Gibt es einen größeren Garage-Rock-Song*?
Und dabei ist "Have Love Will Travel" ja sogar nur ein Cover eines 1959er Songs von Richard Berry. Aber wie die Sonics mit den verzerrtesten Gitarren von 1965 dem Berry-Original jede Doo-Wop-igkeit austreiben und den Song in völliger Übersteuerung in die Welt brüllen, das hat soviel Energie wie 11 Jahre später Johnny Rotten bei "God Save The Queen.
Diese ersten sieben Sekunden, die böse groovende Gitarrenfigur und *dieser* Schrei. Besser kann ein Song nicht beginnen.
*Ok ich lass mit mir reden, "Strychnine" der Sonics (ebenfalls '65) gehört auch in den Olymp.
Da Bob Dylan 1965 zwei Alben veröffentlichte, weiche ich meine "1 Song pro Künster"-Regel zugunsten "einen Song pro Album" auf - und selbst hier ist es schwer, sich für den besten Song von "Bringing It All Back Home" zu entscheiden, sind doch mindestens "It's Allright Ma, I'm Only Bleeding" und "It's All Over Now Baby Blue" Top-Ten-tauglich für dieses Jahr. "Subterranean Homesick Blues" erhält letztlich auch wegen seiner historischen Bedeutung den Zuschlag, ist er doch der entscheidende Wendepunkt zu "Dylan Goes Electric". Nachdem alle seine vier vorherigen Alben nur mit akustischer Gitarre gespielt wurden, eröffnete "Subterranean Homesick Blues" mit diesem zweineinhalbminütigen Garage-Rock-Song, der Lou Reeds Unterwelt-Texte um zwei Jahre vorwegnahm. Eine der besten Zeilen eines Songs und Albums überhaupt: "Johnny's in the basement / Mixing up the medicine / I'm on the pavement / Thinking about the government".
„It's the same old story. Boy finds girl, boy loses girl, girl finds boy, boy forgets girl, boy remembers girl, girls dies in a tragic blimp accident over the Orange Bowl on New Year's Day“, lautet das Frank Drebin Zitat aus dem Film „Nackte Kanone“ und praktisch die gleiche Geschichte erzählt auch „Leader Of The Pack“ von den Shangri-Las, nur dass der tragische Unfall selbstredend ein Motorunfall ist.
Die Shangri-La’s sind neben den Ronettes natürlich die größte Girlgroup aller Zeiten und „Leader Of The Pack“ erweitert noch einmal die Grenzen dieses Genres in einem für einen kurzen Popsong untypischen Aufbau, der filmische Soundeffekte, abrupte Tempowechsel - bis zum Stillstand - und eine ganze Lebens- und Liebesgeschichte in diese zwei Minuten 48 Sekunden packt.
(P.S.: Als Single kletterte „Leader Of The Pack“ bereits Ende 1964 bis auf Platz 1 der US-Charts, das gleichnamige Debütalbum der Girl-Group erschien aber erst 1965)
"Inland Empire". Nach drei Stunden von David Lynchs Weirdo-Opus (ja, selbst für David Lynch - Verhältnisse ist "Inland Empire" eine eigene Liga der Weirdness) ist man erschöpft und erledigt, doch dann beginnt eine Kamerafahrt, wildes Tanzen und Nina Simones Zehn-Minuten-Version von "Sinnerman". Eine der größten Schlußszenen der jüngeren Filmgeschichte.
Die Geburt eines ganzen Genres: als The Byrds 1965 den gerade erschienen Bob-Dylan-Song coverten und Dylans knarzig-knödeligen Singer/Songwriter-Ansatz mit himmlischen Harmonien und der 12-Saiten-Rickenbacker-Gitarre verheirateten, trat Folk-Rock auf den Plan und ist dieser Sound bis heute eine der Grundfesten des Indiepops der Jingle-Jangle-Prägung.
Zu diesem Cover mussten The Byrds übrigens von ihrem Manager zunächst überredet werden, aber spätestens Dylans Begeisterung über die Byrds-Version - „Wow, you can dance to that!" - machte dann auch McGuinn, Clark und Crosby klar, welches Werk sie hier geschaffen hatten.
'Oh God said to Abraham, "Kill me a son"
Abe says, "Man, you must be puttin' me on"'
...die Bibel nach Bob Dylan!
