Dieses Album war für mich immer "Sister Ray" und nicht viel dazu, allerdings vollkommen zu Unrecht. Allein "Lady Godiva's Operaiton" und "White Light/White Heat" sind ja ebenso top-notch und Bananen-Niveau, also: where were you? 1968 easily Platz 1.
Viel besser als in meiner Erinnerung bzw. dem Hören in der ersten Begeisterung vor knapp 30 Jahren ("Brillant") und dem Nach-und-nach-verblassen durch die allgemeine Doors-Schlechtrederei, jenseits aller Vergötterung in Räucherstäbchenkreisen. Hier fehlt mir zwar der ganz große Song wie "Riders on the storm", "When the music's over" oder der Titeltrack, der aber eben nicht auf dieser Platte ist. "Waiting for the sun". Aber von "Love street" über "Not to touch the earth" bis "Spanish caravan" ist das Album doch voller (Nicht nur Doors-) Klassiker.
Aufgrund der schieren Fülle dieses Albums (30 Tracks, ey, was geht Alter?) ist es für mich unmöglich, hier zu einem vollumfänglich befriedigenden Ergebnis zu kommen. Zu oft halten mich hundertfach gehörte Songs (While my guitar.., Happiness is a warm gun, Helter Skelter) oder auch die, bei denen ich nicht weiß, ob ernst gemeint oder Quatsch (Ob-la-di ob-la-da, Wild Honey Pie) , davon ab, das konzentriert und wohlwollend komplett durchzuhören. Aber die pure Bandbreite an Styles und das Gespür für Melodien ist dennoch unvergleichlich. Nur finde ich trotz solcher Perlen wie das unverschämte "Revolution 9" (das Leute bestimmt immer an- und ganz schnell wieder ausmachen, weil sie eigentlich an "Revolution 1" dachten), dass sie 1968 nicht mehr so innovativ waren wie vergleichsweise bei Revolver.
Wie im Vorjahr erklimmen die Doors erneut den Thron für das beste Album und kommen damit mit ihren ersten drei Alben in meinen Rankings auf die formidable Ausbeute von zwei ersten Plätzen und einem siebten Platz.
Der dritte Streich der Westcoast-Truppe (einziges Nr.1-Album der Band in den USA, nachdem es für die beiden Vorgänger nur für die Plätze 2 bzw. 3 gereicht hatte) erreicht zwar nicht ganz die herausragende Qualität des Debütalbums (was auch verdammt schwer ist), kann aber dennoch als sehr gelungenes Opus bezeichnet werden, das sich durch enormen Abwechslungsreichtum auszeichnet. So finden sich neben Songs im typischen Stil der Band, auch eher poppige Klänge ("Hello, I Love You"), Balladen ("Love Street", "Wintertime Love"), das mit einem heavy Gitarrensolo aufwartende "Five To One" und sogar Flamenco-Anleihen ("Spanish Caravan").
Auf der Scheibe finden sich auch wieder mehrere hochklassige Songs, wobei hier "Hello, I Love You" (Nr.1 in den USA und Kanada), v.a. aber "Five To One" und "Love Street" - beide aus Jim Morrisons Feder - hervorzuheben sind.
Die gleichnamige Single "Waiting For The Sun", eine weitere Perle aus dem Doors-Oeuvre, fungiert kurioserweise nicht als Titeltrack, sondern erscheint erst auf dem 70er-Album "Morrison Hotel".
Die große Überraschung in diesem Ranking stellt sicherlich Platz 2 für das Debütalbum der walisischen Combo Love Sculpture, die leider nur bis 1970 existierte und sich nach lediglich zwei veröffentlichten Alben auflöste, dar. Ihr Erstling bietet Blues auf höchstem Niveau und zeichnet sich vor allem auch dadurch aus, dass wirklich kein einziger schwächerer Song vorzufinden ist. Man kann die Scheibe einfach durchlaufen lassen und kommt knapp 42 Minuten lang durchgehend auf seine Kosten, woran das Ray-Charles-Cover "I Believe To My Soul" und "Summertime" (sehr geile Version des Klassikers!) besonders großen Anteil haben.
