Wenn ich "Waiting For My Man" als prototypischen Velvet-Underground-Song bezeichne, widerspreche ich mir natürlich selbst, denn auf der Alben-Liste habe ich ja gerade erst ausgeführt, dass VU auf ihrem Debüt gleich eine handvoll Genres (!) erfinden und in ihrer avantgardistischen, stilistischen Vielfältigkeit gar nicht zu fassen sind.
Und doch ist der sound of the Velvet Underground, den Jonathan Richman in seinem gleichbetitelten Lied so fasziniert bestaunt eben vor allem der "Waiting for My Man"-Sound: "Both guitars got the fuzz tone on / The drummer's standing upright pounding along / A howl, a tone, a feedback whine / Biker boys meet the college kind / How in the world were they making that sound? / Velvet Underground".
Wenn 35 Jahre später die Strokes den Rocknroll wiederbeleben und ständig der Vergleich zu den Velvets gezogen wird, dann lag das einmal an Jules Casablancas lakonischer, loureediger Intonation, aber eben auch an der Kombination aus Kickdrums und schneidenden Gitarren, repetitiven Motiven und nach vorne gehender Aggressivität. Diese Gleichzeitigkeit aus coolem Verharren und Immer-in-Bewegung-sein, aus Auf-der-Stelle-treten und Nach-vorne-stürmen.
How in the world were they making that sound?
Obwohl "Death Of A Clown" auch auf dem Kinks-Album "Something Else" erschien, ist der Song als Solo-Single von Dave Davies veröffentlicht worden. Daves älterer Bruder Ray Davies - und mit ihm in berüchtigtem Gallagher-esquen ewigen Streit verbunden - schrieb üblicherweise die Hits der Band, aber "Death Of A Clown", das zu meinen liebsten drei Songs der Davies-Brüder gehört, ist Daves großer Moment.
"A Day In The Life" ist der songgewordene Satz "mehr als die Summe der einzelnen Teile".
Die Struktur des Songs ist äußerst ungewöhnlich: Lennon Psych-Folk -> McCartney 60ies-Pop -> Lennon Psych-Folk -> großes Orchester -> ein Ton auf ewig.
Dürfte nicht funktionieren, tut es aber doch - und wie. "A Day In The Life" ist nicht nur der herausragende Track auf dem "Sgt Pepper"-Album, sondern auch in der ganzen Beatles-Geschichte einer der bemerkenswertesten. Und das sagt ja dann doch etwas.
I read the news today, oh boy
Four thousand holes in Blackburn, Lancashire
And though the holes were rather small
They had to count them all
Now they know how many holes it takes to fill the Albert Hall
Neues Jahr, neues Dylan-Cover der Byrds in meinen Top10 (siehe auch: 1965, Mr Tambourine Man, #5)!
"My Back Pages" ist für mich sogar der Byrds-Song überhaupt oder trifft zumindest den Kern dieser Byrds-Ära am besten: Dylan-Songwritig, Harmonien aus dem Himmel und diese Gitarre! Jener Jingle-Jangle-Klang der Gitarren in "My Back Pages" ist für mich für den Rest der Musikgeschichte einfach nur "die Byrds-Gitarre", will ich einen Sound beschreiben, der die amerikanische West Coast, die Sonne und das Sehnen nach einer besseren Welt in einem Klang fasst.
Auch wenn mir die Beatles-Vergleiche bei den frühen Oasis-Platten nicht immer sofort einleuchteten, steht außer Frage: ohne "I Am The Walrus" kein Liam Gallagher. "Walrus" ist von Attitude bis Sound, von Körperhaltung vor dem Mikrofon bis Weirdowahnsinn das Blueprint für Liams Karriere.
Auf derm zerrissenen "Magical Mystery"-Album der Beatles ist "I Am The Walrus" ganz klar der beste der "ursprünglichen" Songs: in England wurde "Magical Mystery" als EP mit den Filmsongs veröffentlicht, im Rest der Welt dagegen als LP, die zusätzlich noch die - nicht ganz so schlechten! - Single-Veröffentlichungen "Strawberry Fields Forever", "Penny Lane" und "All You Need Is Love" enthielt.
Hier ist meine Regel "nur ein Song pro Album" dann doch fast an seine Grenzen gestoßen, denn auch "Strawberry Fields Forever" und "All You Need Is Love" wären klare Top-20-Kandidaten gewesen. "I Am The Walrus" hat letztlich den Zuschlag bekommen, weil es dank seines merkwürdigen Grooves und den noch merkwürdigeren Lyrics mit nichtsdestotrotz unvergesslichen Dada-Stellen (Goo goo g'joob!) auf angemessen seltsame Weise zeitlos geblieben ist.
