An jedem zweiten Feiertag freue ich mich, dass auf 3sat ein "Pop Around The Clock" kommt, also 24 Stunden lang nur Live-Konzerte. Und bin dann enttäuscht, wenn ich den Videotext durchklicke und feststelle, dass doch - in mehrfacher Hinsicht - derselbe, alte Scheiß wie immer läuft. So auch dieses Mal
wieder an Silvester, wenn junge Nachwuchskünstler wie Billy Joel und ZZ Top mit Bryan Adams abklatschen und Elton John die Klinke in die Hand geben.
Deshalb hier mein erster Vorschlag für ein alternatives 24-Stunden-Programm.
Grundsätze waren: Soll gut sein (logisch), soll nicht pausenlos im TV laufen, soll zumindest anhörbar/sehbar sein (keine irren Fanmitschnitte mit Wackelkamera und unterirdischem Sound).
Als
komplette Playliste gibt es das hier oder ihr schaut Euch die Sachen, die Euch am meisten reizen gleich ein paar Ma hintereinander an, indem ihr auf den einzelnen Link klickt.
6.00 - 6.55
Radiohead - The King of Limbs Live From The Basement
Eine der "Live From The Basement"-Shows (es gibt auch eine rund um
In Rainbows). In der Intimität des Kellerstudios und des Aufbaus ist besonders gut das Zusammenspiel und die Harmonie von Radiohead zu beobachten, gerade wenn die eigentlich elektronischen Tracks live von einer Band aufgebaut werden.
6.55 - 7.35
Nirvana - Live in den MTV Studios in New York, 1992
Konzert, das man zumindest in Auszügen aus diversen Dokumentationen kennt, wie fast alles von Nirvana, wo jeder Schnipsel in den letzten 20 Jahren ausgeschlachtet wurde. Ungefähr ein Jahr vor Veröffentlichung von In Utero konzentriert sich die Playlist auf Nevermind-Material, bietet aber auch jede Menge krachige Ausreißer. Kurt Cobain sportet eines seiner (vielen) ikonografischen Outfits in Form der grünen Strickjacke und rot gefärbter Haare.
7.35 - 8.55
Oasis - Live By The Sea, 1995
Dieses Konzertvideo, im April 1995 im Cliffs Pavillon in Southend aufgenommen, zeigt Oasis auf ihrem absoluten Live-Höhepunkt. Mit einer Setlist, die beinahe nur aus Definitely Maybe-Songs und B-Seiten besteht (mit Some Might Say taucht auch eine Vorab-Single aus dem später erscheinenden Morning Glory auf), brennt Oasis ein absolutes Feuerwerk ab, das im Beatles-Cover "I'm The Walrus" einen krönenden Abschluss findet. Nie mehr war Liams Stimme besser.
8.55 - 10.17
dEUS - Live in Werchter 2012
dEUS hatte ich nach ihrem Auftauchen in den 90ern mit "Suds & Soda" und "Little Arithmetics" zwar nie aus den Augen verloren, aber erst mit "Keep You Close" im Jahr 2011 konnte mich ein komplettes Album von ihnen richtig wegblasen. Aus dieser Phase stammt dieser Live-Auftritt, der aber auch alte Hits und das grandiose "Bad Timing" zu bieten hat.
10.17 - 11.05
Kraftwerk - Soest 1970
Eine Rarität in der an Skurrilität nicht armen Geschichte von Kraftwerk. Noch in durchaus analoger Besetzung sind sie hier zum ersten Mal im deutschen Fernsehen zu sehen und hinterlassen sicher nicht nur am Konzertort viele Fragezeichen, die vorher über den Köpfen der Zuhörer aufgeploppt sind.
11.05 - 12.20
The Fall - Electric Brixton 2014
"Mein" The Fall-Konzert lag zwar zehn Jahre vor diesem Auftritt und doch finde ich genau die Elemente wieder, die mich auch damals in Nürnberg so mitgerissen haben. Die Band spielt bereits, als der Meister Mark E. Smith umjubelt die Bühne betritt und sofort das Mikro ergreift und seine Parolen hinein bellt. Gerne gestaltet er mal die Bühne um (37:30) oder kümmert sich um die richtige Einstellung von Mikrofonen oder Verstärker. Krattvoll. Hypnotisierend.