Zwar verlegte sich die Band hauptsächlich aufs Covern, aber das machten die Jungs ganz fantastisch!
Bereits im Jahr 1968 und damit als erste Band des legendären Dreigestirns des frühen Hardrocks betrat Deep Purple mit seinem Erstling den Markt und war damit den beiden anderen Koryphäen Led Zeppelin und Black Sabbath zeitlich knapp voraus.
Der Gruppe, die sich damals noch mit Rod Evans statt Ian Gillan am Gesang und Nick Simper statt Roger Glover am Bass präsentierte, fehlte noch etwas die Härte der 70er-Jahre, doch in Anbetracht der damaligen Zeit lassen es die Engländer partiell bereits beachtlich krachen. Zudem zeigen die Herren Lord und Blackmore hier durchaus schon ihre musikalische Virtuosität. Ein klares Genre ist noch nicht erkennbar, dafür fällt das Album sehr vielseitig aus und bietet zahlreiche Tempowechsel.
Höhepunkt des Longplayers ist sicher der All-Time-Klassiker "Hush". Deep Purple verleihen dem ohnehin schon passablen Original des Singer-Songwriters Joe South mit ihrer Version noch einmal ganz neuen Glanz und katapultieren den Song qualitativ in eine völlig andere Liga (in die knapp 30 Jahre später auch Kula Shaker mit ihrer Version noch einmal aufsteigen sollten). Außerdem finden sich auf dem Album noch zwei interessante Coverversionen des Beatles-Songs "Help" und des vielgecoverten "Hey Joe".
Zwar erreicht das Debüt noch nicht ganz die Klasse der späteren, noch hardrockigeren Deep-Purple-Glanzphase, kann sich aber insgesamt durchaus sehen lassen und nimmt im Bandkatalog zweifelsohne einen wichtigen Platz ein.
Neben Loves "Forever Changes" vielleicht die schönste Platte, die das Baroque-Pop-Movement je hervorgebracht hat. Jeden Januar dieser so deprmierenden Corona-Jahre mag ich hoffnungsvolll "This Will Be Our Year" auflegen und kein Song wird jemals bessere "Ahh! Ahh!"s haben als "Time Of The Season". Letzterer, einer der wirklich allerbesten Songs der ausgehenden 60er, hat einen besonderen Platz in meinem Herzen, weil er im heute völlig vergessenen und damals verrissenen dänischen Film "Dear Wendy" von Lars von Trier und dem jungen, unbekannten, nochnichtoscargewinner Thomas Vinterberg eine so zentrale Rolle einnahm.
Was will man sagen? Das verstörende Album für all die, denen das verstörende, gefloppte erste Velvets-Album zu Pop war?
Bei diesem zweiten VU-Album gilt wohl auch heute noch: schwierige Geschichte, Lou & John!
Andererseits: der Titelsong ist praktisch "The Modern Age" der Strokes und jedes Album, das mit einem Monster wie "Sister Ray" endet, gehört in die ewigen Hallen jeder Rocknrollgeschichte.
P.S.: zumindest wenn man dem ersten großen Re-Release der Velvets in den 80ern glauben mag, ist mit "Stephanie Says" auch der vielleicht schönste, berührendste und ewigste Folksong von Lou Reed aus genau der Zeit dieses kompromisslosesten Albums* - nur eben nie auf "White Light / White Heat" inkludiert worden. In meinem Herzen gehört "Stephanie Says" - "The people all call her Alaska / Between worlds" - dennoch in diese Zeit.
*ok, yes. Lous "Metal Machine Music", wer liebt es nicht ;/
Hat jemals eine Combo den Moment der "Closing Time" einer Kneipe und die Ewigkeit des Americana besser zusammengebracht?