In den USA erschien "Good Times" als b-Seite von "San Franciscan Nights", das selbst seinen Platz in dieser Liste verdient gehabt hätte. Wo "San Franciscan Nights" eine Ode von Eric Burdon und seinen neuen Animals an Haigh Ashbury und das Hippetum in San Francisco war, ist "Good Times" urbritisch und outsmallfaced die frühen Small Faces mit seinem Pub-Sing-A-Long, das kurioserweise inhaltlich eher genau das Verschwnden von Zeit in Pubs bedauert. Den Burdon soll mal einer kapieren!
In einem völlig anderen Zusammenhang hatte "Good Times" Ende der 80er eine schöne Wiedergeburt: in Dominik Grafs tollem Krimi "Die Katze" sieht man die jungen Heinz Hoenig und Ralf Richter zu diesem Song in einem Auto feixen. Toll!
Unter all den Hits, die die Kinks in den Mitt60ern hatten, ist keiner ihrer Songs größer als "Waterloo Sunset". Ray Davies' Songwriting ist hier auf dem Höhepunkt und formuliert einen Ansatz, wie er englischer - oder besser noch: London-iger - nicht sein könnte. Davies wehmütiger Blick über die Waterloo Bridge in den Momenten des Sonnenuntergangs werden auf ewig die Sehnsucht nach der englischen Hauptstadt wecken. Möchte schon nach diesen Zeilen sofort wieder meinen Koffer packen und nach London rübermachen.
Der erste Release von "Let's Spend The Night Together" war eine Doppel-A-Seite mit "Ruby Tuesday". Viel besser waren die Stones zuvor nicht und auch danach nicht. Besser können sich zwei Songs auf einer Single auch kaum ergänzen: während "Let's Spend The Night Together" den maximalen Rocknroll in Ton und Wort symbolisiert, ist "Ruby Tuesday" die große Baroque-Pop-Ballade, die trotzdem sich jeden Kitschs verwehrt. "Let's Spend The Night Together" hat hauchzart die Nase vorn und den Sprung in mein Ranking geschafft, weil es keinen Stones-Song gibt, den ich häufiger beim DJing auflege, und sich zudem das beste Lied der New York Dolls, "Personality Crisis" musikalisch nicht nur grob an dieser Vorlage orientiert.
Kurioser Fun Fact: für die USA war die Aufforderung, zusammen die Nacht zu verbringen, dann doch etwas zu unchristlich - andererseits die Stones aber auch zu groß, um sie ganz zu ignorieren. So sang Jagger als Kompromiss beim Auftritt in der legendären Ed Sullivan Show "Let's spend some time together", machte aber mit Grimassen deutlich, was er von dieser Übereinkunft hielt. Smarter Feigling!
Dass Alex Chilton - später of Big Star Fame - gerade einmal 16 Jahre alt war, als er "The Letter" einsang, kann ich immer noch nicht recht glauben. Die Gesangsstimme von Alex Chilton ist anscheinend wie Benjamin Button: als Teenie rauh und direkt, als Erwachsener in Big Star dann sanft wie eine wohlige Decke. "The Letter" war der Debütsong der Box Tops und wurde ein Welthit. Vier Wochen Nummer 1 in den USA und mehr als eine Million verkaufte Einheiten.
Kurios übrigens: Songwriter von "The Letter" war Wayne Carson, der später auch noch das völlig anders klingende "Always On My Mind" geschrieben hat, was wir alle ja von Elvis Presley, den Pet Shop Boys und Willie Nelson kennen!
Leonard Cohen veröffentlichte im Jahr zuvor die "Suzanne"-Lyrics ursprünglich als Gedicht und seine Bekannte Judy Collins ist für die erste Aufnahme verantwortlich, denn Cohen sah sich damals selbst noch gar nicht als Sänger, sondern "nur" als Texter.
"Suzanne" dürfte in der Zwischenzeit neben "Hallelujah" das meistgecoverte Lied Leonard Cohens sein. Cohen gab 'aus Versehen' die Rechte am Song ab, was er einmal nonchalant damit kommentierte, dass es auch nicht richtig sein könne, mit einem Lied, das von so vielen geliebt wird, auch noch reich zu werden. Die buddhistische Gelassenheit seiner späten Jahre ist wirklich erstaunlich.