Stell Dir vor, The Notwist spielen in Bayreuth

06.05.2019 | 1 Kommentar | motorhorst

Als ich Ende letzten Jahres vom geplanten The Notwist-Konzert in Bayreuth hörte, konnte ich es nicht glauben. Der achtzehnte Live-Auftritt, den ich von dieser einmaligen Band sehen und hören durfte, war einer ihrer besten - mindestens.

Foto von mawe


Es war das größte Konzert, das jemals in Bayreuth stattfand, da braucht mir gar keiner mit Hosen oder Michael Jackson kommen oder sagen "The wer?". Ist Fakt. Beim Auf- und Einlaufen ein großes Abklatschen und Wiedersehen. Die Indie- und Shambleszene Bayreuths, mindestens 3 Generationen, die durch Zündfunk, DJ Frosch und dessen Nacheiferer zu guter Musik erzogen wurden (ironischerweise wurde das auch als "Das Frosch-Lied" bekannte Stück "The String" nicht gespielt), viele Bekannte und Exil-Bayreuther, die extra für dieses singuläre Event zurück gekommen sind. Eine angenehme Mischung im leider nicht ganz vollen Zentrum, für die Besucher natürlich bequem mit viel Platz zum Dreadlock-Schütteln und Hände in die Luft werfen, insofern nochmal aller tiefster Dank an motion-Kommunikation, die diesen Abend möglich machten. Habe ich die Familienväter, die alle in die Jahre gekommen sind, schon beleidigt? Ach, das spare ich mir aus dem einen oder anderen Grund heute. Bekannte aus Bamberg, Würzburg oder Nürnberg sehen heute mal, wie das ist, wenn man abends noch heimfahren muss und nicht nach 5 Minuten im eigenen Bett liegt. Nur fair, nur fair - uns geht das IMMER so. JEDES MAL!

Das Setup ist perfekt: Keine Vorband, der Hauptact beginnt um 20 nach 20 Uhr, quasi der Tatort aus Weilheim direkt vor der Tür. Der Sound ist sehr gut, gerade weil der Europasaal nicht unbedingt für den besten Klang bekannt ist. Die Stimme hätte stellenweise ein paar Nuancen klarer sein können, aber das ist Jammern auf unheimlich hohem Niveau - man hört jedes Glöckchen, die zu loopenden Handclaps und auch den Tafellappen, den Cico Beck teilweise so deutlich spielt, dass man förmlich die Mischung aus abgestandenem Wasser und Kreide riechen kann, wie damals in der 4b. Superbe Songauswahl, die Non-Album-Single "Come in" leitet direkt in "Kong" über, was durch den Refrain ("Are you coming in") den ersten Faust-aufs-Auge-Moment des Abends liefert. Es knistert, zirpt und dröhnt, im ersten Teil wird aber auch kräftig reingedroschen, so dass nicht nur der Connaisseur sondern auch der Gelegenheitshörer und Neugierige sofort abgeholt wird. Die unzerstörbaren Songs von Neon Golden ("This room" und "Pick up the phone" - die zwangsläufig zu spielenden drei anderen kommen aber später im Set), "One Dark Love Poem" und weitere scheppernde Banger von den letzten beiden Alben wie "Into another tune" sorgen für mächtig Laune und frenetischen, lange anhaltenden Applaus - die darbenden Zuschauer in Bayreuth sind heute einfach dankbar und das mit Recht.

Das Set beinhaltet aber ebenso neue Songs - ich nenne eines mal einfach den "Pfeifesong", weil da halt gepfiffen wird, wenn das neue Album in 5 Jahren rauskommt, wissen wir dann alle den richtigen Titel - als kleine Obskurität mit "Men of Station" einen Titel aus dem "13&God"-Projekt mit Themselves und im ersten von zwei Zugabeblöcken das Instrumental-Stück "Das Spiel ist aus" in einer leicht gekürzten Version (9 statt 13 Minuten - quasi ein Single edit), es geht also nicht ums Crowd-Pleasen im eigentlichen Sinne, das nur bekanntes zelebriert wird (von der Shrink oder 12 werden z.B. gar keine Songs gespielt). Zufrieden sind aber dennoch alle, zumindest die, mit denen ich noch gesprochen habe und das war natürlich schon auch noch so ein Zuckerl, dass man so viele Bekannte gesehen hat. One with the freaks, Consequence, Gravity, dann ist das Spiel wirklich aus.

18 mal Notwist in 21 Jahren. Bis nach Ulm gefahren, um sie zu sehen, nach Leipzig, Rüsselsheim oder Hannover - es war quasi schon ein Glückfall, wenn sie mal in Erlangen, Würzburg oder Regensburg spielten. Aber ein richtig gutes Konzert, war damals das in Bayreuth.
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Kommentare

motorhorst am 09.05.2019 um 07:24 Uhr:

Also nach längerem Überlegen und vor allem der Lektüre dieser Setlist bin ich ein wenig unsicherer, gerade wegen des Lobs für ein mutmaßlich großes Gedächtnis oder Wissen an anderer Stelle. Eventuell ist beides unangebracht.

Es kann sehr gut sein, dass vor dem Auftakt-Song "Come In" noch Teile des 13 & god-Songs "It's own Sun" gespielt wurden, wie z.B. 3 Tage vorher in Münster (übrigens 1000er-Halle/ausverkauft, hallo Bayreuth!), ich glaube nicht, dass "They follow me" gespielt/angespielt wurde, wie in der Setlist vermerkt.

Ich glaube auch nicht, dass der Shrink-Track "0-4" am Ende des regulären Sets gespielt wurde, da bin ich eigentlich firm genug, ebenso war nach Ende des zweiten Zugabenblocks zwar ein Song vom Band zu hören, der aber vermutlich nicht von Notwist stammte und den ich auch nicht in die Setlist aufnehmen würde (vergleiche aber: Die großen weißen Vögel nach Tocotronic-Auftritten).

Wo ich mir wirklich unsicher bin und was an mir nagt: War der Song im ersten Zugabenblock wirklich "Das Spiel ist aus", wie von mir felsenfest behauptet oder doch "Lineri" wie auf der Setlist-Seite? Beides Instrumental-Stücke, beide liebe ich sehr, beide leider auch relativ ähnlich für Notwist-Verhältnisse und ich tue mir schwer, mich zu erinnern, selbst wenn ich mir beide abwechselnd anhöre. Vielleicht zukünftig doch das Telefon auf Aufnahme stellen für solche Zwecke?


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