In den frühen Morgenstunden spaziert man von der Disco seiner Wahl zur S-Bahn-Station, um mit der Ringbahn gen Heimat zu fahren. Wohl noch mit Schlafdefizit aufgrund der Vorwoche ausgestattet, verfehlt selbst das Wecker-Klingeln des Handys seine Wirkung, so dass man eine komplett Rundfahrt erlebt – und zur eigenen Überraschung in Königswusterhausen landet (siehe Abbildung 1)
Etwas überstürzt eile ich in den am gegenüberliegenden könisgwusterhausener Gleis wartenden Zug, bis mir Nachfragen die Gewissheit beschert, dass der Regionalexpress nach Cottbus nach, eh, Cottbus fährt. Ein Dank dem dünnbesiedeltem ostdeutschen Flachlande: keine Stunde später ist bereits der erste Zwischenhalt auf dem man aussteigen könnte erreicht und es streicheln einem inmitten wahnsinnig großer Sand- und Baugruben die süßen ersten Sonnenstrahlen von Brand in der Niederlausitz die Nase. Bei der Koinzidenz von Zustand und Aufenthaltsort denkt man unweigerlich an die gute alte Freundin Pony Rieneck, die vor wenigen Wochen ihr Leben anflehte, sich nicht um ganz so platte Metaphorik zu bemühen, als sie - in ihre Lektüre vertieft – das Aussteigen verpasste und mitsamt ihres Zuges auf dem Abstellgleis landete.
Nach halbstündigem Bahnhofsaufenthalt in ostdeutscher Einöde (siehe Abbildung 2) kommt glücklicherweise der Regionalexpress, der mich ins 65 Kilometer entfernte Berlin zurückbringen darf – wenn ich nur noch mehr als 4 Euro 30 hätte. Kurzes Bitteln, Betteln und Flehen der blondgelockten Schaffnerin gegenüber verschafft mir altem Charmeur jedoch ein kostenloses Ticket To Ride in der crazy Funbahn Cottbus-Berlin.
Auch interessant wie unterschiedlich man Königswusterhausen sehen kann. War ich kurz vor 8 Uhr noch dabei, Flüche ob des Anblicks des Bahnhofsschildes von Königswusterhausen auszustoßen, so denke ich mir bei Wiederankunft hingegen „Oh, du schönes Königswusterhausen! Nie hat mich dein Antlitz mehr entzückt!“.
In die vermaledeite Ringbahn gesprungen und auf geht es an das andere Ende von Berlin: Charlottenburg is calling! Während neben mir junge ostdeutsche Skater, die kurz vor Berlin einstiegen und nun beratschlagen, welches Rail, welche Treppe in Tempelhof, Schöneberg oder Westkreuz nun krasser alder wäre, lese ich doch im SZ-Magazin weiter, was einen Dandy ausmacht. Überlege in einer ruhigen Minute zwischen Neukölln und Hermannstraße ob mir die vorgeschlagenen glänzendroten Schuhe oder doch die rote Hose besser, dandyesquer stehen würden.
Die Skater steigen nach langer, lautstarker Diskussion in Schöneberg aus, ich entscheide mich gedanklich für die glänzend roten Schuhe und vergewissere mich mittels eines kurzen Blickes auf meine Uhr, dass ich nunmehr bereits 4 Stunden auf dem Heimweg bin. Nimmt man meine normale Heimfahrtzeit mit dem Auto von Berlin nach Nürnberg zum Maßstab, so könnte ich nun bereits beinahe die Motorjugendliche Martina in Regensburg besuchen, bei weiterem Ausbleiben der Anschlussbahn nach Charlottenburg wäre per Extrapolation auch ein Besuch bei Mawe in München drin. Andererseits: wer will schon nach München, der bereits Königswusterhausen und Brand in der Niederlausitz gesehen hat? Eben, dann doch lieber auf die S-Bahn nach Charlottenburg weiterwarten.
Ein abschließender Dank geht noch an Petrus, der sich so freundlich zeigte, eine Berliner Ringbahnirrfahrt am 4. März mittels schneebedeckter Landschaften und bestialischer Kälte analog zu einer Irrtumsfahrt mit der Transsibirischeneisenbahn nach Wladiwostok zu gestalten.