Mehr Garagerock als auf "Highway 61 Revisited" war Dylan nie mehr und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Jack White gerade bei "Highway 61" doch ganz genau hingehört hat.
Dylan veröffentlichte 1965 gleich zwei Alben, die zudem noch mit das beste sind, was er je geschrieben hat: im März "Bringing It All Back Home" mit "Subterranean Homesick Blues", "Mr. Tambourine Man", "It's Alright, Ma (I'm Only Bleeding)" und "It's All Over Now, Baby Blue" sowie nur fünf Monate später eben "Highway 61 Revisited", auf dem neben dem Titeltrack "Like A Rolling Stone", "Ballad Of A Thin Man" und "Desolation Row" zu finden sind.
Die eigentliche A-Seite der "Highway 61"-Single "Can you please crawl out of your window" war zudem auf keinem Album enthalten (wie auch die andere 65er-Non-Album-Single "Positively 4th Street"). Als Dylan übrigens dem Folksänger Phil Ochs "...Window" auf einer gemeinsamen Autofahrth vorspielte und Ochs nur mäßig begeistert war, warf Dylan ihn mit den Worten "You're not a folk singer. You're a journalist" aus der Limousine
Lee Hazelwood schrieb Nancy Sinatra ihren 'signature song' - kaum ein Lied repräsentiert für mich so sehr den Anfang der swinging sixties (auch wenn die ja per Definition mehr ein UK- als US-Phänomen waren), was mit Sicherheit auch an dem unglaublich stylishen Video liegt, das wie "The Thomas Crown Affair" als Songauftritt wirkt. "These Boots" hat eine dem Titel angemessene walking bass line, die den Song dominiert und neben den von Nancy wunderbar hochnäsig-empowered gesungenen Trennungs-Lyrics das Herz des Liedes ist.
Are you ready Boots? So start walking...
Es gab sie also, die Zeiten, als im Eurovision Song Contest tatsächlich gute Lieder gespielt wurden (und nein, wer jetzt an ABBA denkt: dort hinten ist die Schämecke). 1965 gewinnt die damals 18jährige France Gall mit dem von Serge Gainsbourg geschriebenen Song "Poupée de cire, poupée de son" den Wettbewerb. Gainsbourg hatte übrigens auch schon ihren 1964er Hit "Laisse tomber les filles" komponiert, einan anderen Klassiker des, nennen wir es, Girlie-Chansons, die beide genau genommen eigentlich dem YéYé zuzuordnen sind.
Dass France Gall selbst später "Poupée de cire, poupée de son" nicht mehr singen wollte und es gar als "dummes Lied" bezeichnete, dürfte mehr an den von Gainsbourg eingeschmuggelten Untertönen im Text liegen als am Song selbst, der auch heute noch 12 points verdient.
"Poupée De Cire, Poupée De Son" ist im Übrigen auch eine der wenigen Überschneidungen zwischen kommerziellem Hitparadenerfolg in Deutschland und meiner Bestenliste: France Gall war hiermit auch auf Platz 10 der bestverkauften Songs des Jahres.
"Get Off Of My Cloud" wurde von Jagger & Richards als Nachfolgesingle ihres Mega-Hits "Satisfaction" geschrieben und ist aus meiner Sicht der deutlich größere Song, was Keith Richards anders sieht: "I never dug it as a record. The chorus was a nice idea, but we rushed it as the follow-up. But how do you follow-up "Satisfaction"? Actually, what I wanted was to do it slow, like a Lee Dorsey thing. We rocked it up. I thought it was one of Andrew Loog Oldham's worst productions". Der Mainstream ist dagegen auf meiner Seite, die "Get Off Of My Cloud" eine Nummer 1 Platzierung in USA, England und Deutschland bescherte. Für mich in einem starken Jahr der Rolling Stones - neben "Satisfaction" erschienen unter anderem auch "As Tears Go By"sowie "The Last Time / Play With Fire" ebenfalls 1965 - ihr bester Song.
Gerade im Vergleich zu den Beatles und den Stones klingt "My Generation" von The Who doch deutlich kompromissloser, harscher und aggressiver - und nimmt so als eine der ersten britischen Bands die spätere Punkexplosion vorweg.
Insbesondere textlich ist "My Generation" ein einziger Protestschrei gegen das Establishment:
People try to put us down
Just because we get around
Things they do look awful cold
hope I die before I get old
This is my generation
This is my generation, baby
Genauso gut, aber weniger ein Statement ist das ebenfalls in diesem Jahr erschienene "I Can't Explain", das stärker die mod'-ishe Kinks-Seite von The Who betont.
