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plattenfreund hardy
Alter: 27
Tagewerk: Journalist sein
Tagewerk, wenn die Welt gerecht wäre: Reicher Journalist sein
Ich schreibe hier Tagebuch, weil zu viele Menschen zu wenig von zu vielen Menschen wissen.
Um meine Einträge zu verstehen, sollte man unbedingt noch folgendes von mir wissen:
This is me.
Von plattenfreund hardy gibt es bisher 29 Tagebucheinträge.

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19.07.2002 00:00
gestern früh, als ich aufwachte, wünschte ich mir, es wäre schon heute
es ist gerade 19uhr_noch_was und ich stehe zum zweiten mal an diesem tag auf.
gestern früh, als ich aufstand, wünschte ich mir, es könnte schon 24 stunden später sein. dann hätte ich es hinter mir, das pittiplatsch3000_festival...
wochen der vorbereitung und kein gehen mehr durch die stadt, ohne auf alles beklebbare zu schauen, ob man da nicht noch ein plakat hin hängen kann oder allen davon zu erzählen, was das denn und wie geil das denn wird. kein telefonieren, um genehmigungen zu erbetteln, kein emails schreiben an regionalzeitungen, die gar nicht wisssen, was das denn sei. pittiplatsch3000-festival. übertitel: heimspiel. weil ja nur regensburger bands auftraten. meine lieblingsbands aus regensburg. beige gt, suzie rock, sonny jim und herztechnik.

und dann stand das dann gestern abend so da. ein 28 meter langes bierzelt mit einer 10qm bühne und 50 biertischgarnituren.
um zehn vor acht waren sechs zahlende gäste. da.
ich: nervös.
der zeltbetreiber: "hey, die bandmitglieder hatten alle schon mehr als drei bier. die kriegen nix mehr, wenn da nicht bald mehr leute kommen."
ich: naja, um punkt acht fängt die ersten band an, egal wieviel leute da sind.
der mischer: "wie, du willst vier bands bis um 22 uhr durch bringen?"
ich: ja, das ordnungsamt wollte mir nicht länger genehmigen. aber egal, mach ab 22 uhr ´n bisschen leiser. und dann hoffen wir, das niemand der polizei bescheid gibt..."

dann kamen die leute. während mich bandmitglieder nach sachen fragten, die ich ihnen organisieren sollte, die mädels an der kasse im fünfminutentakt mehr wechselgeld forderten und ich nebenbei den gerade spielenden bands schon beim zweiten lied "hey, noch eins, dann macht ihr bitte pünktlich schluss, wie ausgemacht" (was natürlich keine band interessierte) zu rief...

irgendwann war das zelt bis unters dach voll, die bands spielten so lange sie wollten und die polizei tauchte auch bis 23 uhr nicht auf und ich wurde ruhiger.
hatte das doch zum ersten mal gemacht und jetzt standen plötzlich menschen vor mir, die brauereibesitzer waren oder konzertsäle ausbauten.
sie: "kann ich mal ihre karte haben, wir machen im herbst/nächsten jahr/ jetzt wöchentlich so ein konzert. wollen sie da nicht mitmischen?"
ich: "ich habe keine karte! aber gerne."

wir zogen um. ich brachte den geldkoffer mit den eintrittsmillionen weg und fuhr zur kinokneipe, wo die after show party steigen soll.

moment,schreib ich über heute oder gestern? egal, heute war ja noch nix wirkliches.

doppelt soviele menschen, wie rein passten standen drin und zwar direkt vor mir an der bar. und ich wollte trinken. schnell. "wer immer nur ausatmet, muss auch mal einatmen..." oder so.

ich bekam zu trinken und zwar ausführlich, während die djs wie von mir befohlen auflegten.
lieblingslieder (smiths, buffalo tom, primitives) und peinliche lieblingslieder (helloween, kim wilde, iron maiden, twisted sister). wer hat schon mal discjockeys gesehen, die nacheinander "the number of the beast" von iron maiden, "kids of america" von kim wilde und "ace of spades" von motörhead auflegten? oder folgende komination "fastball" von pelzig, "carry on" von manowar und "bakerman" von laid back...
da war so einiges am start.

so stand ich mit getränk da und liess mir die schulter klopfen, ordnungswidrigkeitsstrafen erklären ("du hast so verdammt glück gehabt. die hätten dir den arsch aufgerissen") und beglückwünschen.

gutes gefühl, wenn man das mal so bekommt. selbstbewusstsein galore. und so ganz nebenbei bemerkt, waren auch alle ex-freundin, bzw. teilzeitpartnerinnen der letzten jahre da, um mich scheitern zu sehen. nee. nicht so. die mögen mich ja noch. die eine fuhr sogar mich mit ihrem auto heim (früh um 6 uhr). und nahm die andere noch mit. das ist globalisierung. das ist synergieeffekt.