RoterBlitz am 05.03.2006 um 20:59 Uhr:
nicht schlecht!!! mein bestes ergebnis im rausche war bislang spandau mit dem nachtbus (inkl. aussteigen im winter und vor der bustür 30min. warten, bis der nette chauffeur seine pause mit stulle, tee und zigarette im (!) bus beendet hat), geplanter weg mitte - kreuzberg. aber mit ohne geld aber maximaler abgeklärtheit die weißen ostdeutschen landschaften schauen und die dicke b soooo weit hinter sich zu lassen, das verdient respekt! da brauchst du echt keine roten schuhe und keine rote hose.pony_rieneck am 05.03.2006 um 21:22 Uhr:
ich bin arg geruehrt, dass du in den elendsten, entwuerdigensten momenten deines lebens an mich denkst! aufgepasst, freundchen!tripon am 05.03.2006 um 21:56 Uhr:
resepkt, herr ihle! wann denkst du eigentlich mal über einen umzug nach ost-berlin nach? wäre von voreil! ;)tripon am 05.03.2006 um 21:57 Uhr:
vorteil, meine ich natürlichcaligula am 05.03.2006 um 22:35 Uhr:
fein. vor allem sehr unterhaltsame grafiken, erinnert mich an meine zeit als ich noch in ner stadt gewohnt habe...hab's in düsseldorf mal geschafft, während ich in der kälte auf nen bus nach hause wartete, in irgendeine bahn zu steigen, weil es mir mittelschwer angetrunken sehr unlogisch erschien draußen stehen zu sollen, wenn es in ner bahn doch ach so viel wärmer ist. knapp 45 minuten später bin ich dann auf befehl des straßenbahnfahrers ("endstation!") brav und treudeutsch am stadtrand ausgestiegen. mit dem ergebnis, dass es mir wieder kalt war (überraschung?) und ich mich zum lohn für die großartige idee mit der straßenbahn dann noch drei stunden durch sowieso schon unübersichtliches waldgebiet heimkämpfen durfte.
zum charmant bei schaffnern betteln würde ich ein wochenendseminar doch sehr begrüßen. nach meinem letzten fehlschlag diesbezüglich hab ich eine nacht auf dem semigaloren bahnhof troisdorf zubringen dürfen.
FrauK am 05.03.2006 um 23:40 Uhr:
Menschliche Schicksale eröffnen sich hier. So ein Glück, dass Bahnen bei uns immer hin und zurück fahren. So wie in dem einen U.N.K.L.E.-Video bleibt man einfach sitzen und fährt wieder zurück.mcmuse am 05.03.2006 um 23:44 Uhr:
da kann man dann auch froh sein, wenn man nicht zu früh zum trinken anfängt. wenn man das nämlich (beispielsweise beim münchner oktoberfest) notgedrungen schon mittags tut, und nach 7 maß bier dann gegen 23 uhr in der s-bahn einpennt, dann gegen 23:45 diesen fehler bemerkt, aber dann trotzdem gleich nochmal einpennt (weil die rückfahrt halt auch wieder ne halbe stunde dauert), und dann gegen 1:00 des folgetages an der endstation von den im münchner-indie slang stets nur als "schlümpfe" bezeichneten uniformierten bahnbullen vor die tür respektive auf den bahnsteig gesetzt wird, dann kann einem noch eine nacht voller interessanter erlebnisse bevorstehen:als erstes bemerkt man nämlich, daß auch septembernächte scheisse kalt sein können, insbesondere wenn man keine jacke oder einen warmen pulli dabei hat, weil man sich ja eigentlich eh nur im wohltemperierten bierzelt aufhalten wollte.
als zweites merkt man, daß in käffern die nannhofen heißen und an den äußersten enden des münchner öpnv-netzes liegen (und deren haltestellen kurz nach dieser begebenheit abgeschafft wurden), sonntagmorgens die erste s-bahn erst um kurz vor sechs fährt. außerdem besitzen solche orte keine wartehallen, sondern nur nackte steinerne bahnsteige.