12.20 - 13.30
Sonic Youth - Loreley Festival 1998
Die Tour zu "A Thousand Leaves", dem Album, mit dem mich die Band restlos überzeugte, auch wenn Washing Machine und Dirty bereits für Aufhorchen gesorgt hatten. Eine brillante, laute Performance mit Songs für alle drei SängerInnen und die Zwischenschnitte auf die Ausflugsschiffe auf den Rhein machen den Auftritt nur noch bizarrer.
13.30 - 15.32
The Cure - Lollapalooza Festival 2013
Mein Gott, was macht die alte Dame da auf der Bühne?
Gesang setzt ein. Ach so, das ist Robert Smith. Weinerlich, genial wie immer. Und eine Playlist, die einfach nur "Hits, Hits, Hits" ruft. Was bei einer Band wie The Cure auch kein Problem ist. Bei keiner anderen Gruppe ist es so schwer, seine Liste der Lieblingssongs zu erstellen, noch dazu, wenn man sich auf 10 oder 15 beschränkt. Probiert es aus, habe ich die Tage auch gemacht!
15.32 - 17.00
Underworld - Everything Everything
Die Band, die man gesehen haben MUSS, um zu sehen, dass elektronische Musik (na gut, wenn das für EUCH Techno ist, dann nennt es Techno) nichts nur für Pillenköpfe in U-Bahn-Schächten ist. Auch (fast) ohne Gitarren rocken Underworld, ich meine: R-O-C-K-E-N. Dazu muss man nicht mal das abgenudelte Born Slippy als Beispiel heranziehen. Welches aber halt auch live immer noch hundertprozentig funktioniert. Ich schwör!
17.00 - 18.02
The Smiths - Hamburg 1984
Klassischer Auftritt der Band, die Indie und Britpop und was weiß ich definiert hat. Der Mozzer mit klassischem Blumenstrauß und natürlich auch einer Setlist zum Niederknien. Diese erklärt auch recht gut, warum bei den Solo-Konzerten des Morrissey der Jubel immer dann besonders laut wird, wenn einer der alten Gassenhauer erklingt: All killer, no filler.
18.02 - 19.00
Tocotronic - Berlin Festival 2012
Und die deutschen Smiths mit dem deutschen Moz hinter her. Kleiner Ulk. Aber die Emotion und das Hemd werden eben auch hier ganz groß geschrieben.
19.00 - 19.45
The Notwist - Pitchfork Music Festival Paris 2014
Brandneuer Live-Mitschnitt der Twisties, der ihr neustes Album "Close To The Glass" im Fokus hat. Und live findet man den Zugang am besten zu den doch etwas sperrigen Stücken des neusten Werks. Das Zusammenspiel und Sich-Verlieren und Wiederfinden der Weilheimer, gerade in den Instrumentalpassagen, ist live immer wieder schön anzuschauen (z.B. ab 13:30).
19.45 - 20.25
Soundgarden - Düsseldorf 1990
Auf vielen Ebenen ein schönes Debüt für viele Anwesende. Soundgarden kennt 1990 quasi noch keine Sau und der bartlose Cornell hat doch einige Probleme mit den Höhen, was dem Eindruck aber überhaupt keinen Abbruch tut: Wie sich seine Stimme z.B. bei "Hands All Over" bricht, wenn er versucht, die höchsten Höhen zu erreichen, erzeugt einen regelrechten Gänstekopf bei mir, dir und Narumol auch.
20.25 - 21.45
Einstürzende Neubauten - Palast der Republik 2006
Kurz vor dem Abriss des Palast des Republiks und Neuaufbau als Schloss der Mitte, spielen die Neubauten in der Betonruine und symbolisieren quasi den musikalischen Einsturz des SED-Prachtbaus. Wie jedes Neubauten-Konzert ein Hochgenuss, gerade wenn man sieht wie die diversen Sounds live erzeugt werden. Selten traf "handgemacht" so passend den Punkt wie hier.