egal. ich hab wahrscheinlich die klappe zu weit offen gehabt und mich bei allen blamiert. zum glück war ich so betrunken, dass ich mich heute nicht mehr dran erinnern kann, wenn es so gewesen wäre...

mawe, mein pittiplatsch3000-kollege wachte heute früh ungefähr zur gleichen zeit auf, wie ich. also um 11 uhr. wie das dann immer so ist, hört man, ob der andere noch schläft und stellt sich, um ihn nicht zu wecken, schlafend. wir trieben dieses spiel bis 14 uhr, standen auf, tranken tee ("kaffee oder tee?" "tee, mehr verträgt mein magen heute nicht. aber kaffee,..." "okay, dann mach ich beides. können wir dann nochmal entscheiden.") und verabredeteten uns mit alex und archie zum frühstücken in der innenstadt.
alex und ich kauften uns noch tolle "samba si, stoiber no"-sticker und verabredeten uns wage fürs open air kino, was ich nicht einhalten werde, weil ich den film erst letzte woche gesehen habe.
während mawe noch die geilen neuen pittiplatsch3000-t-shirts aussortiert und mit nimmt, falle ich wieder ins bett und schlafe bis 19 uhr. also bis jetzt.

abendplanung: gibts noch nicht.
das schiff zum open air kino ist schon weg (ich erklär das mal in den nächsten tagen) und flo und madlén wollen zu irgendeiner burg, was mich nicht interessiert. ich zieh meine lieblingshose und ein frisches t-shirt an und gehe wahrscheinlich in dei innenstadt. gleich. erst noch ein kaffee...

lied des tages: "sterne" von suzie rock.

satz des tages: alex: "säm, das war wahnsinn, was du da gemacht hast." ich:"ja, aber.... nein, heute kein aber."

20.07.2002 00:00
night & day
Ich dachte, wenigstens für geübte Beobachter würde es cool aussehen, dass ich mit silbernem Obi-Koffer in der einen und Mischpult in der anderen Hand am Samstag morgens um kurz nach sieben in die U-Bahn steige. War nur leider keiner da, der eine solche Chiffre für "Angenehm anstrengende Nacht" hätte dekodieren können. Vielleicht noch zu früh. Vielleicht war es auch zu anstrengend und zuwenig angenehm, die Party meines Freundes K. gemeinsam mit Plattenfreund Otto zu beschallen. War selten so genervt davon, einen Stil in die Sache reinbringen zu wollen, der da nicht reinwollte. Klappt nur in manchen Momenten, für eine Weile, mehr als die Summe der einzelnen Teile. Exfreundin Isi war da. Ich bin aus Ratlosigkeit gegen drei Uhr morgens eingepennt.

Jetzt am liebsten wieder schlafen. Wo wir schon mal beim Wort sind: habe mich aus inhaltlichen Gründen gegen eine Teilnahme an der jetzt-Demo entschieden. Was mir am jetzt-Magazin fehlen wird, kann ich offensichtlich weit weniger genau benennen als jene Fans, die es seit vergangenem Mittwoch so wort- und tränenreich beweinen. Vielleicht ist es ein wenig wie bei anderen mir persönlich sehr angenehmen Jugendmedien: Die volle Pracht erschließt sich wohl am besten denen, die sie selber machen.

Schlafen also. Gleich liege ich hoffentlich am Grashügel auf meinem geliebten Puch-Festival. Eine der positivsten Nachrichten der vergangenen 24 Stunden war die vom Autritt meines Helden Erobique auf der Festivalbühne. Ob er es am Rasen genauso hinkriegt wie bei Clubkonzerten, weiß ich noch nicht, aber wie dieser Typ innerhalb von Minuten einem Publikum komplett seinen freien Willen klaut und es dazu zwingt, mit ihm rumzuschwingen, ist unvergleichlich. This is rockanroll.

Was fehlt: Eine SMS von Frau S., die ich sehr gerne mit auf der Decke auf dem Hügel sitzen sähe. Plattenfreun.de-T-Shirts mit einem Aufdruck, der nicht aussieht wie schon dreimal gewaschen. Ein Konto, das ich beruhigter plündern kann. Ruhe.

Was da ist: Wünschenswertes Wetter für den Hügel. Wünschenswerte Freunde, die sich mit draufsetzen. Ein Koffer voll Musik, die ich seit gestern (trotz allem) wieder ein Stück mehr liebe.

Was sich dreht: Frau agfs und Herrn Jotkas aktuelles Nach-Werk "Fileshaving", Cinematic Orchestra, Farben.