als drittes merkt man, daß an diesen - übrigens auch entvölkerten - oberbayrischen landstrichen, taxifahrer um diese zeit bereits schlafen, aber schon trotzdem kommen würden, es würde halt "etwa 90 minuten dauern".
punkt vier im erfahrungensammeln beschert einem den einblick, daß sich das nicht wirklich lohnt, zumal wenn der geldbeutel ebenfalls leer ist, und die vorsichtige telefonische preisanfrage frisch und freundlich auf sechzig euro geschätzt wird ("aba ned dass's jetzt glaubn, des is a festpreis, zahlt werd, was des taxometa zoagt").
wenn einen der auf die 60 zugehende, gameboyspielende und auf schichtbeginn wartende s-bahnfahrer dann nach etwa eineinhalb (und gefühlten 10) stunden aus mitleid doch noch in der s-bahn warten läßt, vermutlich weil die langsam epilepsiegleichen zitteranfälle ihn an seine eigene jugend in kriegsgefangenschaft erinnern, dann, ja dann hat man das schärfste noch gar nicht erlebt.
wenn, nach weiteren stunden des wartens, in denen der einst doch recht formidable rausch schon ziemlich dem nichts gewichen ist, und man sich zwar nicht totgefroren aber zumindest totgelangweilt hat. wenn dann also die s-bahn ihren fahrbetrieb aufnimmt, man sich gegen halb sieben dem zielort nähert, und die schlümpfe, die einen vor einigen stunden mehr als unfreundlich aus der s-bahn schmissen ("dann fahrens mit dem taxi, uns ist des wurscht" - "letztes geld für fahrkarte 'hierher' ausgegeben" - "egal, raus!"). wenn also diese schlümpfe, exakt eine station vor dem ziel auf einmal den s-bahn waggon betreten, ungemein gute laune haben, und - die restlichen fahrgäste geflissentlich ignorierend - mit breitem grinsen auf einen zukommen und sich nach einem gültigen fahrschein erkundigen, dann, ja dann kann man die die goldene septembersonne so richtig genießen, und hat garantiert den schönsten sonntag seines lebens vor sich.
martina am 05.03.2006 um 23:46 Uhr:
4 stunden bis regensburg... ts ts. christian, ich glaub du fährst viel zu schnell auto.das ist gefährlich, junge! vorallem bei diesen witterungsverhältnissen.
caligula am 06.03.2006 um 00:24 Uhr:
mc muse: fein beschrieben, ich seh die fleischigen schlumpfgesichter wieder vor mir.frau k: jaha, bahnen und zurückfahren schön und gut, bringt nur nix wenn man gehorsam an der endstation aussteigt.
in köln ist es uns außerdem mal passiert, dass wir recht früh merkten: "hej, wir wollten doch in die andere richtung" uns dann aber eben darauf verließen, dass diese bahn ja irgendwann auch wieder umdrehen müsste. tolle überlegung generell, nur doof wenn man dann an der endstation rausgeworfen wird, weil die bahn zwar schon noch zurückfährt, aber nur noch als "betriebsfahrt" und wo kämen wir denn hin, wenn da der fahrer nicht alleine fährt?
FrauK am 06.03.2006 um 10:37 Uhr:
Nee, bei uns fahren die dann schon noch auch wieder normal ruzück.Fix am 06.03.2006 um 11:14 Uhr:
Spindlersfeld, ebenfalls einen kurzen Abstecher Wert. Insbesondere, wenn das eigentliche Ziel Schönhauser Allee ist.
Eine Idylle der Ostberliner Peripherie. Die vierzig Minuten Wartezeit auf die nächste S-Bahn vergehen an so einem Ort, wie man es sich ja denken kann, wie im Flug...
Wenn es dazu noch in dicken Flocken das Schneien beginnt und das graue Nichts Spindlersfelds, das einen umgibt in ein Weißes, absolutes Nichts verwandelt wird, beginnt man dann doch sich selbst und sowieso alles zu verfluchen.
