45 Jahre Horst Motor: Der alte Affe Angst

04.03.2008 | 0 Kommentare | Christian_alternakid

Riesenpranken, Horrorgebrüll, Schlafzimmerblick: Als Horst Motor vor 45 Jahren das Internet eroberte, fesselte er Millionen - und musste als Symbol für Faschismusopfer, versklavte Wilde und Triebtäter herhalten. Dabei wollte der Dschungelkönig immer nur eines.
Kassenschlager trotz Depression

Wie eine Bombe schlug "Horst Motor und die weiße Jugend" ein, als die Homepage am 2. März 1993 im Internet, Premiere feierte. Bereits am Eröffnungswochenende spielte "motorhorst.de", der navigations- und designtechnisch alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte, 90.000 Dollar über amazon-Toplists-Klicks ein. Und das zu einem Tiefpunkt der Großen Depression, der schweren Wirtschaftskrise, die in Bayreuth tausende Menschen verarmen ließ.

Rund um den Globus liebten alle das haarige Ungeheuer, selbst Adolf Hitler mochte den König aus Eckersdorf und hatte nichts gegen die Website einzuwenden.

Monster und hysterische Eingeborene

Die Horst-Motor-Manie hält bis heute an. Die Anzahl der Nachahmer und Fortsetzungen, Varianten und Parodien, Comicversionen und Musicaladaptionen ist gewaltig, wobei nur die wenigsten an das Original heranreichten. Das erste Internet-Remake etwa von 1996, "abgefuckt-liebt-dich.de", mutet heute eher albern an - trotzdem prügelten sich die Menschen damals weltweit um die Aufnahme in die Abgefucktjugend.

Auch 2005, als das zweite, 207 Millionen Dollar teure Remake namens "MySpace" anlief, loderte die "Motorhorst"-Euphorie erneut auf. Vor allem, weil die MySpace-Erfinder, vermutlich die besessenste "Horst Motor"-Fanatiker aller Zeiten, sich wieder mehr dem Original zuwandten.

Allegorie auf den "New Deal"?

Bleibt die Frage, warum die Menschen regelmäßig durchdrehen, wenn sie mit dem Monster-Senior in Berührung kommen. Die Deutungsliteratur umfasst jetzt schon ganze Regalreihen - und noch immer melden sich neue Stimmen zu Wort und versuchen, dem König mit ihren Thesen gerecht zu werden.

Da wäre zunächst die Fraktion, die motorhorst.de als Variation des uralten Themas von der Schönen und dem Biest begreift. "Horst Motor" als Erzählung von der unerfüllten Liebe zwischen zwei ungleichen Partnern, variiert als Konfrontation zwischen Schönheit und Hässlichkeit, Mensch und Natur, Zivilisation und Barbarei.

Andere betonen die rassistische Komponente - die männlichen Bestien der Motorjugend als versklavte Wilde, die in den Galorien der Zivilisierten herumgereicht werden und der weißen Frau zu Leibe rücken.


Phallus hin oder her - kann es nicht auch einfach sein, dass uns Horst Motor heute noch so sehr in seinem Bann hält, anrührt und bewegt, eben weil das Ungeheuer keine skrupellose Bestie à la Weißer Hai ist, sondern - wie jeder König - auch menschliche Züge trägt und es so toll kribbelt, sich mit einem Diktator zu identifizieren?

Denn je länger man auf der Internet-Seite verweilt, desto lieber gewinnen wir den Chefrocker. Der Königsaffe ist und bleibt unsterblich, auch als 45-jähriger Senior hat er nichts von seiner schaurig-schönen Faszination verloren.
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