Pete Doherty hatte Anfang der 2000er schalkhaft in Interviews erzählt, eigentlich hätte er ja "Dreaming Of You" von The Coral geschrieben. Was natürlich (?) nicht stimmt - was aber richtig ist: "Dreaming Of You" ist ein Fast-Cover des Supremes-Smashes "My World Is Empty Without You", was 1965 genau den Sweet Spot zwischen treibender Motown-Soul-Produktion und dem Girl-Group-Wall-Of-Sound traf.
Gut 25 Jahre später coverte übrigens Jim Jarmusch mit seiner kurzlebigen No-Wave-Band The Del-Byzantees "My World Is Empty Without You" und machte daraus einen dystopisch-repetitiven Post-Punk-Song zwischen Joy Division und The Slits. Sehr gut. Sehen wir garantiert in der 1981er Bestenliste wieder, falls ich so lange lebe bis wir in dem Jahr endlich ankommen werden mit diesem Projekt!
"Where Have All The Good Times Gone" ist ursprünglich als B-Seite zu "Till The End Of The Day" erschienen und textlich mit einem erstaunlichen Ansatz, singt hier doch ein 21jähriger Ray Davies über die unwiderbringlich verlorenen guten Zeiten. Pete Doherty hat sich hier sicherlich seine Notizen gemacht, wenn ich mir die Idee von dessen "The Good Old Times" auf dem Libertines'schen Debütalbum ansehe!
Auch The Kinks hatten 1965 ein ganzes Füllhorn an brillanten Singles neben dieser EP: "Tired of Waiting for You", "Ev'rybody's Gonna Be Happy","Set Me Free", "See My Friends" sowie nicht zuletzt "A Well Respected Man", mein anderer 65er-Favorit der Kinks.
Im Original von P.F. Sloan geschrieben (den wir weiter unten in der Liste mit "The Sins of a Family" noch einmal wiedersehen werden), aber natürlich in der Version von Barry McGuire zum Welthit geworden. Da die Plattenfirma zunächst Bedenken hatte, ob das Radio einen so "negativen" Song über die Weltenzerstörung, für die Bürgerrechtsbewegeung, gegen die Regierung ("Think of all the hate there is in Red China / Then take a look around to Selma, Alabama!") sowie die allgegenwärtige Heuchelei der christlich geprägten USA ("Hate your next-door-neighbour, but don't forget to say grace") spielen würde, wurde "Eve Of Destruction" auf die B-Seite von "What’s Exactly The Matter With Me" verbannt. Insbesondere durch ständiges Spielen auf Piratensendern verbreitete sich "Destruction" dennoch und verkaufte sich sagenhafte sechs Millionen mal.
Für Freunde der härteren Kost empfehle ich Juliane Werdings deutsche Version, die es schafft, sämtliche politische Anspielungen ausgerechnet aus diesem Prototyp eines Protestsongs zu verbannen:
Mit Vierzehn kam er irgendwo in die Lehre
Lernte Brötchen holen, die Werkstatt auskehren
And're führten längst schon Mädchen spazieren
Auch er wollte einer mal imponieren
Sie hieß Su und hatte rote Haare
Er knackte Automaten, stahl heiße Ware
Doch der Richter gab ihm dafür zweieinhalb Jahre!
Du kannst kämpfen und schrei'n
Du fällst immer bergab
Wie ein rollender Stein
Denn ein morscher Baum
Trägt keine guten Früchte!
Dieser Nummer-1-Hit auf beiden Seiten des Atlantik (nur #2 in Deutschland!) hat sich in meinem 1965er Ranking ganz knapp vor zwei anderen Klassikern durchgesetzt: John Lennons Bob-Dylan-Verneigung "You've Got To Hide Your Love Away" und "In My Life". Von den dreien ist sicher "Help!" der größte Popsong, übrigens hauptsächlich von John Lennon geschrieben und - wie er in einem Playboy Interview von 1980 bekannte - tatsächlich als eine Art Hilferuf zum überbordenden Fames dieser Jahre gedacht.
Einer der ganz großen klassischen Chansons und Charles Aznavours ewiges Meisterwerk, "Du lässt dich gehen" hin oder her (just joking)! Dieser wehmütige Rückblick auf die wilden Tage von Montmartre fängt auch heute noch den verruchten Zauber einer wilden Jugend als Bohemian brillant ein.