In Nahverkehrsbereichs Zone C hat es mich noch nie verschlagen und da bin ich gezwungen die Behauptung aufzustellen, dass es auch gut so ist.
steph am 06.03.2006 um 11:58 Uhr:
Sehr schön ist es auch in Grünau! Unten gibt es eine Tanke mit Nachtschalter. Die Reise damals ebenfalls mit dem ursprünglichen Ziel Schönhauser Allee angetreten. An eben jener Haltestelle wurde der Protagonist ein letztes Mal beobachtet, noch wußte er nichts über das Brandenburger Umland. Er stellte sich ein letztes Mal den Wecker. Kann aber auch keiner ahnen, dass die Ringbahn rausfährt...Christian_alternakid am 06.03.2006 um 12:41 Uhr:
martina: ihr mädchen habt aber auch immer an was rumzumäkeln ;-)also viereinhalb stunden berlin-regensburg ist definitiv normal. dreieinhalb brauch ich nach nürnberg - und die witterungsverhältnisse waren n icht eingerechnet, man träumt sich solche vergleichsfahrten natürlich schön sonnig, wenn man eh schon durchgefroren ist.
an den ganzen rest: es tut gut zu wissen - man ist nicht allein in der motorjugend mit solchen geschichten...
RoterBlitz am 06.03.2006 um 14:33 Uhr:
da hat martina aber recht, 450 kilometer in 3 1/2 stunden ist ein 130er schnitt, das ist echt mal rasant, wenngleich auch nicht unmöglich - bei unserem auto wäre dann aber ein zwischentankstopp (und die investition von weiteren 25e auf die sonst veranschlagten 50e unumgänglich). dafür kriegt man schon fast ne rote dandyhose!Christian_alternakid am 06.03.2006 um 15:26 Uhr:
sinds 450 kilometer nach nürnberg oder nach regensburg? also nach nürnberg: 3 1/2 std. und nach regensburg geschätzte (nie ausprobierte) 4 1/2. ich fahr aber ja auch nur einen 9 jahre alten VW Polo (rot!) also sooo schnell kann ich gar nicht sein.Kern am 06.03.2006 um 16:04 Uhr:
mit den Thermals im Tapedeck hab ich mal nen Schnitt von 100km/h geschafft. was hörst du dann auf deiner Fahrt? An Albatross?RoterBlitz am 06.03.2006 um 19:15 Uhr:
450 nach nürnberg (oder 440 oder so, bis pegnitz sinds ziemlich genau 390), is auch egal, ich find's nie lang, aber teuer...martina am 06.03.2006 um 22:24 Uhr:
christian: das ist nie und nimmer in 4 1/2 stunden zu schaffen! und glänzend rote schuhe können gar nicht gut aussehen und du solltest dir unbedingt abgewöhnen in öffentlichen verkehrsmitteln einzuschlafen! vielleicht mal von gintonic auf ginbull oder so nen scheiss umsteigen. ;)Christian_alternakid am 06.03.2006 um 22:53 Uhr:
also so schnell wie der säm in göttingen war, trau ich dem viereinhalb stunden RGBG-Berlin zu...ich glaube es könnte schon reichen, wenn ich mein schlafdefizit irgendwann einmal aufholen würde, dann bräuchte ich keine Energy-Drinks zu mir nehmen. aber ihr in eurem alcopopalter habt da natürlich weniger berührungsängste ;-)
Marquant am 07.03.2006 um 09:31 Uhr:
nicht der gintonic war es der mit dem ihle untergeht, sondern der uzo der mit ihm seine runden dreht!Marquant am 07.03.2006 um 09:46 Uhr:
Ouzo natürlich, aber nur für meine allerbesten freunde...Björnstar am 07.03.2006 um 15:53 Uhr:
ich bin einmal salzburg-berlin in sieben stunden gefahren...und das mit zwei tagen frequency festival in den knochen.Ziete am 12.03.2006 um 15:26 Uhr:
Krasser absturz in KW naja war nicht das erste mal das ein mensch von der Ring FALSCH befördert wurde wie oft habe ich schon Fluchent in der bahn gesessen und wie oft schon irgendwo ausgestiegen und ewig zeit verplempert naja wer kennt das nich?!?!?!