Erst Jammer-Ei, dann Jammerei
Ein Konzertabend der besonderen Art. Featuring: The Wrens.
Am gestrigen Freitagabend fuhr ich nach Heidelberg, um mein Weinen in Wein und Wrens zu ertränken. Das Weinen um das verlorene Melt!festival. Doch irgendwie drang dieser Sachverhalt gar nicht so sehr in mein Bewusstsein vor und so konnte ich mich getrost ohne Trost durch den Scheinfreund Wein auf das Konzert von The Wrens freuen. "Meadowlands" hör ich grad pausenlos, drum war die Vorfreud extra-groß. Und was sich reimt, ist gut.
Den Anfang machte der Song "This Boy Is Exhausted", wobei der Schlagzeuger und der Leadgitarrist noch gar nicht auf der Bühne standen. Sie stießen erst in der zweiten Hälfte des Songs dazu. Der Sound war zunächst grauenhaft, man erkannte zwar die einzelnen Stücke, aber, nunja, sie klangen nicht annähernd so wie auf Platte. Vielmehr erinnerte der Höreindruck eher an eine Punkband, die losschrammelt. In der ersten Reihe des Publikums waren völlig überdrehte Menschen aus irgendeinem Land, dessen Sprache ich nicht verstand, aber zunächst hielt ich sie für Briten. Sie zelebrierten die Show auf eine Weise, die absolut mitreißend war und somit weiß ich gar nicht, ob der Funke nun von der Band oder von der ersten Reihe aus auf mich übersprang. Einer der Erstreihenherren bewegte sich auf so charakteristische Weise, dass ich mich zu einer Freundin umdrehte und sagte: "Der ist von Chikinki! Da verwette ich meinen Hintern drauf. An den Synthies! Der bewegt sich auch auf der Bühne so." Doch sie glaubte das nicht und ich brachte nicht den Mut auf nachzufragen.
Zu einem späteren Zeitpunkt des Konzerts, als sich The Wrens auch nicht mehr wie eine debütierende Punkband anhörten, winkten sie die Erstreihenherren auf die Bühne oder die Erstreihenherren sprangen impulsiv von selbst hinauf, das weiß ich nicht genau; und da ich direkt hinter ihnen stand, zog mich der Pianist und Bassist (übrigens mit total abgefucktem Bass, der an manchen Stellen mit Klebeband zugeklebt worden war) mit auf die Bühne. So stand ich nun dort oben und dachte: "Oh nein! Wie krass! Wie großartig! Wie peinlich!" Und dann gings los. Nein, wir sollten nicht einfach nur oben stehen und tanzen. Stattdessen fingen die impulsiven Herren aus der ersten Reihe an, mit Drumsticks auf Bierflaschen trommelnd den Schlagzeuger zu unterstützen. Da ich nun schonmal da war und nicht so recht wusste, wohin mit meinen Händen, suchte ich mir kurzentschlossen auch zwei Bierflaschen zusammen und fing an mit den Wrens und den Erstreihenherren zu jammen. Der Mensch, den ich für das Chikinkimitglied gehalten hatte, stand direkt neben mir und grinste mich an: "This is fantastic!" Irgendwann zersprangen meine beiden Bierflaschen und die Scherben fielen zu Boden, weswegen der zweite Wrens-Gitarrist mir ein Rasselei in die Hand drückte und so konnte es dann weitergehen. Euphorie!
Nach dem Song, dessen Namen ich gerade nicht weiß, aber wenn ich mir das Album wieder anhöre, auf jeden Fall benennen kann, sprangen wir alle wieder von der Bühne und es wurde in einer tobenden Menge weitergerockt. Ewigviele Zugaben, der Saal schwitze. Ich schwitze auch und war beinahe dankbar um den Bierregen, der hin und wieder auf mich niederpraselte. Aber nur beinahe - Wasser wäre geruchsneutraler gewesen. Man, this is ROCK N ROLL!!! Gegen Ende des letzten Songs sprangen die impulsiven Herren dann nochmal auf die Bühne. Diesmal bin ich mir sicher, dass sie nicht hochgewunken wurden und das war auch der Grund, warum ich mich ihnen nicht nochmal anschloss. Sie tauchten dann auch nicht mehr auf, sondern folgten den Wrens in Richtung Backstage Bereich.