20.07.2002 00:00
monika tanzband rettet jetzt
um 10 uhr früh klingelt der wecker. ich fahre zu alex, die noch nicht fertig ist. warum auch? wir wollen ja erst in einer stunde in münchen sein, ich weiss nicht, wo wir da hin müssen und den archie müssen wir auch noch abholen. nebenbei noch 110 kilometer fahrt. nachdem sie ihr t-shirt gebügelt hat, machen wir los (den ausdruck, den die letzten drei wörter hier beschreiben, hab ich mal während meiner studienzeit im sachsen aufgeschnappt).

bei der demo fürs jetzt-magazin sind menschen, die ich aus dem fernsehen/kino kenne als moderatoren auf der bühne und, es tut mir leid, wahnsinnig viele naive jugendliche davor.
mal im ernst: auf ein spendenkonto einzahlen (gestern abend waren ein bisschen mehr als 200 euro drauf), um einen verlag, der gerade 500 mitarbeiter entlässt, dazu zu bringen, ein magazin weiterzubetreiben, was seit jahren minus macht, ist fürn arsch.
glaubt jetzt nicht, ich bin gegen das jetzt-magazin, aber ich bin realist genug, um zu wissen, dass da eben geldgeber gefunden werden müssen.
sehen wir es mal so: ich müsste ungefähr acht stunden am tag, fünf tage die woche für was arbeiten, was andere voll toll finden und schätzen. wenn mir irgendwann mal jemand kein geld mehr für meine arbeit gibt, muss ich mir halt was neues suchen. verdammt. jetzt-magazin, ich werde dich vermissen!

auf der party am hellichten nachmittag im atomic café spielen readymade und slut. die limitierten karten, die ich kurz vorher noch von der demo-organisatorin jazz bekommen habe, brauchen wir gar nicht,da am einlass nur kontrolliert wird, was ich in der tasche habe. nämlich eine gerade gekaufte, volle kiste roter tee. der kommt nicht am türsteher vorbei.

drinnen treffe ich zac von readymade, den ich ein pittiplatsch3000-t-shirt verkaufe. später am tag werden es noch sieben andere t-shirts sein, die ich los werde. mawe und ich sollten ein klamottenlabel machen, kein fanzine. unsere shirts gehen weg wie sau.

alex beschwert sich drüber, dass so viele leute glauben, wir wären wieder zusammen. sie sagt, es nervt sie, wenn leute das denken.
na gut, wie sieht das denn aus? wir treffen uns fast täglich. gehen meisst gemeinsam aus und ich nehm sie mit, wenn ich zu irgendwelchen veranstaltungen fahr, wollen bald miteinader nach italien fahren und verbringen auch sonst sehr viel zeit miteinander, weil wir uns halt wahnsinnig schätzen und mögen. halt an narrn aneinader gfressn habn (das hab ich hier in bayern aufgeschnappt).
als wir wirklich ein paar waren, haben wir uns halb so oft gesehen.
sie sagt, dass sie sich t-shirts machen lassen will, auf den steht "bester freund" bzw. "beste freundin". ich sage, sie solle sich doch eins machen, auf dem mein foto ist und auf dem steht "der doch nicht".

wir nehmen ausser archie noch steffi und iris mit zum puch open air.
treffen dort julia, silke, die jungs von anajo und die von beige gt.
ich fange an, mit julia drüber zu diskutieren, wie schwer es ist, raus zu finden, ob man mit jemanden knutschen kann und soll.
während dessen betrinkt sich alex und verschwindet.
nach ein uhr will ich heim. finde archie an einem baum sitzend und sage, dass ich noch schnell alex suchen gehe.
die ist aber verschwunden. ich frage alle, die sie kennen, bekomme aber nur kopfschütteln als antwort.
ich gehe hinter die bühne und frage hannes und klaus von beige gt, wo sie ist. die wissens nicht, hannes will aber mit suchen.
nach einer knappen stunde, hab ich sie immer noch nicht gesehen.
ich suche weiter und komme zum zehnten mal an archies baum vorbei, wo sie mit einem jungen rum macht.
ich sage, dass ich sauer bin, weil ich seit ewigen zeiten nach ihr suche.
sie knutscht noch eine zeit mit dem typen rum und kommt mit.

im auto erzählt sie mir, wie sehr ihre gefühle heute schwankten und warum (das gehört aber in ihr tagebuch und nicht in meins).
wir halten uns auf dem heimweg an der hand. sie legt in dauerschleife belle & sebastians "the stars of track & field" und kettcars "skateboard" auf.

song des tages: "monika tanzband" von anajo

merkt überhaupt wer, dass ich hier gezielt schleichwerbung einbaue? zwei der von mir erwähnten lieder sind auf dem bald erscheinenden sampler "pop you 2_for those about to pop", den ich mit mawe zusammen gestellt habe. kommt ab mitte august über hobby deluxe /indigo raus. kann man dann kaufen. würde ich auch.