Der ursprünglich für Nina Simone geschrieben Song wurde 1965 auch von den Animals um Eric Burdon aufgenommen: "It was never considered pop material, but it somehow got passed on to us and we fell in love with it immediately", so Burdon.
Ein weiterer 1965er Hit der Animals: "We Gotta Get Out Of This Place", dessen fantastischer Refrain mich lange hat ringen lassen, welcher Animals-Song nun die Ehren der Nominierung verdient.
Neben den Beach Boys sind The Mamas & The Papas eine der stilprägendsten Vertreter des California Sounds, aber im Gegensatz zu den vor allem in der Frühphase mehr Strand & Party thematisierenden Beach-Boys-Songs durchweht die Mamas & Papas Songs immer auch ein wehmütiges Sehnen. Besonders tritt das in "California Dreamin'" hervor, das von einem kalten New Yorker Wintertag aus ein Heimweh nach Kalifornien besingt.
Es unterstreicht nur noch einmal, wie cool Johnny Cash schon weit vor seiner späten Wiederentdeckung durch Rick Rubin war: bereits 1965, als die Langhaarigen und Gammler noch Pariahs der Gesellschaft waren und das konservative Country-Establishment der Counter Culture nun wirklich nicht die Hand geben wollte, covert Johnny Cash mit "It Ain't Me" einen Bob Dylan - Song, der ein Jahr zuvor auf "Another Side Of Bob Dylan" erschienen war. Cash, der den Song mit seiner Frau June Carter aufnahm, entwickelt aus dem leicht nöligen "du, ich bin nicht der richtige für dich"-Song von Dylan einen treibenden Countrykracher.
Der Man in Black fand Dylan so gut, dass er auf seinem „Orange Blossom Special“-Album mit "Don't Think Twice, It's All Right" gleich noch ein zweites Cover hinterherschob. Die Zuneigung beruhte auf Gegenseitigkeit, wie man an Dylans Meldung zu Johnny Cashs Tod merken kann: "Johnny Cash war und ist der Nordstern; du konntest dein Schiff nach ihm steuern – der Grösste der Grossen damals und heute“.
Cash '65 - Ebenfalls hörenswert: "Besser So, Jenny-Jo" und "Wer kennt denWeg", zwei von Cash auf deutsch eingesungene Lieder (letzteres natürlichein Eigencover von "I Walk The Line")
„Im Oktober 1965 erschien der19-jährige Drafi Deutscher im MusikverlagMeisel undträllerte „dam-dam, dam-dam“. Der Schlagerkomponist Christian Bruhn, der mitdem Verlag zusammenarbeitete, fragte nach der Fortsetzung, worauf Deutscherantwortete: „Det machst du.“Unter dem vorläufigen Arbeitstitel „Marmorstein und Eisen bricht“ schrieb der Autor Günter Loose einen Text, Bruhn sorgte für die Melodie“ erzählt Wikipedia schön die Entstehungsgeschichte dieses Klassikers, der sich allein in Deutschland 800.000mal verkaufte und – inklusive seiner ebenfalls erfolgreichenenglischsprachigen Version namens „Marble Breaks and Iron Bends“ – insgesamt sogar die Millionengrenze an Verkäufen übersprang sowie, Sachen gibt’s!, in den USA bis auf #80 chartete.
Für mich der seltene Fall, in dem der deutscheSchlager und der englische Beat eine glückliche Hochzeit schlossen.
Der einzige richtig große Hit der britischen Band Unit 2+4 war 1965 aber auch wirklich groß: ein Nummer-1-Song in Großbritannien, Top30 in den USA und überall sonst auf der Welt: Coverversionen dieses "unsterbliche Liebe"-Liedes.
Da wollte natürlich auch der deutsche Schlager nicht hinten an stehen und veröffentlichte via Horst Wiegand "Ein Fremder kam vorbei". Gut 20 Jahre später coverte dann die Berliner Synth-Pop-Band Hongkong Syndicate "Concrete & Clay" in englischer Sprache, erstaunlich werkgetreu und Un-80ies übrigens.
Noch ein Jahrzehnt später: Dexys Midnight Runner Kevin Rowlands zieht ein kurzes weißes Kleid an und singt "Concrete & Clay" auf dem legendären/berüchtigten "My Beauty". "Concrete & Clay" damit durchgespielt!