"The Weight" als Jahrhundertsong bestimmt natürlich "The Big Pink", aber keine Frage: ohne dieses Album klänge die uramerikanische Musik des reichinstrumentierten, schunkeligen Country-Folk auf ewig anders. (klingt evtl. wie ein Diss, ist aber mit voller Hochachtung gemeint)
Das Geile an den 60ern ist, dass eine Band wie The Byrds, die gleichermaßen ausrechenbar (Dylan-Cover) wie revolutionär (Erfinder von Folk-Rock) war, sich 1968 denkt:
Ganz gut, unser "Notorious Byrds Brothers" Album und eventuell machen wir nächstes Jahr auch aus dessen "Wasn't Born To Follow" den Counter Culture Hit überhaupt (ffw "EasyRider"). Aber irgendwie: auch immer allles gleich.
Und dann läuft Gram Parsons über den Weg und macht IM GLEICHEN JAHR aus den Dylan-Epionen und Folk-Rock-Erfindern The Byrds eine völllig andere Band, die Gruppe zu den ewigen Gottvätern des Alt.Country und setzt diese immer unterschätzte Band noch ein weiteres Mal auf ewig in die Historie der amerikamischen Musik. Ohne "Sweetheart Of The Rodeo" keine Bright Eyes. Just sayin'.
So schnell wie Gram Parsons gekommen war, ging er aber auch wieder: nach erneutem bandinternem Streit (siehe auch den Eintrag zum "Notorious Byrds Brothers"-Album auf #15) wurde Parsons rausgeschmissen und gründete in der Folge mit Chris Hillman, seinem Supporter im Ringkampf um die Byrds-Vorherrschaft, die Flying Burrito Brothers (die wir in der Bestenliste für 1969 wiedersehen werden!).
Van Morrissons "Astral Weeks" ist nicht nur für ihn persönlich ein Meilenstein: nach seinen Anfängen mit Them als R&B-Coverband (siehe beispielsweise das hervorragende "It's All Over Now Baby Blue", #12/1966, vom "Them Again"-Album, #4/1966) und dem schunkeligen Blue-Eyed-Soul-Solo-Debüt "Brown Eyed Girl" (#39, 1967) nimmt der grummelige Ire mit "Astral Weeks" eine Platte auf, die so weit über seine bisherigen Veröffentlichungen hinausgeht, dass ihm ein richtig originäres Werk gelingt.
"Astral Weeks" verweigert sich Pop-Ideen, ist ausufernd und mäandernd, kommt nie wirklich auf den Punkt, sondern kreist von außen als Musik gewordener Stream Of Consciousness um seine Ideen.
Bei Veröffentlichung war "Astral Weeks" folgerichtig kommerziell nach dem Mega-Hit "Brown Eyed Girl" eine Enttäuschung, doch diese hier zum ersten Mal gehörte Mischung aus Van Morrissons R&B-Stimme mit folkiger Instrumentierung und strukturellen Jazz-Anklängen ist seitdem Stammgast in Listen der besten Alben aller Zeiten (#19 Rolling Stone, #3 Times, #10 Guardian, #68 NME, #2 Mojo , #3 Uncut).
Achtung, Ketzer-Warnung!
In der weit ausufernden Doppel-LP "White Album" steckt ein sehr gutes Single-Album mit starken Songs wie "Helter Skelter", "While My Guitar Gently Weeps" oder das Beach-Boys-Pastiche "Back In The USSR". Wer aber andererseits ernsthaft den Doppelschlag "Piggies" und "Rocky Racoon" verteidigen möchte oder "Ob-La-Di-Ob-La-Da" für gelungene cultural appropriation hält, werfe den ersten Stein auf mich.