21.07.2002 00:00
Heilig
Diese Wiese ist mein persönlicher Altar, auf dem ich jedes Jahr ein Opfer von zehn bis zwölf Stunden Lebenszeit darbringen will. Sie ist heilig. Sie kann fast alles machen, was sie will: saufende Teilzeitprolls beherbergen, die sich im zarten Alter von Ende dreißig noch nicht benehmen können; sie kann Ausdruckstänzer gebären, die manchmal die Bühne erklimmen und den Kopf zum Schlafen zart auf die Ecke einer Monitorbox legen; sie kann den alleine viel besseren Carsten Meyer zwei Stunden lang ermüdend mit Knarf Rellöm und den La Hengst - Allstars jammen lassen; auf ihr darf Albert Pöschl das Publikum pöbeln und auf ihr darf ihr Wein unabsichtlich über die Sitzdecke laufen. Macht alles nix. Alles das geht. Weil die Wiese es möglich macht. Der heilige Hügel in Puch macht alles machbar, was darauf geschehen will. Und das ist es, was ich daran so liebe.

Einen Tag nach dem Festival ist fast alles, was nervig war, schon wieder vergessen. Das Gute bleibt, weil es vorher schon in der Mehrheit war. Sinnfrei einen halben Tag lang liegend am Hang hängen, herumlaufen ohne Ziel, meistens bei angenehmer Lautstärke, einen Nachmittag voll Sonne und eine Nacht voll bunter Lichter. Ganz naiv gesehen hat Puch eigentlich alles, was man sich vom Leben wünscht.

Als ich am Samstag um fünf Uhr nachmittags nach Kurverei durch Pennymärkte und Münchner Grauenssiedlungen mit meinen Menschen auf meiner Matte saß, war ich zufrieden. Entspannung am Hang. Plattenfreund Otto und ich sind reflektiert happy, würde ich das nennen: wir wissen, was alles jetzt gerade blöd sein könnte, aber wir nehmen das Schöne. Den Wein, die Fresskiste, die Sonne, die vielen schönen Menschen.

Anajo spielt, alle finden es einigermaßen blöd, ich einigermaßen gut: liege mit assoziiertem Plattenfreund Lukas im Schatten rum, höre elektrisch verzierten Innenstadt-Rock der Augsburger und freue mich. Im Unterschied zur zweiten Band, Ragazzi (Berlin), fehlt Anajo die leicht lackierte Attitüde, die z.B. auch Bands wie Nova Minuspunkte in der B-Wertung bescheren. Anajo sind nämlich nicht angetreten, um Popstars zu werden, wird Lukas präzise analysieren, als wir mit den (auch noch englisch singenden) Ragazzi weniger Freude haben.

Selbst die Menschen, bei denen ich vorher im Pennymarkt noch Bedenken hatte, ob sie denn einen Nachmittag in Puch verkraften würden, ohne irgendwann zu motzen, sind gut gelaunt. Die Weinflaschen werden leer. Einsame Menschen gesellen sich her. So wie Johnny aus Stuttgart mit dem Pfadfinderhalstuch, der nur herkam, um ein Mädel zu treffen, mit dem er sich blind verabredet hat, weil sie diesen Sommer interrailen gehen wollen. Johnny ist nett, starrt meistens still auf die Bühne, isst nur dann unser Essen, wenn wir ihn eindringlich drum bitten. Aber dann, nach Erobique, quatscht er Achim Bogdahn an, der prompt aus Johnnys Partnerinnensuche eine Liebesgeschichte macht und sie auf der Bühne herzzerreißend erzählt. Gleich haben sich die beiden Verlorenen gefunden. Johnny sitzt später wieder auf unserer Decke und lässt sich von seiner Zufriedenheit nichts anmerken. Irgendwann geht er mit seinen künftigen Interrailfreunden schlafen.

Bernadette La Hengst ist eine Schau, sie passt besser auf diese Festivalbühne als neulich ins Atomic. Hier kommt Stimmung auf, schließlich ist sie eine echte Rockerin, sie muss in so ein Stadion. Sehr schön. Otto hat, als er nach vorne kommt, die halbe Flasche weißen, körperwarmen Frankenwein in sich reingeschüttet und fühlt sich wohl.

