This Is Manchester, Not Bayreuth. Part 1.

14.09.2007 | 4 Kommentare | Christian_alternakid

It was like being on a fantastic fairground ride, centrifugal forces throwing us wider and wider. But it's all right, because there's this brilliant machine at the center that's going to bring us back down to earth. That was Manchester.
Während Manchester sich aufreiht, mit den Courteeners aus dem Nichts eine neue große Band zu generieren, die das beste sein soll since crack came sliced oder zumindest seit den Libertines oder gar den Smiths (was sie natürlich nicht ist...), zeigt sich überdeutlich die Sehnsucht der 400.000-Einwohner-Stadt wieder etwas erderschütterndes hervorzubringen.
Grund genug einen Rückblick auf die musikalische Historie einer Stadt zu werfen, die kleiner als Hannover, Bremen, Frankfurt oder Nürnberg ist, aber von seiner musikalischen Bedeutung gleich hinter London und New York kommt.

Die Jugend darf auch mitspielen und schreien: DAS ist Manchester – und niemand sonst! Also: voten für Manchester – welche Manchester Band ist die größte aller Zeiten? Alles in Teil 2.

Joy Division

Du hast vor dich aufzuhängen, willst aber trotzdem vorher noch der Welt einen Stempel aufdrücken wie kaum eine Band zuvor? Dann gründe doch mal Joy Division! Die New-Order-Vorgänger-Band ist auch heute noch, 27 Jahren nach ihrer letzten Veröffentlichung, präsent wie kaum eine andere Post-Punk-Band. Im nächsten Jahr wird Anton Corbijn seine Biographie des Joy Division Sängers Ian Curtis in die Kinos bringen und wenn Joy Division nicht sowieso schon seit 27 Jahren ein musikalisches Leitbild darstellen würden, wären sie spätestens dann Ikonen des Trübsinns. Was Joy Division jedoch von den tausend Epigonen unterscheidet ist die minimalistische Perfektion ihres Debüts, das Genie des Wahnsinnigen am Produzententischlein (Martin Hannett), das Artwork (Das Unknown Pleasures - Cover! Der Atmosphere – Videoclip!), die später bei New Order endgültig vollzogene Hochzeit von Punk und Disco (She’s Lost Control!) und natürlich über allem Ian Curtis’ Texte.

Der Song, den jeder kennt: Love Will Tear Us Apart. Und zwar zurecht. Eine textlich brillante Analyse einer erstorbenen Liebe, die von einer derart unwiderstehlichen Keyboard-Linie getragen wird, dass die posthume Veröffentlichung der Single Joy Division geradewegs in den Pantheon der unsterblichen Bands führte. UND diese Bassline von Hooky! Kurz: das vielleicht perfekteste Lied, das jemals geschrieben wurde. Wenn Gott sich einen Song für seine Beerdigung wünschen könnte, er würde Love Will Tear Us Apart wählen.

Der Song, den jeder kennen sollte: 24 Hours. Obwohl Joy Division ja im Grunde nur eine Handvoll Songs - zwei Alben plus einige Singles – veröffentlichten, überstrahlen die „großen Vier“ (Love Will Tear Us Apart, Atmosphere, Transmission, She’s Lost Control) das gesamte restliche Oeuvre. Aber gerade hier sind Perlen zu finden. Neben dem herausragenden „Digital“, das nicht einmal den Sprung auf eines der beiden Alben schaffte, ist inbesondere „24 Hours“ hervorzuheben, in dem Ian Curtis seine Depression wie in keinem anderen Song in Worte fasst:
So this is permanence, love's shattered pride.
What once was innocence, turned on its side.
A cloud hangs over me, marks every move,
Deep in the memory, of what once was love.




Joy Division - Atmosphere. Regie: Anton Corbijn

New Order

Der nächste Schritt. Wie wahrscheinlich ist es, dass man wie Sumner und Hooky nicht nur in einer die Welt verändernden Band ist, sondern nach dem Suizid des unersetzlichen Sängers gleich die nächste Band gründet, auf die Menschen weltweit 20 Jahre später noch bewundernd schauen? The Wings, it ain’t.
New Order gingen den späten Joy Division Ansatz konsequent weiter und erfanden eine den 80er Jahren perfekt entsprechende tanzbare Kühle, die gleichermaßen den Punkspirit atmete wie sie Disco adaptierte. Blue Monday ist und bleibt der signature-tune der 80ies und das zu Recht. Wie Joy Division veröffentlichen New Order auf Manchesters Indie-Label Factory Records, das von Tony Wilson – Gott hab' ihn selig – gegründet wurde. In der Wilson eigenen Pervertierung jeden Kommerzstrebens erzählt die Legende, dass ausgerechnet bei "Blue Monday“, dem größten Hit den New Order und das Label je haben würden, die Produktion des Plattencovers so teuer war, dass das Label pro verkaufte Platte sogar noch Geld drauf legen musste, demnach effektiv mit steigenden Verkaufszahlen Verlust machte. Tony Wilson hat es bestimmt auf eine perverse Art gefallen, dass unter diesen Voraussetzungen Blue Monday die meistverkaufte 12’’ aller Zeiten wurde…

Der Song, den jeder kennt: Neben dem gerade schon gefeierten Blue Monday ist vor allem Temptation hervorzuheben. Ob im Trainspotting-Soundtrack, auf Hot Chips Melt-Auftritt oder Bobby Gillespies persönlichem Sountrack, Temptation ist nicht wegzudenken aus der Welt des Guten, Schönen, Coolen. Wenn Bernie Sumner in dem 7-Minuten-Monster

Oh, you've got green eyes
Oh, you've got blue eyes
Oh, you've got grey eyes
And I've never seen anyone quite like you before
No, I've never met anyone quite like you before


anstimmt, ist diese Welt ein besserer Platz. Für die Nerds sei noch vermerkt, dass auch eine 7-Inch-Version des Songs existiert, der bis heute nicht auf CD veröffentlicht wurde und das Dancefloor-Monster auf Pop-Gold-Ebene zurückholt.

