Tele wischen
Wie ich einmal bei einer Fernsehtalkshow einen akuten Anfall von Weltschmerz erlitt...
"Menschen bei Maischberger" ist für mich eigentlich die einzige Talkshow im deutschen Fernsehen, die ich ohne schwere körperliche Schmerzen vollständig gucken kann (bei Kerner und Beckmann halte ich es meistens 23 Sekunden aus).
Gestern Abend hatte man folgendes Lineup geladen: Jürgen Fliege, Oliver Pocher, Karl Moik, Maren Kroymann und Hans-Jochen Vogel. Das Thema tat wenig zur Sache, der Name der Sendung eigentlich auch nichts, denn was sich da entsponn war eher eine launige Diskussion, wie sie bürgerbewegte Mittelschichtsmenschen gern Samstagnachts bei ein paar Fässern Rotwein führen. So weit, so menschlich.
Was die Gäste sich da zusammenredeten, strömte die meiste Zeit an mir vorbei. Es war schlicht inhaltslos. Beeindruckend war, wie Pocher von einem immensen Sympathie-Gefälle profitierte und am Ende fast noch als strahlender Sieger vom Platz ging. Ältere Mitbürger fühlten sich an den Auftritt von Fürstin Gloria von Turn und Taxis bei "Friedman" erinnert.
Fliege spielte seine abgestandene Rolle als Luther der Post-dotcom-Welt, wobei man da vorsichtig mit den Formulierungen arbeiten sollte, da Luther immerhin auch heute noch den Eindruck erweckt, er habe gewusst, was er da tat. Man fragt sich ja dann immer recht schnell, was mit dem Kerl eigentlich passiert ist. Bei einnem Katholiken wäre "Zuviel Weihrauch" eine gute Erklärung, aber bei einem Protestanten...
Frau Kroymann gab die Möchtegern-Altachtensechzigerin sehr realistisch und irritierte nur mit ein paar betroffenen Fragen an Herrn Pocher, der wie gesagt überraschend unscheiße rüberkam. Karl Moik, Karl Moik, ja, der hat bestimmt auch irgendwas gesagt. Zum Beispiel, dass er seine Sendung ja als Opium fürs Volk versteht. Nicht wörtlich, aber dem Sinn nach. Womit er verwirrend genau ins Schwarze traf. Und mittendrin saß Vogel, wusste nicht, wie ihm geschah und störte die selbstverliebte Runde zwischendurch mit Sachargumenten. Was aber nicht weiter verfing.
So. Und jetzt kommt wieder die Frage "Warum guckst Du dir so einen Scheiß an?" Weil so eine Fernsehrunde auch immer ein Spiegel unserer Welt ist (ich hüte mich, irgendwas von "unsere Gesellschaft" oder gar "unser Land" zu schreiben - dass das alles eine Welt ist, ist ja schon schlimm genug). Nicht, um den Sittenverfall (das war glaub ich sogar Thema) abzulesen, sondern einfach nur, um ablesen zu können, wie dumm, selbstreferenziell und einfältig die alle, wir alle sind. Und es war herrlich, dieses Gefühl "Zum Glück bin ich nicht so". Nicht ganz. Denn statt Fernsehrunden bleiben mir nur Plattformen wie diese hier, um meine verqueren Ansichten auszujerken. Aufwischen!
Mindcrawl am 23.03.2005 um 11:29 Uhr:
Wanker! :DWo sonst, wenn nicht hier. Ich kann den Unmut schon verstehen in Anbetracht der anderen Formate, die versuchen so viel mehr an Komplexität einzufangen. Da gab es doch früher auch diese Zweier-Talks mit Blacky Fuchsberger (der hatte auch seine Tiefen), aber es gab Sendungen, die kann man sich heute noch anschauen. HJK bei Fuchsberger... genial! (Die Sendung muss ich mir mal beim BR bestellen)
Es bleibt schwer nicht zu resignieren... Aber man hat das Vertrauen schon bei den Politikern verloren, den Medien, der Wirtschaft... jo mei.
Bitte immer wieder drauf einschlagen. Und jetzt noch 'ne Runde CounterStrike...