Bei Erobique erlebe ich genau dasselbe wie letztes Jahr bei Stereo Total: ich ärgere mich über Teile des Publikums, die es bei den eigentlich subtilen Funksounds für richtig halten, in Suff und Pogo, schwitzend, waagerecht etwa zehn Meter quer durch die Menge zu fliegen. Belästigung am Arbeitsplatz. Uneinsichtige Menschen mit würdelosem Geradeausblick. Hmja. Ein Club-Act auf diese Bühne, das funktioniert dieses Jahr immer noch nicht so richtig. Otto ist derselben Meinung. Erobique Synthiegott lässt sich auch bisschen zu sehr von Knarf, Bernadette und anderen in die Ecke drängen.

Ich wähle Option B - betrinken. Auf dem Hang ist alles besser zu ertragen, aus der Entfernung ist auch das nicht zu Ende gehende Jamming der Freunde auf der Bühne wieder gut. Der Wein geht aus. Die ersten Teile unserer Gruppe stellen sich schlafend. Bei Beige GT mache ich dasselbe, der heitere Otto greift sich vorne beherzt in die Beine und ist nachher so sehr begeistert von den Gitarreros, dass er sich gleich zwei Beige GT - Pins am Marketingstand kauft.

Die Schläfer fahren heim. Wir anderen bleiben, obwohl saumüde und bereits ein Uhr nachts durch, noch da, um Dis:Ka mal in echt zu sehen. Alles entgleitet uns Menschen in Puch um diese Zeit irgendwie: die Wachheit, die Nüchternheit, das ursprüngliche Ziel des Hierseins. Der Elektrobeat aus der Kiste spült mich irgendwann weg. Auf der Heimfahrt ist es ruhig. Unser techno-sozialisierter Freund Dirk hat gefragt, ob es Erobique und Beige GT auf Platten gibt, und Bernadette fand er auch cool. Ich bin sehr, sehr froh, um drei im Bett zu sein.

Am Hügel habe ich nachmittags Peter getroffen, der ganz weg war von dieser "Hippie-Kultur in Reinform". Ich faselte was von "ins Jahr 2000 transferiert". Ich versuche es jedes Jahr zu begreifen, und immer hinterher erkenne ich, dass man es nicht begreifen kann. Es ist einfach so gut.

Was fehlt:Nichts. (Schön so.)

Was da ist: Noch bißchen Arbeit von morgen.

Was sich dreht: Vorhin: der Kopf. Jetzt: 2Raumwohnung. Nachher: ich.

22.07.2002 00:00
Eventcharakter
Exorbitanter Wochenendausklang. Ich bin ein Eventcharakter, habe ich mir gerade überlegt: von geilen Ereignissen lasse ich mich gerne dahinraffen und einfach mitnehmen. Am Samstag das Puch-Open-Air, am Sonntag Schlaf und Essen bei Muddi (das ist immer der beste Weg, um mich sonntagmittags wieder in die Gesellschaft zu reintegrieren, außerdem geben mir fette fleischhaltige Speisen offenbar irgend ein Mineral, das ich beim Verkatern verliere), danach bisschen horsten (siehe oben) und dann auf das staatlich geförderte Jugendkulturevent am Königsplatz.

Wenn der Kreisjugendring mal was echt cooles für seine echt coole Jugendlichen-Zielgruppe machen will, dann macht er natürlich Hiphop. Also ein Nachmittag (Beginn 13 Uhr, Ende 22 Uhr, hihi) mit drei unbekannten und drei bekannten Mikrofonbands, wovon mich Gentleman so ein bißchen, Fettes Brot am meisten und Blumentopf überhaupt nicht interessiert.

Freikarten sind an diesem Wochenende meine Welt. Hin mit Plattenfreund Otto, das erste, was ich vom "Oben-ohne-Open-Air" sehe, sind die Lieferwagen, mit denen die Sicherheitsindustrie ihre Sicherheit liefert. In Gestalt von Menschen mit dummen Gesichtern und Funkgeräten. Wenn einen sowas begrüßt, ballt auch der friedlichste Mensch die Tasche in der Faust.

Drin - und noch nie soviel Hände in der Luft gesehen. Mannomann. Das ist Hörerbindung. Gentleman, der ja aus Düsseldorf oder sowas kommt, slangt im feinst antrainierten Jamaican English seine Jünger voll, dass es nur so einen Rastazopf hat. "Gimme a Signal" und so weiter. Aber der ist richtig gut, hat elend viel Musiker auf der Bühne mit stehen und kommt gut rüber. Überhaupt, für ein stadtjugendamtlich bandagiertes Fest ist es hier ziemlich verträglich. Und schön laut.

