"The Weight" ist einer jener seltenen Songs, bei dem man überrascht ist, dass er tatsächlich erst zu seiner Veröffentlichung 1968 geschrieben wurde und kein Traditional, keine bereits ewig überlieferte Weise ist. The Band spielen "The Weight" als Folk-Gospel, Drummer Levon Helm übernimmt die Lead-Vocals und die Lyrics sind laut Band von Bunuel-Filmen inspiriert, könnten aber auch gut und gern von Dylan in seiner rätselhafteren Phase stammen.
"Stephanie Says", der vielleicht schönste Folksong, den Lou Reed je geschrieben hat, ist nie zu Lebzeiten der Velvet Underground veröffentlicht worden. Obwohl es zur Zeit des wilden "White Light / White Heat"- Albums aufgenommen wurde, aber wohl zu gefällig für dessen Avantgarde-Wirbel war, ist "Stephanie Says" außerhalb von illegalen Bootlegs erstmals 1985 auf "VU" erschienen, der posthumen Compilation unveröffentlicher Velvets-Tracks.
Der Text von "Stephanie Says" beginnt mit einer der besten und zugleich traurigsten misanthropischen Zeilen der Musikgeschichte: "Stephanie says that she wants to know / Why she's given half her life to people she hates now". Der Refrain dagegen spielt mit der Assoziation, dass die Titelfigur sich wie "Alaska" sieht - also zwischen den Welten steht ("The people all call her Alaska / Between worlds so the people ask her") und sich eiseskalt fühlt ("It's such an icy feeling / It's so cold in Alaska (Stephanie says)").
Lou Reed selbst nahm "Stephanie" später in seinem "Berlin"-Album noch einmal im Lied "Caroline Says (II)" auf und die deutsche Band Locas In Love entwickeltie die Idee von "Stephanie Says" Anfang der 2000er zu einem hervorragenden eigenen Song, in dem sie Lou Reeds Lied zu "Stefanie sagt" ("Stefanie sagt ihr Leben ist wie ein Geschenk / Das sei zwar sehr nett, wär aber nicht nötig gewesen") paraphrasierte.
Nur drei Tage vor seinem tragischen Tod nahm Otis Redding "(Sittin' On) The Dock of the Bay" auf, was die erste posthume Nummer-1-Single in Amerika wurde. Im Gegensatz zu Otis Reddings anderen starken Soul-Liedern ist "Dock Of The Bay" mehr ein Folksong, in dem Redding seine Stimme bewusst zurück nimmt. Auch die einmal angedachte Begleitung durch die Staple Singers wurde verworfen, was der Zerbrechlichkeit des Stückes nur weiter hilft.
Einer der stärksten Texte von Mick Jagger, inspiriert von Baudelaire und Bulgakov. Jagger versetzt sich in die Rolle des "Teufels" und erzählt die jüngere Geschichte der Menschheit, die von Krieg, Mord und Gier bestimmt ist. Besonders stark: während zunächst noch der Devil als handelnde Person auftritt ("Stuck around St. Petersburg / When I saw it was a time for a change / Killed Tsar and his ministers / Anastasia screamed in vain"), deutet Jagger in einem späteren Vers darauf, dass des Teufels Werk ohne des Menschen Beitrag nicht möglich wäre: "I shouted out / Who killed the Kennedys? / When after all / It was you and me".
Nicht zu unterschätzen für die Wirkung des Songs ist aber auch Keith Richards' Beitrag, auf dessen Idee hin das Tempo erhöht und die Percussion hinzugefügt wurde. So entwickelte sich "Sympathy For The Devil" aus dem von Jagger geschriebenen Folkstück zu einem Lied, das wie ein okkultues Beschwörungsritual klingt.
Woo, woo!
Bei den beiden Velvet Underground - Songs in meinen Top10 sieht man schön die Bandbreite der Band: während das (damals unveröffentlichte) "Stephanie Says" zumindest musikalisch zärtlichster Folk/Baroque-Pop ist, ist "Sister Ray" als Schlußtrack des "White Light / White Heat"-Albums ein siebzehneinhalbminütiges Monster, das sich aber nicht mit langem Intro-Gedudel aufhält, sondern von der ersten Sekunde an unbarmherzig losrollt. Natürlich bekommen die Gitarren noch genug Feedback-Ausgang im weiteren Verlauf, aber die Rhythm Section prügelt "Sister Ray" durch seine erste Hälfte bevor hier Rocknroll dann zu Feedback-Free-Jazz wird. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass Sonic Youth insbesondere diese zweite Hälfte von "Sister Ray" das eine oder andere Mal gehört haben.