"I'm In The Mood For Ska" ist Lord Tanamos Ska-Version eines Frances Langford Songs von 1935 und klingt wie die schönsten jamaikanischen Ska-Songs dieser Ära so wunderbar staubig-rumpelig, dass auch diese Version beinah mehr an '35 als '65 erinnert. Aus mir nicht bekannten Gründen erlebte "I'm In The Mood For Ska" 1990 eine kleine Renaissance und kletterte bis auf #58 in den UK-Charts.
Dieser Top-5-Hit ist als zweite Single des zweiten Albums der Motown-Band Four Tops erschienen und für mich der bessere ihrer beiden 1965er Hits, ist Vorgänger (und Nummer-1-Hit) "I Can't Help Myself (Sugar Pie Honey Bunch)" dann doch die eine Ecke zu süßlich geraten. Der Legende nach ist "Same Old Song" tatsächlich innerhalb von 24 Stunden geschrieben, aufgenommen und veröffentlicht worden. Nimm das, Streaming-Jugend!
"I never thought I'd cut a record by myself but I got somethin' I wanna say. I want to say it for Cher and I hope I say it for a lot of people" beginnt "Laugh At Me" und tatsächlich sollte "Laugh At Me" Sonny Bonos einziger Solo-Hit bleiben. Hintergrund des Liedes ist übrigens, dass Sonny Bono wegen hippiesker Erscheinung der Eintritt in ein Restaurant in Los Angeles verweigert wurde.
In seiner Intonation wirkt "Laugh At Me" klar von Dylan beeinflusst.
A propos 'von Dylan beeinflusst': "A Public Execution", der Hit der Garage-Rock-Band Mouse and the Traps ist so nah an Dylan, dass man sich fast wundert ob es sich um ein Quasi-Cover oder eine Parodie von "Like A Rolling Stone" handeln soll. So oder so: näher an Dylan war wohl kaum jemand wieder.
Deutsche Beat-Bands hatten durchaus immer etwas schlageresques an sich, so auch die Bremer The Yankees mit ihrem Hit "Halbstark", der seinen Platz zwischen den Biker-Songs der Shangri-Las, Doo-Wop-Harmonien und Beat-Rhythmen einnimmt.
Rührend sind die Wikipedia-Notizen zum Erfolg der Band: "Immerhin gewann die Band im Mai 1962 einen Wettbewerb im Jugendfreizeitheim Walle (Bremen). Es wird überliefert, dass die Gitarren-Anlage bis zu diesem Zeitpunkt aus halb-akustischen Gitarren bestand, die über große Röhrenradios verstärkt wurden. Anfang 1963 lernten die Yankees den Elektriker Wolfram Schloenzig kennen. Dieser baute ihnen eine – für damalige Zeiten überdimensionale – Verstärkeranlage mit 100 Watt Leistung, die kaum eine Band in Deutschland vorweisen konnte. Premiere hiermit war am 23. Februar 1963 bei einer Faschingsfeier im Bremer Berufsschulzentrum".
Nachdem 1964 das erste Album von Simon & Garfunkel gefloppt war, trennte sich die Band. Paul Simon zog zurück nach England, Art Garfunkel ging wieder an die Universität.
Erst nachdem eine Radiostation in Boston anfing, den Song zu spielen, entschied sich der Produzent Tom Wilson, "Sound Of Silence" neu abzumischen und in dieser abgeänderten Version als Single zu veröffentlichen - ohne dass Simon & Garfunkel davon wussten oder die neu abgemischte Variante kannten. Zum Jahreswechsel 1966 kletterte "Sounds Of Silence" bis auf Platz 1 in den USA, 1967 dominierte das Lied den Soundtrack zu "The Graduate" ("Die Reifeprüfung") und der Rest ist, wie man so schön sagt: Geschichte und viel trubbeliges Wasser unter einer Brücke.
Brian Wilson soll "California Girls" während seines ersten Acid-Trips geschrieben haben. Obwohl der Song nicht allzu psychedelisch klingt, wirkt er schon wie ein Brückenschlag zwischen den frühen Strand/Surf-Songs und den späteren, opulenten Kompositionen wie "Good Vibrations". Brian Wilson selbst nannte später "California Girls" eine Hymne an die Jugend und seinen liebsten Beach-Boys-Song.