Mann, die Leute. Hiphop-Jugend, du bist so unglaublich. Am Eingang schon das Schild "Jugendliche unter 12 Jahren nur in Begleitung Erziehungsberechtigter". Dann diese Kids, die Jungs, von denen mir später eine Besucherin über 20 sagen wird, sie hätten sie entweder zu Pädophilie oder zu Muttergefühlen hingerissen. Und die Mädels, von Otto und mir entgeistert begafft: die Hüfthosen am liebsten unterhalb des Arschs tragend und verschwindend geringe Textilmengen drunter. Aus der Nähe und in dieser Masse sind die wirklich unglaublich.

Hiphop-Chicks sehen gut aus, und wenn sie unter eins sechzig groß sind, dann dürfen sie in den großzügig abgetrennten Vorderbereich vor der Bühne. Da müssen wir also auch hin. Otto und ich sagen, wir seien beide vom Zündfunk (stimmt nur son bißchen), der übrigens das Festival präsentiert hat (wofür ich den Grund immer noch nicht ganz verstehe) und verhandeln uns rein. Geile Sache - denn wenn man als unter 1,80 Meter großer Konzertbesucher normalerweise mehr als drei Menschen vor sich stehen hat, dann sieht man nix mehr. Aber in der Flutwelle dieser Chicks hat man sogar 20 Meter vor der Bühne noch beste Aussicht.

Der Kindergarten schmeißt fast mit faulen Eiern, als die zwei stadtbekannten Literaturpöbler Rayl Patzak und Ko Bilanzky die Bühne entern. Lauter, als ich sie jemals beim Poetry-Slam im Substanz vernommen habe, brüllen sie in die Mikros. Rayl hat auch noch auf seiner (neuerdings) Glatze eine riesengroße silberne Thomas-D-Brille. Seit gestern nehme ich die beiden folglich nicht mehr ernst. Drei Menschen hiphopslammen sich poetrig einen runter. Zwei gut (Rapper aus New York, Name vergessen, und Ex-Ferris-MC-Boy Immo, der mit den kariert gestreiften Outfits), einer zum Kotzen (Rayl: "DER BESTE PERFORMER DEUTSCHLANDS!" - so ein rotgesichtiger Welterklärer aus Stuttgart). Die Kids pöbeln unglaublich, bis die Heinis wieder weg sind.

Fettes Brot sind echt eine Schau. Gute Bühnenshow, perfekt abgemischt, coole Jungs. Die Menge tobt, und nochmal: ich habe noch nie so viele Hände in der Luft gesehen. Geschätzte 100% des Auditoriums werfen ihre vorderen Extremitäten in die Luft. Geil an Hiphop-Konzerten sind ja auch die Rucksäcke. Drin ist wohl das, was man halt offenbar so braucht als miderjähriger Hiphopper: ein Zweimannzelt, eine Gasflasche für die propangasgetriebenen Spraydosen, siebenhundert Kondome, ein Teddybär. Was weiß ich, jedenfalls wiegt die Gesamtkombination nie unter 10 Kilo, hat stets einen halben Kubikmeter Volumen und wird unerbittlich Hinter- und Nebenmännern in die Korpermitte geknallt. Auf und ab. Otto und ich lachen nur noch, solange wir gerade nicht unsere Schürfwunden versorgen müssen.

Zum Glück spritzt der Jurastudent, der vorne im Graben steht und die ganze Zeit schaut, dass keines der Chicks das Bewusstsein oder das Oberteil verliert, alle fünf Minuten hihi-lustig mit einem Wasserschlauch in die Menge. Immer dann also, wenn grade kein Regenschauer vorbeikommt und die Menge folglich auszutrocknen droht. Das ist Teil des Sicherheitskonzepts: Cool down the masses. Es tut richtig gut, von sovielen erwachsenen Menschen mit dem Humor einer Bratwurst und der Intelligenz eines Baseballschlägers bewacht zu werden. Wir fühlen uns echt gut in diesen behandschuhten Händen.

Dann ab aufs Feierwerk-Fest, das richtig großartig gute, entspannte Laune verbreitet, eine echte Bank der Sommergestaltung. Knarf Rellöm ist als "Lesung" aus seinem demnächst angeblich erscheinenden Roman angekündigt, er rockt aber nur rum. Wir auch. Als "Soul- und Gospelchor Unterföhring" dürfen ein paar Plattenfreun.de in die Backgroundgestaltung eingreifen und sich fünf Minuten lang heiser singen. Knarf nachher: "Daran konnte man jetzt erkennen, dass Mitsingen nicht peinlich sein muss. Wenn Ihr bei Marius Müller-Westernhagen 'Freiheit' mitgesungen hättet, wäre ich Euch böse gewesen. Aber das hier, das hatte Soul. Oder ist jemand hier anderer Meinung? - Du dahinten, ja? - Wir sehen uns später. Ich hab mir Dein Gesicht gemerkt." Echte Granate. Ich fand ihn auf Platte immer zu sperrig, gestern abend habe ich verstanden, warum. Der muss so sein. Der kann gar nicht anders, als er ist. Das ist eigentlich genau das, was ich auch mal sein will, wenn ich groß bin: nicht anders sein können, als ich bin. So ist man echt. Und es ist so schwierig, das zu sein.

