Wenn Schmerz glücklich macht

20.03.2007 | 1 Kommentar | barracuda

Bonnie 'Prince' Billy in der Passionskirche, Berlin, 17/03/07
Rote Lichter scheinen in der Dunkelheit und weisen mir den Weg. Da ist sie, die Passionskirche. Und sie ist voll. Nirgends mehr ein Plätzchen zum Sitzen frei, die Luft ist klamm, denn es ist warm hier drinnen. Vor den Bankreihen ist ein Podest aufgebaut, darauf stehen zwei Mikrophone und ein Stuhl. Wie ein Altar vorm Altar. Auf dem Stuhl sitzt ein mir unbekannter Gitarrist; viel viel später erfahre ich, er heißt Richard Bishop und spielt bisweilen in einer Band namens Sun City Girls. Und er singt Songs mit Namen wie „6 Minutes of Django Reinhardt“, die er wie folgt einleitet: „If this is good, I call it 6 minutes of Django Reinhardt. If it’s not so good, I call it 4 Minutes of Django Reinhardt. And if it’s very bad I call 2 Minutes of Django Reinhardt.“ Nun ja.

Seine Version von „Somewhere over the rainbow“ hört sich bezaubernd an – und leitet schon irgendwie hinüber zu Will Oldham, der wenig später die Bühne betritt, einen Becher gefüllt „with wonderfull brown whisky“ als Statthalter für Bishop auf dem Stuhl abstellt und sich vor dem Mikro postiert. Zugegeben, es fällt bisweilen schwer, die Songs sofort zu erkennen, so reduziert interpretiert er seine Lieder. Mit seiner klaren Stimme zaubert er herrliche Melodien über die halbakustische Gitarre – heult und jault zwischendrin wie ein einsamer Wolf in der weiten Prärie … Doch Bonnie 'Prince“' Billy ist nicht allein: in der ausverkauften Passionskirche lauschen die Zuschauer seiner Solo-Performance und quittieren jedes Lied mit lautem Beifall.

Um nur einige Songs zu nennen: „Love comes to me“, „Strange form of life“, „Cursed sleep“, „Master and everyone“, „Wolf among wolves“, natürlich das berühmte „I see a darkness“ und gleich zu Beginn seine Version des Elvis-Klassiker „Always on my mind“. Denn es ist nach wie vor der Herzschmerz, den Will Oldham besingt, mit geschlossenen Augen und wiegendem Kopf. Je später der Abend wird, je leerer sein Becher mit „brown“, desto extrovertierter werden seine Bewegungen zu den Songs: ein Kopfschütteln, ein aufgestelltes Bein. Die Ansagen zwischen den Songs sind charmant und witzig, Will Oldham ist nicht der melancholische Grübler, den man beim Hören seiner Platten vielleicht erwartet. Es ist ein herrlicher Abend. Nur die ständig herumkullernden und klirrenden Beck’s-Flaschen nerven irgendwann gewaltig.

Als das Licht angegangen ist und sich die Leute bereits auf den Heimweg machen, spitzt Oldham noch einmal zur Tür herein, tritt ein letztes Mal auf die Bühne und spielt „Ease down the road“, lässt es in den Willie-Nelson-Klassiker „On the road again“ übergehen – und macht sich auf den Weg, seine nächsten Zuhörer glücklich zu machen.
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20.03.2007 - Wenn Schmerz glücklich macht barracuda

Bonnie 'Prince' Billy in der Passionskirche, Berlin, 17/03/07

17.03.2007 - Hamburg, Bibelstunde wowo101

Bonnie 'Prince' Billy und Sir Richard Bishop in der Fabrik. Ein Satz.


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Kommentare

Christian_alternakid am 23.03.2007 um 11:30 Uhr:

oho. gibt seine always on my mind version eigentlich auch als mp3? gibts das auch als "studio"aufnahme?


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