Scheiß auf deutsche Texte
Torpedo Deutschquote Ahoi!
Wer hat sich nicht alles schon zur Deutschquote im Radio geäußert? Und eigentlich hatte ich die Debatte als lächerlich abgestempelt und sie gebeten, mir am Arsch vorbei zu gehen. Bis ich gestern Abend versehentlich eine Diskussionsrunde im SWR-Fernsehen einschaltete, bei der sich die selbsternannten Gralsritter der deutschen Kultur und einige ihrer Gegner gegenüber saßen. Und mit einem Mal wurde mir bewusst: Diese Personen, die da nach der Deutschquote schreien, meinen das nicht nur ernst, sie haben auch einen gehörigen Abstand zwischen sich und die Realität gebracht.
Es forderten: Antje Vollmer, teilvergreiste Vertreterin der Abteilung „Weltfremde Phantasien“ bei den Grünen, Jim Rakete, in Vergangenheit geratener Popfotograf, und Hartmut Engler, in Vergangenheit zu geratener Sänger der schwäbischen Schlagerband Pur. Ihnen gegenüber hatte man die Chefs von SWR 3 (also known as bester Radiosender südlich von Bad Honnef) und Radio Regenbogen (also known as Prototyp der bösen, bösen Kommerzradiosender) platziert und Wiglaf Droste. Okay, das war unfair, denn gegen die Rhetorik eines Wiglaf Droste kann kaum jemand ankommen, schon niemand, der Hartmut Engler oder Antje Vollmer heißt.
Ich weiß nicht, wie lange die Debatte schon im Gange war, aber als ich ihrer ansichtig wurde, schimpfte Frau Vollmer gerade auf das anglo-amerikanische Gedudel, das die Radiolandschaft beherrsche. Das kannte man ja schon. Aber als der Moderator fragte, wer uns denn davor beschütze, dass Dieter Bohlen seinen Müll (er sagte nicht „Müll“, dachte es aber sehr laut) in Zukunft deutschsprachig produziere, antwortete sie irgendetwas, was aber in keinem Fall als Replik auf die gestellte Frage zu werten war.
Dann kam die Zeit von Wiglaf Droste, der folgenden, in Marmor zu meißelnden Satz aussprach: „Ich würde lieber putzen gehen, als nur eine Mark zu verdienen, die ich Antje Vollmer verdanke – da hab ich meinen Stolz.“ Kniefall meinerseits, schnell ins Buch mit den Zitaten für alle Lebenslagen gekritzelt, Diskussion beendet. Dachte ich. Frau Vollmer und Herr Engler wollten aber noch mal eben vorführen, dass ihnen Humor ebenso fremd ist wie die Kenntnis über das, was im Moment alles an deutschsprachigen Songs, äh: Liedern im Radio zu hören ist. Frau Vollmer verstand Droste dann auch so atemberaubend falsch, dass man schon von Vorsatz oder extremer Dummheit ausgehen musste (beides Eigenschaften, die ich mir von jedem Politiker zwingend wünsche), und Herr Engler versuchte irgendwie zurückzuschlagen. Was sehr, sehr dumm war. Nachklapp Droste: „Ich könnte Ihnen das Schlimmste antun, Herr Engler, ich könnte Sie zitieren!“
Schließlich war die Sendung vorbei. Die Debatte hatte sich keinen Millimeter bewegt, aber mir war einiges klar geworden: Die Forderung nach einer Radioquote für deutschsprachige Musik ist in diesem Fall kein bisschen nationalistisch begründet, ihre Wurzeln liegen vielmehr in der atemberaubenden Ignoranz ihrer Forderer. Frau Vollmer wurde nicht müde zu betonen, es gehe ihr ja gar nicht hauptsächlich um das Deutsche, sondern um Qualität. Und hier sollten alle Alarmglocken schrillen, denn es gibt nun mal kein objektives Kriterium für die Qualität von Musik. Schon dreimal nicht, wenn Hartmut Engler darüber redet.
Everybody’s free to switch of his radio. Natürlich kriege auch ich nicht selten das kalte Kotzen, wenn ich höre, was so im Radio läuft. Aber mein Radio (deutsche Telefunken-Wertarbeit, by the way) ist durchaus in der Lage, mehrere Sender anzuwählen. Und irgendwo bei BFBS oder BBC World bleib ich immer hängen. Und wenn es ganz schlimm wird, kann ich immer noch auf eine mannigfaltige CD-Sammlung zurückgreifen. Wenn es 14jährige Tussen mit Buffalos und Arschgeweih gibt, die den Dreck im Radio hören wollen, dann sollen sie das doch in Dreiteufelsnamen tun. Ich höre auch hundertmal lieber Anastacia als Yvonne Catterfeld. Bei letzterer hör ich nämlich aufs erste Ohr, was das für Scheißtexte sind. Und das Zitat von Wiglaf Droste lass ich mir jetzt auf den Arsch tätowieren.
Christian_alternakid am 03.12.2004 um 12:09 Uhr:
großartig. das hätte ich gerne gesehen. was war denn nun vollmers replik auf drostes satzund der englerzitiersatz von droste, der ist ja wahnsinn. das ist ja unfassbar gut.
