»Sometimes I think, there’s a riot going on«

20.11.2007 | 1 Kommentar | barracuda

Kurt Wagner im E-Werk, Erlangen, 16/11/2007
Die Überraschung des Abends erwartet uns bereits auf dem Parkplatz des E-Werks in Erlangen: Grüppchenweise grölende, sagen wir mal, Teens?! Ist ja auch klar, denn im E-Werk findet heute einer der Konzerthöhepunkte des Jahres statt: Kurt Wagner, Sänger und Komponist von Lambchop aus Nashville, Tenneessee spielt solo. Oder Moment mal, sind die Kids vielleicht gar nicht wegen ihm hier, sondern um sich zu alkopoppen? Die Antwort findet sich, als wir um die Ecke biegen und an den Eingang des großen Saals gelangen, denn hier hat man noch genügend Freiraum, um Purzelbäume und Räder zu schlagen. Und man sieht keine Menschen mehr unter 30. Kurt W. steht gleich am Eingang, beim Mechandisingstand und empf … Nein, er reicht nicht jedem Besucher die Hand und bedankt sich artig fürs Kommen, er unterhält sich mit seinem Manager. Von mir auch erst Mal unbemerkt, nur die Motorjugendliche »solanin« ist aufmerksam und sofort verzaubert.

Wie vom Flyer versprochen ist der Saal tatsächlich bestuhlt, die Reihen sind aber nur spärlich besetzt, füllen sich bis Konzertbeginn noch etwas. Es bleiben trotzdem zu viele Freiräume übrig. Na, was soll’s, dann besteht noch intensivere Großraumwohnzimmeratmosphäre. Wir sitzen zuerst hinten auf den Treppen, die Sicht ist von hier einfach am besten. Aber es fällt auch auf, dass die Kidsparty im hinteren Teil des Gebäudes doch stark geräuschlastig ist: Zwar pumpt keine Musik durch die geschlossenen Stahltüren – aber ein enormes Stimmengewirr dringt hörbar durch. »Uff, ob das wohl Einfluss auf den Konzertgenuss hat?« sage ich zu mir. (Um es vorwegzunehmen: ja!)

Irgendwann kommt auch Kurt Wagner hinter zu den Treppen und setzt sich … Häh? »Der soll jetzt lieber anfangen« denke ich, »oder will der noch ein wenig plaudern?«. Schon geht das Licht aus, sogar die Türen zum Getränkeausschank werden geschlossen und der Saal liegt ganz im Dunkeln. Nur auf der Bühne leuchten ein paar wenige Lampen und die Notausgangschildchen scheinen über den Türen. Dann steht Kurt Wagner auf, nur knapp zwei Meter vor uns. Die Pausenmusik macht einen letzten Lautsstärkeschlenker nach oben, dann herrscht Ruhe – und Kurt W. hebt seine unverkennbare Stimme. Er singt ohne Verstärker, ohne Begleitung und läuft langsam durch die Dunkelheit nach vorne Richtung Bühne. Dort angekommen, hat er sein Lied beendet und setzt sich auf einen Stuhl. Es bleibt weiterhin ganz düster im Saal, nur sein Gesicht wird angetrahlt. Er nimmt seine Gitarre und beginnt zu spielen. Es ist ein zartes, leises Gitarrenspiel; die Stimme käftig und dunkel. Überragender Klang.

»Fool on the Hill? Is this a book about Paul McCartney?«

Vor Kurt Wagner steht eine Art Wäscheleine, die an zwei Ständern befestigt und über Rollen beweglich ist. An der Leine befinden sich Klammern, an die er nach jedem Song ein Blatt Papier klemmt, vielleicht mit dem Text des eben Gesungenen, vielleicht aber auch nur als Platzhalter für die Gedanken, die jeder Zuhörer während der Nummern hat. Gegen Ende werden dort 17 Seiten hängen. Eine wunderbare Soloreise durch sein gesamtes Schaffen angefangen bei »Posterchild« bis hin zu »Lambchop« und kleinen Verneigungen vor einigen Größen des Countrys und Pops.

Nach ein paar Liedern mehr, verlagern wir unsere Sitzposition auf die vorderen Sitzreihen. Weg vom Gebrabbel der Kids hinter der Rückwand. Es bringt zwar nicht viel, eine murmelnde Kakophonie bleibt weiterhin (sogar während der Songs) zu hören; aber die Atmosphäre fühlt sich intimer und heimeliger an.

Kurt Wagner unterhält sich in den Pausen mit seinen Zuhörern. »Ask me some questions« ist sein Motto. Und tatsächlich entspinnen sich dadurch herrliche Monologe und komische Erzählungen zu solch sinnfreien Fragen, wie alt Kurt W. eigentlich sei, welches sein Lieblingsbuch ist, wieviele Kappen er besitzt und warum er bisher eigentlich noch keine geraucht hat … Es funktioniert, man fühlt sich ganz nah dran an dem Menschen Kurt Wagner und seinen Liedern. Leider auch zur Jugendparty nebenan, die wir uns wirklich weggewünscht hätten. Kurt W. kommentiert das dortige Treiben lapidar mit »sometimes I think, there’s a riot going on«, lächelt, spielt einfach einen weiteren seiner zerbrechlich-zarten Songs – und lässt die Welt draußen vergessen.

Kurz gefasst: Kurt Wagner solo – ein tolles Konzert! Uneigeschränkt empfehlenswert.

Hintergrundinfos: Lambchop
Aktuelle CD: »Damaged« (2006)
Aktuelle DVD: »No such Silence« (VÖ: 23.11.07)
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Kommentare

solanin am 20.11.2007 um 16:23 Uhr:

ja!


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