Einer der großen Protestsänger und Erbe des Vermächtnisses von Woody Guthrie bis Pete Seeger. In einem Antikriegslied wie "I Ain't Marching Anymore" kann man wiederum deutlich hören, wie Billy Braggs Protestsongs der 80er von Phil Ochs beeinflusst waren, um die Ahnengalerie des kämpferischen Protestsongs vollständig aufzuhängen.
Während des "Trial Of The Chicago 7" wurde Phil Ochs übrigens auch als Zeuge vor Gericht gerufen, da er während der Ausschreitungen aufgetreten war. Es wurde ihm vor Gericht verboten, "I Ain't Marching Anymore" zu singen, woraufhin Ochs die Lyrics rezitierte.
Die jamaikanische Rocksteady-Gruppe The Techniques, die vor allem durch ihre Harmonien und mehrstimmigen Gesang beeindruckten und noch älter als 1965 klingen. Habe ich einst vor Jahren auf einem der tollen Trojan-Sampler entdeckt.
"Take A Heart", ein düster-grooviger Song in der Art von Thems "Baby Please Don't Go", ist der einzige Chart-"Hit" (#21 in UK) der britischen Freakbeat-Band The Sorrows aus der Mod-Szene.
"Wooly Bully" von Sam the Sham and the Pharaohs ist praktisch die Definition eines Novelty Hits (und wäre womöglich heutzutage im Fadenkreuz von Cultural Appropriation Diskussionen auf Twitter) - war aber 1965 tatsächlich die erfolgreichste Single des Jahres. Obwohl "Wooly Bully" nie auf Platz 1 der Billboard Charts kletterte, war das nach der Katze des Sängers benannte Lied der meistverkaufte Song des Jahres in Amerika!
In "Moonlighting" (aka "Das Model und der Schnüffler") - einer meiner liebsten Fernsehserien überhaupt - gibt es auch eine schöne Sequenz, in der Büro-Faktotum Herbert Viola zum Füllen einer aufgrund eines Autorenstreiks zu kurz geratenen Episode von Bruce Willis überredet wird, "Wooly Bully" zu singen. Wie konnte ich mich also in diesen Song nicht verlieben?
So quatschig "Wooly Bully" auch scheinen mag, B-Seite "Ain't Gonna Move" ist übrigens ein bluesig-grooviger Song, der auch von Booker T & The MGs stammen könnte.
Bevor Suzi Quatro zum Weltstar des Glamrock wurde, spielte sie in den Pleasure Seekers, dieser räudigen All-female-garage-rock-Band aus Detroit. "What A Way To Die" ist die b-Seite ihrer Debütsingle "Never Thought You'd Leave Me".
"I Fought The Law" ist natürlich vor allem durch die fantastische Power-Version von The Clash bekannt, die 1979 auf der "The Cost Of Living EP" erschienen ist. Die texanische Rocknroll-Band Bobby Fuller Four coverte diesen ursprünglichen Crickets-Song jedoch bereits 1965 und brachte leichte Country-Untertöne in diesen stampfenden Rocksong, der in der Fuller-Four-Version #9 in den USA erreichte und so ihre einzige Top-Ten-Single wurde.
Ein Jahr später starb Bandleader Bobby Fuller unter ungeklärten Umständen im Auto vor seinem Haus.
Zwei Versionen existieren von Otis Redddings bis dato größtem Hit "I've Been Loving You Too Long" - auf der einen spielt Booker T Klavier, auf der anderen Isaac Hayes.
Noch besser als diese beiden Studioversionen ist aber die Liveaufnahme vom Monterey Festival 1967, die kürzlich auch in der einen großen romantischen Szene der dritten Staffel von Twin Peaks zum Einsatz kam.
"Crawdaddy Simone" ist die B-Seite zur dritten und letzten Single der britischen Beat-Band The Syndicats - und ihr schroffster Song, der gegen Ende in eine regelrechte Kakophonie abdriftet. Harter, von der britischen Studio-Legende Joe Meek ("Telstar") produzierter Garage-Rock, den ich durch eine Empfehlung von The Horrors kennengelernt habe.