Der Song, den jeder kennen sollte: Sub-Culture (in der Low-Life-Version). Low-Life dürfte wahrscheinlich das rundeste, beste New Order Album als Ganzes sein. Sub-Culture sticht aber selbst auf diesem Album noch einmal heraus.


New Order - True Faith

Buzzcocks

Die Buzzcocks gelten als die Singles-Band der größten Single-Ära der modernen Popmusik, des Punkzeitalters. Kein Album der Buzzcocks ist tatsächlich im kollektiven Gedächtnis hängen geblieben, doch Singles wie „Ever Fallen In Love (With Someone You Shouldn’t)“ kennt jedes wohlerzogene Kind. Zurecht. Denn vom Indie-Pop der 80er über Blur und Ash bis hin zu den Libertines und deren Epigonen ist der Buzzcocks Punk-Blueprint – Schnellig- und Rotzigkeit mit MELODIEN zu vermählen – in fast jeder Indie-Band des letzten Jahrzehnts wiederzufinden.
Auch aus einem ganz anderen Grund sind die Buzzcocks für Manchester wichtig: Pete Shelley und Howard Devoto, die beiden Masterminds der frühen Buzzcocks-Stunden, holten die Sex Pistols für ihren ersten, mythenumrankten Auftritt nach Manchester. Im Publikum waren keine 40 Mann, aber jeder von ihnen gründete eine Band in der Folge. „The smaller the attendance the bigger the history. There were 12 people at the last supper. Half a dozen at Kitty Hawk. Archimedes was on his own in the bath.” (Tony Wilson). Die Legende erzählt, dass sich die Joy Division Mitglieder auf diesem Konzert kennenlernten, die Buzzcocks gegründet und das erste DIY-Label Englands aufgezogen (das die Buzzcocks-Debüt-EP Spiral Scratch veröffentlichte) wurde, Tony Wilson die Factory gründete und später die Hacienda eröffnete. Selbst Mick Hucknall von Simpy Red erzählt heute noch von seinem damaligen Konzertbesuch – gut, alles schöne hat auch seine hässlichen Seiten.

Der ursprüngliche Sänger Howard Devoto stieg bereits nach der Debüt-EP bei den Buzzcocks aus und gründete die ebenfalls bemerkenswerte Band Magazine. Ein Gitarrenriff, das Shelley, der nun die Vocals bei den Buzzcocks übernahm, und Devoto noch zusammen zu Buzzcocks-Zeiten geschrieben hatten, verwendeten in der Folge beide Bands. Im Gegensatz zum eher durchschnittlichen Buzzcocks-Song entwickelte Devoto für Magazine daraus den Wahnsinnshit „Shot By Both Sides“.

Der Song, den jeder kennt: Ever Fall In Love. Pures Popgold. Ein unverwüstlicher Klassiker des Pop-Punks, nur noch von Teenage Kicks der Undertones übertroffen.

Der Song, den jeder kennen sollte: die Spiral Scratch EP. Nicht nur weil sie als erste Veröffentlichung des ersten DIY-Labels Englands – und damit Urknall der Punkexplosion, der Singles-Ära und des Endes der Rockdinosaurier – musikhistorisch eminent wichtig war sondern weil diese 4 Songs einfach brillant sind. Frag Blur.


Buzzcocks - Breakdown, Manchester 1976

“It's a pity you didn't sign The Smiths, but you were right about Mick Hucknall. His music's rubbish, and he's a ginger.“ – Gott zu Tony Wilson über Manchester. Mehr in den nächsten Tagen.
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Kommentare

Sieperteisen am 14.09.2007 um 14:55 Uhr:

Christian: als ich dich vor einigen Stunden zum letzten Mal gesehen habe, konnstet du weder stehen noch reden, jetzt schreibst du popkulturelle abhandlungen. ich will das, was du genommen hast.

Marquant am 14.09.2007 um 15:43 Uhr:

Herr Siepert, das ist ein "alter Trick" vom lieben Christian. Artikel vorbereiten und breitstellen, und das Fußvolk im Glauben lassen es handle sich um einen "Livejob".
Somit wirft es nicht nur einen Heiligenschein auf des schreibers Haupt, sondern lässt ihn gleichzeitig auch noch als fleißiges Arbeitsbienchen mit einer außerordentlichen Körper und Geistesbeherrschung dastehen.

Sieperteisen am 14.09.2007 um 16:10 Uhr:

ich hatte es befürchtet. in wirklichkeit sabbert er gerade schnarchend auf einen stapel telefonbücher im lager.

Christian_alternakid am 14.09.2007 um 18:26 Uhr:

hah. verschwörungstheoretiker allenthalben! multitasking geht bei mir im entnüchternden zustand immer galore.


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