Ich war total euphorisiert, denn erstens war das Jammen einfach großartig gewesen, zweitens liebe ich diese Band, drittens kamen die Bandmitglieder noch ein paar Mal zu mir und bedankten sich für meinen Einsatz und viertens war einfach die pure Freude dieses vermeidlichen Chikinkimenschen so schön anzusehen. Jetzt begreife ich endlich, was die Leute damit meinen, wenn sie sagen, dass es der Wahnsinn ist, mir beim Tanzen zuzusehen. (Naja, ein kleines Eigenlob am Rande einzuflechten, darf ja wohl noch erlaubt sein, oder? ;) ).
Die DJs, die dem Konzert folgten, machten ihre Sache allerdings so schlecht wie das Konzert vorher begeisternd gewesen war. Fast alle meine Freunde verabschiedeten sich recht schnell und so stand ich dann alleine zu holprigen Übergängen und ausgeleierten Songs auf der Tanzfläche. Ich beschloss, die DJs zu boykottieren, indem ich ihnen mein Wohlwollen entzog und dem Treiben nur noch missmutig vom Tanzflächenrand aus zusah. Im donnernden Stimmungsgewitter sprach mich ein Kölner Maschinenbaustudent mit der Frage an, ob ich Deutsch spreche. Ja. "Ich frage nur, weil du vorhin mit den Luxemburgern auf der Bühne gestanden bist. Da dachte ich, dass du vielleicht dazugehört hast." Nein. Also doch kein Chikinki, die sind schließlich aus Bristol. Vielleicht hatte er aber auch keine Ahnung und es waren doch keine Luxemburger. Der Kölner kannte Chikinki nichtmal und nachdem ich später seine steichelnde Hand auf meinem Bein für eine Fliege gehalten und draufgeschlagen hatte, war ich wieder allein mit mir auf der Tanzfläche. Ich wünschte mir Chikinki, was auch zwischen "London Calling" und irgendeinem Oasissong gespielt wurde, und schaute alle böse an. Dann entschied ich mich, zum Bahnhof zu laufen, da mir die halbstündige Wartezeit auf den ersten Bus unerträglich lange vorkam und mich ziemlich sicher zum Amoklauf getrieben hätte.
Somit also ein ziemlich seltsamer Abend. Erst die große Euphorie, dann die große Frustration. Zusammen mit The Wrens und irgendwelchen Luxemburgern auf der Bühne mit zerspringenden Bierflaschen am Jammen, später dann wegen der DJs am Jammern. Irgendein komischer Fliegen-Kölner und kurz darauf Ninette allein auf dem Streifzug durch die Altstadtgässchen der bereits wieder erwachenden Stadt.
ni(e)nett(e) am 20.07.2006 um 22:52 Uhr:
der wahnsinn! niemandem ist der grobe schnitzer meines artikels aufgefallen und ebenfalls niemandem, dass ich den groben schnitzer wieder ausgebügelt habe.wer weiß wovon ich rede bekommt beim nächsten oder ersten gegenüberstehen ein eis von mir. ;)
Basti am 21.07.2006 um 08:34 Uhr:
doch, du hast chikinki Luxemburg zugeordnet. ich habs gelesen ;)Christian_alternakid am 21.07.2006 um 08:57 Uhr:
hehe, der basti, der alte gentleman!Basti am 21.07.2006 um 09:24 Uhr:
ich stelle bloß auf Aufforderung bloß :) hahaChristian_alternakid am 21.07.2006 um 09:38 Uhr:
das ist ja meine lieblingsstelle: und nachdem ich später seine steichelnde Hand auf meinem Bein für eine Fliege gehalten und draufgeschlagen hatte, war ich wieder allein