19 Jahre nach ihrem letzten Album des Jahres in meinen Listen sind die Strokes wieder am Platz an der Sonne. Viel ist passiert in diesen zwei Jahrzehnten: von der Last Gang In Town als Retter des Rock’n’Roll zur zerstrittenen Band, die kein zusammenhängendes Album mehr schreiben kann. Auch deshalb war „The New Abnormal“ eine so unglaubliche Rückkehr: nicht nur ist es das beste Set an Songs der Strokes seit 2006, es ist vor allem auch das erste Mal seit ihrer frühen Hochzeit, dass nicht nur der einzelne Track wirkt, sondern sie ein Album aus einem Guß mitbringen: vom Opener „The Adults Are Talking“ in klassischstem Strokes-Sound bis zum Closer „Ode To The Mets“, einer retrofuturistischen Synthie-Ballade. Und dazwischen? Hits, Hits, Hits.
„The New Abnormal“ hat nicht nur den besten, leider treffendsten Albumtitel des Jahres, sondern ist für mich auch die schönste Platten, weil sie in einer Gleichzeitigkeit aus eigener Referenz, abstrakter 80ies Nostalgie und Verzweiflung über das Jetzt zu sich findet und damit die Strokes nach langen Jahren des Suchens wieder fühlbar macht.
Zuletzt:
#15 Comedown Machine (2013)
#20 Angles (2011)
#2 First Impressions Of Earth (2006)
#2 Room On Fire (2003)
#1 Is This It (2001)
„In einer kalten Febernacht“ wurde Nino Mandls Album „Ockermond“ geschrieben – und auch wenn er die kommende Zeit mit ihren Quarantäne-Monaten noch nicht ahnen konnte, war „Ockermond“ genau das: ein Singer/Songwriter-Album, allein aufgenommen, nur Nino und eine Gitarre. Es spricht für Mandls herausragendes Songwriting-Talent, dass diese Songs keinerlei Untermalung benötigen, sondern mit ihren einfachen, aber bestechenden Melodien dafür den Nino-aus-Wien-Texten größten Raum geben. Keiner bringt Wolfgang Ambros und John Lennon besser zusammen als Nino aus Wien.
Zuletzt:
#3 Der Nino Aus Wien (2018)
#9 Wach (2017)
#30 Bäume (2014)
Die zweite Solo-Platte von Heiterkeit-Mastermind Stella Sommer ist mit Songs wie „Young Ghost, Old Century“ eines der besten Singer/Songwriter-Alben aus diesen Landen seit Jahren. „Northern Dancer“ ist im Vergleich zu vorherigen Sommer-Werken ungeschützter, intimer – und wohl deshalb auch emotional berührender. Erwähnt werden muss auch die Produktion von Max Rieger (Die Nerven), die genau den richtigen Punkt zwischen Nähe und Raum trifft und diesen Liedern den besten Rahmen bietet.
Zuletzt:
#19 Die Heiterkeit: Was passiert ist (2019)
#6 Die Heiterkeit: Pop & Tod (2016)
#7 Die Heiterkeit: Monterey (2014)
#9 Die Heiterkeit: Herz aus Gold (2012)
Wird mir viel zu selten gesungen: eine Hymne auf Acht Eimer Hühnerherzen. Ein Album namens „Album“ randvoll mit Knallersongs des „Nylon-Punk-Trios mit den drei Musikstilen Powerviolence-Folk, Kakophonie und Bindungsangst“ (Spotify-Selbstbeschreibung). Hand aufs Hühnerherz: „Album“ ist keinen deut schlechter als das auch schon hervorragende Debüt.
Zuletzt:
#16 Acht Eimer Hühnerherzen (self titled) (2018)
Verlässlich wie ein Uhrwerk: Baxter Dury hat seinen Groove gefunden und wird mit jeder Platte ein Stückchen besser. Dieses Mal ist zwar keine solche Über-Killer-Single wie zuletzt „Miami“ enthalten, aber jeder Song auf „The Night Chancers“ ist auf den Punkt produziert – und geschrieben. Im letzten Lied singen die Girls im Hintergrund: „Baxter loves you!“ und das kann ich nur zurückgeben.
Zuletzt:
#6 Prince Of Tears (2017)
#12 It’s A Pleasure (2014)
Mit vier Alben in gut eineinhalb Jahren dürfte die immer-noch-incognito-Band Sault eine der produktivsten Gruppen überhaupt sein. Ihr bestes Werk bisher ist „Untitled (Rise)“, ein wütendes, stolzes Album, das so gut wie kein anderes in das Jahr von „Black Lives Matter“ passt.
Fontaines D.C. veröffentlichten im letzten Jahr ihr Debüt – und das Album des Jahres. Erstaunlich schnell legen die jungen Iren nach und nicht minder erstaunlich ist die Wandlung, das Erwachsenwerden in nur 12 Monaten. Ein reifes Album, das nicht mehr in jedem Song das Post-Punk-Gaspedal druchdrückt, aber dennoch genug Hits wie den Titelsong mit seinen The-Strokes-Last-Nite-Gitarren-und-Drums-Set-Up oder „I Wasn’t Born“ bereit hielt.
Zuletzt:
#1 Dogrel (2019)
Vier Jahre nach ihrem phänomenalen Debütalbum „Fatal/Schwach“ (hier #2 in den Alben des Jahres) kehrte die Münchener Band Friends Of Gas mit einer noch kompromissloseren Platte zurück, die den Geist von Faust mit Sonic Youth’schen Lärmorgien zusammenbringt und in Songs wie „Abwasser“ zeigt, dass Friends Of Gas auch den kalten Groove des No Wave spielen können. Zugänglicher als dieser Song wird’s aber nicht werden!
Zuletzt:
#2 Fatal Schwach (2016)
Herman Düne, in den frühen 2000ern aus der Anti-Folk-Bewegung hervorgegangen, hat mit „Notes From Vinegar Hill“ sein vielleicht bestes Album überhaupt aufgenommen. Die Verbeugung vor The Band im Eröffnungslied „Say you love me too“ kündigt bereits die ganze Bandbreite des Albums an, das sich souverän an Country, Blues & West Coast Folk nährt.
Ein Konzeptalbum über kosmische Genies, das die 60ies nach 2020 beamt. Von Beat-Hits wie „Mooncherry“, das auch die Box Tops geschrieben haben könnten, über Baroque Pop oder verstrahlten Psych-Folk in „Käsemond und Sternepizza“ (Gastauftritt: Nino aus Wien!) zu, natürlich, David Bowie elstert sich der österreichische Songwriter PauT einmal durch das vielleicht beste Jahrzehnt der Musikgeschichte.
PauTs „Weltraumkatzen“ bekommen als Leckerli drei von drei kosmische „Miau“!