Die Stärken des "White Albums" liegen auf der einen Seite in seinen folkig-verstörenden Liedern wie "Happiness Is A Warm Gun" oder "Sexy Sadie" und andererseits wie die Beatles in ihren lauten Songs beginnen, Blues-Rock-Einflüße einzubinden, die sich in ihren wilden Rocknroll-Songs der Anfangszeit noch nicht gefunden hatten. Hier ist natürlich "Yer Blues" zu nennen, aber vor allem eben das von McCartney als Antwort auf The Who geschriebene "Helter Skelter". Einer der ersten Hardrock-Song überhaupt.
Als ganzes Album überzeugt beim "White Album" vor allem die Produktion, die deutlich frischer ist als noch beim staubigen "Sgt Pepper", aber schlachtet mich: ich kann für dieses Album, das so sehr weiß, wie gut es ist, keine Liebe empfinden.
Francoise Hardys 1968er Album vereint neues Material mit Coverversionen von großen Werken wie unbekannteren Stücken.
Zu den bekannten Originalen zählen "Suzanne" (Leonard Cohen) und "Ou va la Chance" ("There But for Fortune", geschrieben von Phil Ochs für Joan Baez), aber mein liebster Francoise-Hardy-Track der Geschichte ist ihr Yé-Yé-Meisterwerk "Comment Te Dire Adieu", das 1966 ursprünglich ein heute vergessener Countrysong von Margaret Whiting war.
Mit dem von Serge Gainsbourg geschriebenen "L'Anamour" findet sich ein zweiter der All-Time-Hardy-Cuts auf diesem Album und sogar Hardys Ausflug in einen Swing-Band-Sound auf "Étonnez-moi Benoît...!" funktioniert erstaunlich gut.
Back to the Roots, Rolling Stones. Wobei: als Engländer entdecken sie hier wohl eher ihre Roots ganz neu für sich. Jedenfalls, ein Wasserscheiden-Album, das die Stones weg vom Beat bringt, for better or worse. Zwei ihrer allergrößten Songs (Sympathy & Street Fighting Man) finden sich auf diesem Album, aber "Sympathy For The Devil" gibt die Richtung vor, wohingegen "Street Fighting Man" stilistisch als Rückgriff erscheint.
P.S.: Mir als Ja,Panik-Fan sei angebracht: ich glaube, dass der Rolling Stones' "Dear Doctor" sich auch im 2021er Album der Gruppe Ja, Panik auf "The Cure" wiederfindet ("oh help me, please doctor" vs. "Doktor hilf mir, Doktor bitte. Doktor hilf mir, dass ich wieder rausgehen kann. Doktor please, ach Doktor bitte").
Das schöne Label "Outlaw Country" hängt um wenige Nacken besser als bei Townes van Zandt, der in den 70ern in einer Hütte ohne Elektrizität und Telefon hauste und seinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit Gigs in Dive Bars bestritt. Van Zandt steht dabei genauso nah am Folk wie am Country, spielt erstaunlich feinfühlig Gitarre und hat natürlich einen etwas düsteren Ausblick auf das Leben wie sein bester Song "Waiting Around To Die" ahnen lässt. Im nächsten Jahr wird Townes van Zandt auf seinem selbstbetitelten, dritten Album vier Songs dieses Debüts - den Titelsong, "Waiting Around To Die", "Quicksilver Daydreams Of Maria" und "I'll Be Here In The Morning" - noch einmal aufnehmen und damit sein größtes Album veröffentlichen, doch auch das etwas unrundere und rauher instrumentierte Debüt ist für sich genommen schon ein Folk-Klassiker.
Ein Irrtum der Musikgeschichte: nur weil Folsom Prison vor San Quentin war, gilt es auch als beseres Album. Stark die Idee, aber die (protopunkige, hasiladkinsche) Härte in San Quentin macht das dortige Gefängnis-Album natürlich NOCH größer. Aber dazu nächstes Jahr!
"Folsom Prison" ist als Idee trotzdem so unfassbar gut, dass es als Gutes unter Gleichen trotzdem jede Platzierung verdient.