und doch mehr mit Musikkultur zu tun hat, als mit Weihnachten? Teil 5, viel Spaß!

01.12.2006 - Er, der einmal ein Fanzine schrieb (4) barracuda

Weihnachten? Keine Angst, diese Geschichte hat nix damit zu tun, der Heilige Abend dient nur als Klammer oder so. Teil 4: Musik und Geschmacksentwicklung. Viel Spaß!

24.11.2006 - Er, der einmal ein Fanzine schrieb (3) barracuda

Dritter Teil der kurzen Heilig-Abend-Geschichte, die relativ wenig mit Weihnachten zu tun hat. Ein Gedankentrip in die Vergangenheit.

17.11.2006 - Er, der einmal ein Fanzine schrieb (2) barracuda

Es geht weiter mit der kurzen Geschichte, die zwar am Heiligen Abend spielt, aber sonst relativ wenig mit Weihnachten zu tun hat. Heute Teil 2, viel Spaß.

10.11.2006 - Er, der einmal ein Fanzine schrieb barracuda

Inspiriert von der Geschichtensammlung „Driving Home“ (die ich allerdings nie gelesen habe) erdachte ich eine kurze Geschichte, die zwar irgendwie am Heiligen Abend spielt, aber sonst relativ wenig mit Weihnachten zu tun hat.


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