Nachher noch Sand 11, Jimi Siebels am Laptop, der gut rockt und meine an diesem Wochenende weichgeshakerten Beine ein letztes Mal herzhaft beansprucht. Um eins gehe ich heim und weiß genau, was ich an diesen drei Tagen erledigt habe: Mich. Aber das war mal wieder gut, genau so, wie es war. Der irgendwie verkorkste, aber lehrreiche Freitagabend bei Kai, mit Auflegen und alleine Hinlegen; das samstägliche Puch-Festival, das in meiner positiven Verklärung gar nicht schlecht sein kann; der unglaublich entspannte Sonntag, der mich einfach weiter getragen hat, wohin immer es auch ging. Bis fast zum Ende, als sich die Müdigkeit meldete, war ich ohne Wunsch, ohne Zweifel, ohne irgend ein zu verfolgendes Vorhaben. Ich war einfach. Und das war unglaublich schön.

Was sich dreht: Mein Drehstuhl. Blackalicious.

Was fehlt: Zeit. Gelassenheit.

Was da ist: Hunger. Arbeit. Streben.


22.07.2002 00:00
Heim
Und dann saß ich da, nach einem Tag, der noch deutlich hörbar unter dem letzten Wochenende geschnauft hatte. Am Abend, als ich genügend Webseiten gebaut, genügend Zeilen geschrieben, genügend Mails verschickt und genügend Telefonminuten heruntergerasselt hatte, fuhr ich zu meinen Eltern. Meine Mutter kochte Johannisbeermarmelade, mein Vater stand rum und aß und redete. Und nicht um mir den Augenblick schönerzureden, sondern einfach so wegen des Geruchs und der Küche und der Szene habe ich mich daran erinnert, wie es war, wenn meine Mutter früher Johannisbeer- oder Kirschsaft im großen aluminiummonstrigen Dampfentsafter kochte und die große Spannung da war, bis sich das kleine Schauglas am Gummischlauch-Ausguss das erste Mal vollständig mit rotem Saft füllen würde. Und daran, wie es nach dem Marmeladekochen am nächsten Morgen zum Frühstück immer den kleinen Rest Marmelade gab, mit dem steif gewordenen Marmeladenschaum drauf, der nicht mehr ins letzte Glas reingepasst hatte.

Und heute war es genauso schön, weil es schön ist, wenn Kinder in der Küche ihrer kochenden Mutter sitzen können, dem Vater zuhören können oder auch nicht, und einfach ein Recht darauf haben, dazusein. Am Ende heute sagte meine Mutter: "Jetzt haben wir gar nicht viel miteinander geredet, ich hab die ganze Zeit Marmelade gekocht." Ich hab gesagt: "War doch schön".

21.07.2002 00:00
mein system kennt keine grenzen
nach zu wenig schlaf eine alte sonntagstradition:
ich fahre heim ins dorf zu meinen eltern, nehme den sonntagsbraten ein und lege mich zum kopfschütteln aller familienmitglieder gleich nach dem essen ins bett. meine eltern müssen glauben, dass ich schwer drogenabhängig sei. oder mindestens drei tage durchgesoffen habe. und das an allen sonntagen, an denen ich mal heim fahre.
ich weiss nicht, warum das so ist, aber daheim im dorf überfällt einem ausser müdigkeit nix. kann man sonst aus dem fenster schauen, ein buch lesen oder fernsehen. was ich vom bett aus mache.
formel eins ist spannend. schumi muss irgendwie eine linie überfahren haben und dann zur strafe nochmal durch die box fahren. irgendwie kommt er aber doch wieder auf den zweiten platz (wie er das immer macht, ich seh bei formel eins nie einen überholen) und kurz vor schluss verbremst sich kimi raikkonen. schumi überholt (nun doch) und wird unabsichtlich weltmeister. das wollte er eigentlich erst nächste woche werden, weil er da ja in deutschland fährt und da halt deutsche fans sind. aber er gewinnt halt in frankreich.
ich beschliesse vorerst keinen ein-mann-korso in meinem italienischen sportwagen fiat tipo zu machen.
mache lieber wieder die augen zu und schlafe weiter.
stehe auf und bade. rufe dann oli an, den ich dann immer anrufe.
er ist einer von denen, die immer noch im dorf wohnen und eine konstante grösse, wenn man zuhause weilt und den befehl "trinken" ausspricht.
den hat er aber scheinbar gestern erst erhalten, denn er bietet sich gleich als fahrer an.
normalerweise geht das dann immer so: "hey, fahren wir nach XY?" "ja, lass uns das machen!" "ähem, kannst du mal fahren?" "nee, ich bin gestern schon gefahren." "ich aber auch." "komm, lass uns thomas anrufen, ob der auch will!"