"Time Of The Season", ohne Frage heute der berühmteste Song der britischen Band Zombies, war zunächst ein Flop. Ein Jahr nach Bandauflösung wurde eine Wiederveröffentlichung der Single zu einem Hit - kurioserweise aber auch nur in Übersee, wo es in den Billboard Charts bis auf #3 kletterte, während die Zombies mit ihrem Song in England nie charteten.
"Time Of The Season" ist der Schlusstrack auf dem Baroque-Pop-Meisterwerk "Oddesey & Oracles" und fasziniert sowohl mit seinem unvergesslichen Intro aus Drums und gehauchten "aaahs" wie seines wilden Orgel-Outros, was es zu einem Meilenstein psychedelischer Popmusik macht.
Mein liebster Song von Francoise Hardy, der ihre Beat-Seite zeigt und darin nicht unverwandt zu Nancy Sinatras "These Boots Are Made For Walking" ist. "Comment Te Dire Adieu" ist ein Cover einer heute vergessenen Country-Ballade von Margaret Whiting, zu dem Serge Gainsbourg auf Bitten von Hardy französische Lyrics schrieb, und wurde von ihr selbst später noch in italienisch ("Il pretesto", 1968) und deutsch ("Was mach' ich ohne dich", 1970) eingesungen.
Paul McCartneys "Helter Skelter" könnte für vieles berühmt sein: als einer der Gründungssongs des Hardrock-Genres oder als herausragender Track des "White Album", aber die langlebigste Assoziation ist auch die unschönste. Mörder und Rassist Charles Manson interpretierte "Helter Skelter" als Prophezeiung eines apokalyptischen Kriegs zwischen Weißen und Schwarzen. Als die Mitglieder der 'Manson Family' Sharon Tate niederschlachtete, schrieben sie mit Blut "HEALTER SKELTER" (sic!) an den Kühlschrank. Bei allem schlimmen hat aber auch diese Episode noch eine Kuriosität aufzubieten, denn die Anwälte von Manson planten, John Lennon in den Zeugenstand zu rufen, woraufhin Lennon verlautbaren ließ, dass das herzlich wenig Sinn hätte, da er am Schreiben des Songs gar nicht beteiligt war...
Und es ist tatsächlich überraschend, dass ausgerechnet dieser härteste Song im Beatles-Werk von Paul McCartney geschrieben wurde, der ja in der allgemeinen Wahrnehmung eher für die LadidiLadida-Songs zuständig war, während Lennon den Beatles das edge gab. Zeigt nur mal wieder, dass man McCartney eben doch immer unterschätzt.
Ich kann mich kaum entscheiden, welche der beiden innerhalb von Jahresfrist aufgenommenen Versionen von "Waitin' Around To Die" ich bevorzuge: die etwas runder produzierte, folkigere Variante von 1969 oder diese noch sehr cowboyhafte originale Version, in der die Pecrussion mit dir in den nächsten Salon reitet:
Sometimes I don't know where this dirty road's taking me
Sometimes I don't even know the reason why
But I guess I keep a-gamblin', lots of booze, and lots of ramblin'
Well it's easier than just a-waitin' around to die
Die braslilianische Band Os Mutantes verbindet das Tropicalia-Movement mit dem Fuzz-Sound der Garagerock-Ära. Wie viele der bekanntesten brasilianischen Musiker 60er wie Caetano Veloso und Gilberto Gil waren auch Os Mutantes Teil der Bewegung gegen das Millitärregime. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Veloso waren Sound und Attitude so provozierend für die anwesenden konservativen Studenten, dass ein regelrechter Riot ausbrach, während Veloso und Os Mutantes "É proibido proibir" spielten. Der hier von mir ausgewählte Os-Mutantes-Song "A Minha Menina" ist wiederum auf ihrem Debütalbum zu finden, von Jorge Ben geschrieben und als Gast eingesungen.