"Unchained Melody" - im Original 1955 als Titelsong für einen kleinen, unbekannten Film ("Unchained") geschrieben - ist eines der meistgecoverten Lieder der Geschichte. Allein 1955 charteten drei verschiedene Unchained Melodies in den USA sowie sogar vier unterschiedliche Aufnahmen in UK. "Unchained Melody" erreichte zudem mit vier verschiedenen Interpreten den ersten Platz in den britischen Charts, ein Rekord bis heute. Die Version von Robson & Jerome war 1995 die meistverkaufte Single des Jahres - Jerome (Flynn) sollte übrigens drei Jahrzehnte später als Bronn in "Game Of Thrones" zu einer anderen Berühmtheit gelangen.
Die bekannteste "Unchained Melody"-Variante ist aber sicherlich die 1965er Aufnahme durch die Righteous Brothers, die (wahrscheinlich) von Phil Spector produziert und ein Jahr nach ihrer Zusammenarbeit mit Spector zu "You've Lost That Lovin' Feelin'" veröffentlicht wurde.
Der Titelsong zum 1961er Film "Guns Of Navarone" wurde als Single 1965 veröffentlicht und darf als einer der zentralen Tracks der Ska-Geschichte gelten. Schlüssig, dass der zunächst unter dem Solonamen von Roland Alphonso erschienene Song später den Skatalites, einer der wichtigsten Ska-Bands, zugeordnet wurde.
Lee "Scratch" Parry ist übrigens Background-Shouter auf "Guns Of Navarone".
Ein eher auf der Kitschseite der Chansongeschichte gelagerter Song, der in Frankreich 1965 über eine Million Einheiten verkaufte. Dieser Erfolg ist für die zweite Single von Christophe durchaus überraschend, wurden von seiner Vorgängersingle "Elle s'appelait Sophie" doch nur 27 Stück abgesetzt. "Aline" ist übrigens der Name der Assistentin des Zahnarztes von Christophe, so viel zur Romantik.
Ein Jahr nach ihrem fantastischen "Dancing In The Streets" veröffentlichteen Martha & The Vandellas mit "Nowhere To Run" einen weiteren Soul-Klassiker für Motown.
Nochmal Motown: "The Tracks Of My Tears" von Smokey Robinson und The Miracles ist einer von vier Millionen-Sellern der Band.
"You Didn't Have To Be So Nice" ist die zweite Single von The Lovin' Spoonful nach "Do You Believe In Magic" - und neben dem Gassenhauer "Summer In The City" ihr bester Song.
Der schottische Folksänger Bert Jansch schrieb diesen Song über den Tod seines Freundes Buck Polly. Thematisch passend auch, dass Jansch ein halbes Jahrhundert später auf einem Babsyhambles-Album zum Doherty-Song "The Lost Art Of Murder" Gitarre spielte.
Drei Jahre vor ihrem großen Psych-Pop-Meisterwerk "Odessey & Oracle" veröffentlichten die Zombies ihr Debüt "Begin Here", auf dem das vom Orgelspieler Rod Argent komponierte "She's Not There" enthalten ist.
P.F. Sloan ist nicht nur der Autor von "Eve Of Destruction", sondern hat im gleichen Jahr auch "The Sins Of A Family" geschrieben, was ebenfalls von Barry McGuire gecovert wurde. Kennengelernt habe ich wiederum "The Sins Of A Family" vor gut 20 Jahren als eine B-Seite der Strokes-Copycats The Star Spangles, falls die noch jemand kennt!
Barbara schrieb den Chanson "Göttingen" anlässlich eines Konzertes in dieser deutschen Stadt, das sie aufgrund ihrer eigenen Flucht vor den Nazis zunächst unwillig gegeben. Überrascht von der freudigen Aufnahme in Deutschland blieb sie länger und verfasste den Chanson, der die deutsch-französischen Beziehungen nach dem zweiten Weltkrieg betrachtete.
2018 coverte Michaela Meise Barbaras Lied in einer mindestens ebenso guten Version.
Bevor Donovan als verspulter Psychedelic-Hippie-Songwriter aus heutiger Sicht recht unbegreiflich großen Erfolg auf beiden Seiten des Atlantiks hatte, schrieb er mit "Universal Soldier" noch einen klassischen Protest-Song gegen das Kriegeführen wie der frühe Dylan.
Der Debütsong der Small Faces ist inspiriert von Solomon Burkes "Everybody Needs Somebody to Love".
Dank seiner treibenden Orgel ist dieser R&B-Song der amerikanischen Sängerin Barbara Lynn wie gemacht für Northern-Soul-Allnighters.