Dr. Lukas am 04.12.2004 um 14:32 Uhr:
Droste führte weiter aus, dass Künstler wie Funny van Dannen eben auch zwanzig Jahre Taxi fahren könnten, bevor sie den großen Durchbruch hätten.Das verstand Frau Vollmer dann so, dass nur leidende (also arbeitende) Künstler echte Kunst schaffen könnten und das könne es ja schließlich nicht sein. Drostes Reaktion darauf war ein dermaßen überlegenes Lächeln, dass die Luft zu gefrieren drohte.
waldarrr am 04.12.2004 um 17:35 Uhr:
sie schreiben sehr gut, herr dr. lukas. das ist ein guter text, sag ich mal. quote muss aber nicht, finde ich abwegig sowieso. zusätzlicvhe regulierung im radio würde sinn machen, wenn man mindestens 5-köpfige musikredaktionen einsetzen würde, die sich auch wirklich mit musik auseinandersetzen.abgesehen davon würde ich gerne mal den beitrach sehen, in echt.
Elwood am 04.12.2004 um 18:04 Uhr:
Also ich bin generell der Meinung nicht immer eine Meinung haben zu müssen. Vor allem nicht in Sachen die mich sowieso nicht tangieren, wie z.b. hier diese Deutschquote. Alles was mich an dem ganzen interessiert ist die Möglichkeit all diese Leute absurd und manchmal recht steif sich an den Haaren zerren zu sehen. Quasi eher wie im Zoo. Was gehn mich die scheiß Vögel an, lustig auschaun tun sie aber. Prinzipiell ist es mir egal was im Radio gespielt wird, da ich sowieso dauernd nur auf meine Plattensammlung ausweiche. Die Alternative Radio stellt sich für mich sogut wie nie. Und es wäre ja absurd denken zu können, dass ein Teil der angesprochenen Forderung nach Qualität auch etwas gutes in unsere Richtung (ich sage das jetzt einfach mal so) bedeudete.Ich greife mal das schön gewählte Bild des Buffalo-Arschgeweihträgers auf. Gemeint ist wohl der musikalisch Ungebildete, dem alles am Arsch vorbei geht, Hauptsache 4/4 Takt und es gibt nen Klingelton dazu. Die Rotation also. In diese Rotation kann meiner Meinung nach alles eingespeist werden. Mit der Zeit setzt sich dort alles durch. Wenn Kavka auf Mtv, Charlotte und Sarah bei VIVA und die Mc Chartshow bei Pro7 das propagieren ist das auch Trend. Demnach sollte sich eine völlig neue Bewegung in diese Debatte einmischen: die Forderung nach einer Deathmetalquote im Radio! Auf die Klingeltöne bin ich sehr gespannt!
Falls irgendjemand staatspolitisch an die Sache herangeht und sagt: "Hey aber die Verfassung! Jungs, das ist Zensur. Und morgen nen Führer oder was?" dann ist das in Ordnung, aber auch nicht wirklich interessant für mich. Sollen sies doch durchsetzen. Dann kann man sich ja im Nachhinein noch drüber aufregen, wenn dann Reinhardt Mey und Pur hinterm Ofen hervorgeholt werden is mir das auch recht. Radio war ja vorher auch schon scheiße.
(als Anhang möchte ich noch ein bisschen Fakt hinzugeben: soweit ich das mitgekriegt habe heisst die Forderung ja nicht 30% (oder wieviel auch immer) deutschsprachig sondern eher 30% in Deutschland produziert. Das ist ein Unterschied. Ob der jedoch für mehr Qualität steht bleibt offen.)
RoterBlitz am 05.12.2004 um 11:59 Uhr:
dass radio schon vor der ganzen debatte scheiße war, würde ich so mal nicht unterschreiben. ganz ohne airplay und ohne nerds wie gotthabihnselig john peel wäre deine plattensammlung möglicherweise nicht so umfang- wie facettenreich. der rüchgriff auf ebenjenigewelche ist durch cd, md oder mp3 sicherlich auch einfacher und gleichermaßen orts- als auch situationsunabhängiger geworden, in gruppensituationen wie beispielsweise auf maloche in büro oder werkhalle ist halt nun mal meist radio angesagt (außer du willst dich mit permanent kopfhörerknopf im ohr total zum kommunikationsunfähigen eremiten stempeln), und auch beim einkauf oder beim essenfassen rieselt radiogedudel auf uns ein - was natürlich grundsätzlich fragwürdig ist. welche deutschquote hat eigentlich mainwelle?super-soccer am 06.12.2004 um 12:58 Uhr:
@ DocLucas: ich bewundere deine Ausdauer den Müll voll angeschaut zu haben. Ich hab den Anfang gesehen, denn Fernseher audgeschalten und erst mal gekotzt.Mindcrawl am 02.01.2005 um 17:13 Uhr:
es geht kein schwein was an, was ich auf meinem sender spiele... und was den wiglaf angeht: immer feste druff... gut ausgedrückt ist schon halb verdaut...