Er, der einmal ein Fanzine schrieb
Inspiriert von der Geschichtensammlung „Driving Home“ (die ich allerdings nie gelesen habe) erdachte ich eine kurze Geschichte, die zwar irgendwie am Heiligen Abend spielt, aber sonst relativ wenig mit Weihnachten zu tun hat.
Die Geschichte wird die Jugend, in freitägliche Häppchen aufgeteilt, bis zum 22. Dezember begleiten. Viel Spaß beim Lesen.
Er ist es, er, der einmal ein Fanzine schrieb.
Er blickt sich um, wischt mit der linken Hand über seine rechte Schulter und fegt einige Schneeflocken davon. Wie sich das wohl anfühlt, denkt er, schwarze Klamotten zu tragen und immer in der Angst zu leben, diese seltsamen hellen Hautpartikel jedem Auge, das einem begegnet, entgegenzuschleudern, und damit zu sagen, heh, ich habe Schuppen? Blickt man nicht ständig in angeekelte Gesichter und fühlt sich dabei irgendwie aussätzig? Ah, scheiße, mir wäre das egal, denkt er, ganz bestimmt. Er, der einmal ein Fanzine schrieb, schiebt seine Brille auf der Nase zurecht, atmet tief ein und stapft los. Der Winter hat die Stadt fest in der Hand. Viele gerötete Nasen bewegen sich durch die eiskalte Luft. Es wird geschnieft, gehustet, gerotzt. Wie dunkle vermummte Mottenmenschen huschen die Leute durch die Straßen. Nur nicht auffallen, niemanden treffen, schnell gehen, um fix anzukommen. Nur er, der einmal ein Fanzine schrieb, hat es nicht besonders eilig. Er ist dick eingemummt. Ein bunt gestreifter Schal ist um seinen Hals gewickelt, darüber wärmt eine dicke, mit Pelz besetzte, Kapuze seinen Kopf. Das einzige, was zu sehen ist, ist seine schwarzweiße Hornbrille, die ihm die Aura eines Nachrichtensprechers aus den späten Sechzigern verleiht. Findet seine Freundin; sie hasst sie. Aber er, der einmal ein Fanzine schrieb, findet, sie steht ihm ausgezeichnet. Schluss mit der Diskussion, sagt er zu sich, als er über die Straße geht. Natürlich vermeidet er es, die Ampel zu benützen, denn das widerstrebt seinem unangepassten Naturell. Außerdem ist kein Auto weit und breit zu sehen. Schluss damit, warum sie nur immer wieder mit diesem Thema anfängt, fragt er sich. Er betritt die Halteinsel für die Straßenbahn und nimmt Kurs auf den Fahrkartenautomaten. Seit die städtischen Verkehrsbetriebe häufiger die Fahrscheine kontrollieren, zieht er es vor, das kleinere Übel zu wählen, und sich einen Streifen zu kaufen. Und ein gutes hat es, denn der Automat macht jedesmal so witzige Geräusche, während er das Papier bedruckt; im Ausgabefach blinkt auch stets ein lustiges Licht, bevor der Schein hineinfällt. Zusammen mit seinem Wechselgeld, was ihm ein wenig das Gefühl vermittelt, er steht in Las Vegas vor einem der berühmten einarmigen Spielautomaten, so wie damals, bevor er anfing einmal ein Fanzine zu schreiben. Nun ja, denkt er, ein bisschen Kind muss man ja wohl noch sein dürfen, oder? Er blickt nach rechts, ein rumpelndes Geräusch dringt aus der Ferne zu ihm, und kneift die Augen hinter seinen Gläsern zusammen. Er hat Glück, obwohl er eigentlich nicht in Eile ist, seine Linie schiebt sich über die alten Schienen auf die Haltestelle zu. Das ist typisch, und ich hätte darauf wetten können, denkt er, der einmal ein Fanzine schrieb, dass, wenn man es nicht besonders eilig hat, alles wie am Schnürchen klappt. Verdammt, sagt er zu sich, wenn man unter Zeitdruck steht, kommt die Bahn immer erst in zwanzig Minuten. Aber es kann ihm heute ziemlich egal sein, denn er hat eigentlich nichts besonderes vor, und die Straßenbahn kommt auf den Fuß. [...]
Elwood am 11.11.2006 um 15:03 Uhr:
frustrierend an den schneematsch und die blaskapelle in der fußgängerzone erinnert zu werden, aber nötig um nicht davon überrumpelt zu werden. am st. martin konnte man ja schon eine kostprobe nehmen. es fehlte nur der klangdämpfende schnee.fanzine is ein scheiß wort. fanzeitschrift allerdings auch. brandschrift im auftrag fremder oder liebhaberpsotille. alles kacke. also fanzine.