21.45 - 22.50
Owen Pallett - Paris 2011
Und ein weiterer Teil der Reihe "Man muss es live sehen, um es zu glauben". Verstehen wäre zu viel verlangt - auf einer technischen Ebene ja, aber nicht, wie Owen Pallett die einzelnen Spuren seiner Tracks im Kopf zusammen arrangiert und diese entsprechend aus den Lautsprechern kommen. Virtuos.
22.50 - 00.02
Björk - Royal Opera House, London 2001
Als erste zeitgenössische Künstlerin durfte Björk mit ihrer Vespertine World Tour 2001 im königlichen Opernhaus in London gastieren. Dieser Auftritt lief nicht nur im britischen Fernsehen sondern erschien im Jahr darauf auch als DVD.
00.02 - 01.02
Massive Attack - Melt! Festival 2010
Massive Attack habe ich zweimal live gesehen und jedes Mal waren die Auftritte eindrucksvoll - 1999 im strömenden Regen von München konnte niemand vom Tanzen abgehalten werden, zu sehr durch Mark und Bein gingen die wahrlich pumpenden Bässe der Bristoleros. Beim Hurricane 2003 toppten sie eines der besten Lineups EVER und überzeugten vor allem durch eine grandiose Videoshow. Auch 7 Jahre später beim Melt! können ewige Trümpfe wie "Safe From Harm" immer noch stechen.
01.02 - 01.38
Pearl Jam - Unplugged 1992
Pearl Jam Live ist ja inzwischen zu einem Hippie-Karnevalszug geworden, wie ihr nur Grateful Dead hinter sich hergezogen haben, wobei die Fans einen Fanatismus an den Tag legen, dass sich selbst Depeche Mode Fans nur noch ganz leicht mit den Unterarmen wedeln trauen. Umso intensiver und voller Pathos wirkt ihr legendärer Unplugged-Auftritt mit dem damals noch unveröffentlichten "State Of Love And Trusts", Eddies "Pro Choice"-Selbsttätowierung und den Balancekünsten auf seinem Hocker. Auf den Punkt!
01.38 - 03.04
Talk Talk - Montreux 1986
Die Geschichten um Mark Hollis Ekel vor Live-Konzerten und dem Reproduzieren seiner Radio-Hits sind Legion. Doch alle In-sich-Gekehrtheit des Frontmanns schmälert nicht die Größe des Auftritts in Montreux. Mit Hits wie "Such A Shame" und Perlen wie "Renée" und "Tomorrow Started".
03.04 - 04.00
The Stone Roses - Blackpool 1989
Die Roses leben mehr von ihrem Mythos und ihrem brillanten Debüt als von sehr guten Live-Auftritten. Gerade bei aktuellen Mitschnitten sorgt Ian Browns Gesang doch für nicht wenig "WTF?" und "O'RLY?"-Momente. Auch bei dieser historischen Aufnahme ist er der Stimmfesteste nicht, aber auch hier halt wieder eine Setlist zum Niederknien.
04.00 - 05.10
Motorpsycho - Oya Festival 2006
Gehst Du zu Motorpsycho, vergiss den Hocker nicht. Denn wo Songs auch mal 20 Minuten dauern und ein Konzert auch mal die Dreistundengrenze überschreitet, braucht es viel Stehvermögen. Umso schöner, wenn sie auf einen Festival etwas kompakter spielen und einen Kracher nach dem anderen aus der Kiste holen. Hey Jane.
05.10 - 06.00
Pulp - Glastonbury 1995
Der Höhepunkt des Britpop in Wort und Bild. Mit Live-Premieren von Klassikern wie "Sorted For E's & Wizz" und "Mis-Shapes". Und natürlich der tobenden Extase von den common people like me & you.
Foto auf der Titelseite von
björnstar.
The Face am 30.12.2014 um 18:52 Uhr:
super idee!auch interessant (wenngleich kein ganzes konzert): https://www.youtube.com/watch?v=3KrEVNX2RgA
The Face am 30.12.2014 um 18:53 Uhr:
Noel Gallagher: https://www.youtube.com/watch?v=ZkxJCXvqOFkbabygirliegirl am 31.12.2014 um 15:03 Uhr:
Yeah! Und fast ausnahmslos Bands, die ich richtig klasse finde!