Ein musikalisches Tagebuch: Über Listen

29.10.2012 | 0 Kommentare | motorhorst

Die Musik begegnet mir täglich. Warum also nicht die ganzen Gedankensprünge, Entdeckungen und Weisheiten teilen, zum Beispiel in Form eines Tagesbuchs der Musik? Ein Versuch des Aufschlagens mit dem leidigen Thema der Songbestenlisten.
Das Leid mit den Listen. Irgendwann, gefühlt ist es ein gutes Jahr her, beschloss ich, die besten Songs eines jeden Jahres zu küren. Vom Anbeginn der Zeit und natürlich jeweils in eine Reihenfolge gebracht und am besten auch auf eine Zahl pro Jahr begrenzt, sagen wir 20 oder besser 50 oder gleich 100.

Das erste Problem: Die alten Esel
Wenn man sich dann durch die überschaubaren Aufnahmen aus den 20ern, 30ern oder 40ern des letzten Jahrhunderts hört. stellt man.....Moment, kleiner Exkurs. Mit "man" meine ich ebenso wie alle Talkshow- oder "Familien im Brennpunkt"-Teilnehmer natürlich mich selbst. Ich stelle also fest, dass ich weder Bluesman noch der Jazzer bin, was für eine Aufarbeitung dieser Phase hilfreich wäre.
Folglich mache ich den Schritt bis zum ersten Jahr, in dem ich tatsächlich mehrere Titel nennen kann. In meinem Fall war das 1964. Folglich sollte die erste Liste alles davor abbilden. Diese Liste der alten Eselmusik erhielt also das Motto "1963 und früher".

Das zweite Problem: Die Relevanzdebatte
Soll ich wirklich den Anspruch haben, Songs und Stücke auszuwählen, die besonders wichtig für die weitere Entwicklung der Hörgewohnheiten oder der Musik im Allgemeinen waren/sind? Hier war die Antwort leicht: Natürlich nicht. Es geht einzig und alleine um den Anspruch "Gefällt mir. +1. Kann ich mir anhören ohne mich zu quälen. Könnte ich im entsprechenden Rahmen auflegen ohne mich zu schämen oder ein wissendes Augenzwinkern in die Menge zu senden. Und alles auf heutiger Sicht."

Das dritte Problem: Der Distinktionsgewinn
Ich kann mich also auf Klassiker beschränken, die in einer alten Version immer wieder gespielt werden (z.B. Johnny Cashs "I Walk The Line") oder in immer neueren Versionen auf den Markt geschmissen oder durch die Hermes House Band auch den jungen Menschen bekannt sind (Gerry & The Pacemakers - You'll Never Walk Alone). Oder ich nehme tatsächlich die Songs, die mir auf die eine oder andere erklärbare oder unerklärliche Weise über den Weg gelaufen sind und mich weiter begleiten (Bob Dylan - In My Time of Dyin').
Ich habe mich für eine Mischform entschieden, das wichtigste ist aber doch der letzte Punkt. Gerade wenn man die erste Liste von 1963 und früher anschaut, wird man entdecken, dass der Distinktionsgewinn nicht sonderlich groß ist, sondern hier noch eher die allgemeinen bekannten Werke vorherrschen. Kann man aber halt nix machen.

Das Problem des Rankings
Könnte ich bei den 7 Titeln der ersten Liste sicher noch einführen (tatsächlich ist die Anordnung der Titel in meiner Liste in diesem Fall sogar ein Ranking!), bei den immer mehr werdenden Titeln pro Jahr mit Höhepunkten in den 4er-Jaren (1994, 2004) und beinahe 100 Songs in jenen Listen wird das aber schnell ein schwieriges, ach was, ein unüberwindbares und vor allem unsinniges Unterfangen. Deswegen ist das Ranking zweitrangig. Wenn ein Titel wirklich nicht mehr guten Gewissens hörbar ist, wie "Seven Nation Army", dann fällt das lieber raus als dass es den Gnadenplatz 97 erhält.

Das Technische
Nur Singles? Nur Songs, die auf Alben in diesem Jahr aufgenommen wurden? Auch wenn es einen Bootleg gibt, der schon fünf Jahre älter ist? Ich versuche mich da einigermaßen zu orientieren, dass keine allzu große Diskrepanz zwischen tatsächlichem Release und Listung auftritt. Die Fälle von
- Single schon im Jahr vor dem Album veröffentlicht
- Single 2 Jahre nach dem Album ausgekoppelt
- Aufgenommen im November, veröffentliche im Januar
sind halt nicht unbedingt die Ausnahmen. Im Zweifelsfall sollte immer die erste Veröffentlichung Vorrang haben, in der Praxis gebe ich dem Album meist den Vorzug vor einer vorzeitigen Single-Auskopplung im Vorjahr.
Im Allgemeinen gilt auch hier: Bitte nicht hörstlicher als der Horst sein.

Die Einschränkung
Nur ein Song pro Band pro Jahr? Nur Originale, keine Cover?
Wem wäre damit geholfen? Was kann Pearl Jam dafür, wenn alle anderen nur Mist produzieren, auf der Ten aber schon die ersten sechs Songs alle in eine Bestenallerbesten-Liste reingehören? Gar nichts, genau. Deswegen landen dann zur Not halt auch mal 9 Beatles-Songs in einer Top Ten. In der Praxis natürlich nie.
Und eine gute Coverversion (was später noch definiert wird) hat natürlich genau so ein Lebensrecht wie ein originärer Song, vor allem wenn sie viel besser ist.

So nüchtern sollen die zukünftigen Einträge übrigens nicht mehr werden.
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Ich war auf Hot Chip und ihr könnt dabei sein, auch nachträglich. Soundgarden tun es schon wieder und Christian_alternakid als Staatsanwalt und Scharfrichter.

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