Jung, deutsch und auf dem Weg nach unten

06.03.2013 | 3 Kommentare | motorhorst

Messer und Die Nerven im Club Stereo, Nürnberg. Zwei junge, deutsche Bands bringen die Hoffnung zurück, dass es - wie Peter Hein einst sagte - "auch anders geht".
Was für ein Konzert am Dienstagabend in Nürnberg im wunderbaren Club Stereo: Das recht neue Label This Charming Man Records schickt uns zwei Bands, die vor allem einen Eindruck hinterlassen: Einfach alles kaufen, was TCM so im Roster hat, dann kann man später sagen, dass man von Anfang an dabei war.

Die Nerven sind drei junge Burschen, die den Altersschnitt an diesem Abend extrem senkten und den Vorschusslorbeeren mehr als gerecht wurden. So bescheuert wie das klingt, aber mehrfach kam mir der Name Nirvana in den Sinn. Was natürlich ein Irr- oder Wahnsinn ist. Zum einen vergleicht man keine Bands mit den Legenden aus Seattle, zum anderen vergleicht man keine Bands mit anderen. Und vor allem liegt das ja so nahe, weil die Instrumente auch Gitarre, Bass, Schlagzeug sind. Aber darum geht es halt überhaupt  nicht und wenn jemand zu einem Die Nerven-Konzert geht und danach sagt, "das war ja gar nicht wie Nirvana, obwohl der Motor das geschrieben hat", dann sollte er sich vielleicht eine in die Fresse hauen. Es geht nicht um Holzfällerhemden und es geht nicht um Hymnen wie Smells Like Teen Spirit. Aber es geht um ein unheimlich gutes Zusammenspiel. die perfekte Mischung aus laut/leise und schnell/langsam und auch eine unheimlich harte, laute, energiegeladene Performance (alles ungefähr 2,7 mal so doll wie auf Platte). Es geht nicht um Grunge, aber das Gefühl, das beim Zuschauen (Der Drummer!) und Zuhören aufkommt, ist so, wie es 1989/1990 vielleicht gewesen sein könnte. Hammer. Riesenempfehlung.

Messer, mit vier Mitgliedern aber der selben Instrumentierung (der Sänger spielt kein Instrument, das hat man auch schon viel zu lange nicht mehr gesehen), gingen in die selbe Richtung aber auf einem anderen Weg. Die Songs waren nicht so brachial, aber ebenfalls sehr straight, rhythmisch. Der Bass spielt hier eine sehr große Rolle was die Grundrichtung angeht (Klar, sagen jetzt die Bassisten, das ist bei jeder Band so. Aber bei Euch hört man es halt nicht, ihr Armins!) und der Gitarrist hat dann die Größe und Souveränität, da drauf die entscheidenden Akzente zu setzen anstatt alles in Grund und Boden zu solieren. Das, in Verbindung mit oben erwähntem Sänger, der mit unheimlicher Kraft und Selbstsicherheit seine Texte singt, erinnert zum Beispiel an Joy Division. Klar, hanebüchen. Und schon wieder ein Vergleich. Wo sind wir denn hier, Motor, in der Musikjournalisten-Grundschule? Mir geht es hier auch gar nicht darum, dass die Band wie Joy Division klingen würde, das tut sie nämlich nicht. Aber die Art und Weise, wie hier Energie von der Bühne nach unten kommt, das erinnert mich halt an JD. Kapiert? Na ja, vermutlich eher nicht.
Der Wahnsinn war ein neues Stück, das - denke ich - "Tollwut" hieß (im Refrain kam aber eher "Dynamit" vor, was aber ja auch ein bekanntes Heilmittel gegen Tollwut ist). Das wiederum ging stark in die The Fall-Richtung, also in die nicht ausgefranste, sondern proklamierende Richtung, wenn Mark E. Smith seine Texte nur so ins Mikro spuckt.

Bei den Vergleichen merkt man schon , woher der Hase weht: The Fall, Joy Division, Nirvana. Diese Bands singen zwar deutsch, aber ohne Bezug zu Künstlern von hier und aus den letzten 20 Jahren. Hier geht es nicht um die Hamburger Schule, nicht um befindlichkeitsfixierten GHVC-Rock und schon gar nicht um den ganzen Dreck,  der danach kam. Wenn es überhaupt Anlehnungen an andere Gruppen gibt, dann wären maximal, 1000 Robota zu nennen, aber da winkt ja auch schon wieder der Zaunpfahl ganz ungeduldig wegen "Jung, deutsche Texte, klassische Instrumente".
Die Selbstverständlichkeit, aber auch Selbstsicherheit, wie hier Texte auf deutsch gesungen werden und das zu einer Musik, bei der man es nicht erwartet oder kennt, ist beeindruckend. Die Themen entsprechen der heutigen Jugend (sagte der alte Mann und zündete sich ein Pfeifchen im Lehnsessel an, dass er zum schönen Wein genoss), die Rebellion, die eh nix bringt, weil gegen alles rebelliert wurde, die Langeweile, die Wiederholungen. Das Repetitive findet bei beiden Gruppen dann wieder die perfekte Entsprechung in den Lyrics, wenn Nicht-Parolen parolenhaft wiederholt werden.

Wieder mal schade, dass das Publikum so überschaubar war. Aber ganz einfach liebe Bands: Macht das nächste Mal im Glashaus in Bayreuth Halt. Ein guter Teil der Stammzuhörerschaft war schon mal zur Sneak Preivew am Dienstag in Stereo.

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Die Nerven - Nichts Neues
Messer - Augen in der Dunkelheit

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Kommentare

tripon am 06.03.2013 um 10:27 Uhr:

Hab Messer am Samstag im Rahmen des Monsters Of Spex im Atomic gesehen und kann dir da in Punkto JD nur beipflichten, Motor - das war exakt mein erster Gedanke als sie auf die Bühne gegangen sind. Liegt aber auch am gesamten Habitus des Sängers. Das war alles schon sehr Ian Curtis-mässig. Musikalisch ist aber leider nicht viel hängengeblieben vom Auftritt. Fand es ganz nett, aber mehr auch nicht. Trümmer davor das Gleiche. Ich werde alt...

Christian_alternakid am 06.03.2013 um 14:37 Uhr:

Hast du Die Nerven schon mal gesehen, Tripon?
Finde ich sowohl auf Platte als auch live wirklich phänomenal. Auch noch einmal wirklich ein ganzes Stück besser als Messer.

tripon am 12.03.2013 um 16:45 Uhr:

Ne, dazu hatte ich noch keinen Nerv... HA!
Im Ernst, weder gesehen noch gehört, aber dann hol ich das mal nach... Cheers!


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