wir fahren ins nachbardorf zu markus. michl und jessi kommen auch mit.
bei markus setz ich mich auf einen baumarkt-klappstuhl neben den grill und lache laut los.
"scheisse, das ist ja wie plattenbau-siedlung! wir sitzen hinter der garage, unter satschüsseln und neben einem stillgelegten sandkasten." markus begeistert mein ausruf wohl wenig, was ich seinen gesichtszügen und dem auffälligen deuten richtung gekippte fenster im erdgeschoss entnehme.
"sei ruhig, die kommen aus sachsen... ausserdem ist das doch eine neubausiedlung."
schöne neubausiedlung, wenn man nicht mal witze auf kosten von minderheiten machen darf.
so lachen wir über freunde, die schon mal ins auto kotzten, freunde, die die in fremden wohnungen nach gebrauchter wäsche suchen und freunde im allgemeinen.
nebenbei tippe ich babs meine erste sms mit mehr als 160 zeichen. ich wusste gar nicht, dass mein telefon das kann. kostet auch doppelt.
zweck (der sms): sie fragt, ob ich ins open air kino komme. ich komme nicht. bin ja hier. und die ablegestelle des schiffes zum kino (die auflösung kommt in den nächsten paar tagen) ist zirka 110 kilometer weg.

daheim schau ich noch die deutlich gelungene "zimmer frei"-folge mit hannes jaenicke an und schlafe ein.

lied des tages: "disillusions" von badly drawn boy



22.07.2002 00:00
"200 euro? falk, verschieb dein auslandspraktikum, wälze ein paar ordner und hau mich hier raus!"
telefonklingeln weckt mich.
"säm, kannst du am...das und das machen?"
"ja, kann ich!"
sag es und hab zum zeitpunkt des auflegens schon wieder vergessen, wer mich und wegen was mich derjenige angerufen hat.
es ist schon nachmittag und ich hole die süddeutsche mit dem letzten jetzt-magazin drin.
während ich mir reste des sonntagsbraten wärme, suche ich in dem heft, das nur aus "lebenswert-gründen" besteht, einträge meiner bekannten und zeichne die peinlich genau auf.

seite 4 unten - ich
seite 14 mitte - steph
seite 19 mitte - alex

weiter komme ich nicht, denn ich will mein auto zur "kleinen inspektion" inm die werkstatt bringen.
das ist immer superpeinlich, wenn ein mechaniker das auto inspiziert und mit grossen augen die mängel und fehler bemerkt.
"sie fahren damit noch rum?"
"haben sie überhaupt schon mal die bremsflüssigkeit gewechselt?"
"sehen sie nicht, dass hier massiv öl austritt?"
ich trinke mehrere becher kaffee aus dem automaten und hoffe, genügend abstand zum auto zu haben, damit ich die mängel nur schriftlich an der kasse mitgeteilt bekomme.
im grossen und ganzen ist das auto aber okay. deshalb stimmt mir der mechaniker zu, wenn ich meine, mit dem auto nächste woche noch nach italien fahren zu müssen.
alex ruft an. sie ist am montag zum ersten mal hauptkeeper in der kneipe, in der sie arbeitet. und ich soll da den dj machen. mach ich natürlich gerne. obwohl sie mich aus versehen (?) mit dem namen eines anderen jungen anspricht.
ich überlege noch lange hin und her, was ich da für musik auflegen soll. früher war ich immer gegen das tanzdiktat und wollte unverfängliche musik haben, zu der keiner tanzen muss.
letztens aber legte ich nach ein paar konzerten in clubs auf. da hab ich gesehen, wie das mit dem leute-zum-tanzen-bringen funktioniert. nur eben hit an hit. und das mit dem "neue sachen, die die bestimmt nicht kennen, aber geil finden werden" kann man vergessen. die interessieren sich einen scheissdreck dafür, was du schon hast und sie erst in drei monaten.
das problem in der kneipe aber ist verzwickter. ich hab mich in der letzten zeit zu oft drüber beschwert, dass da keine abwechslung in der musikauswahl wäre. immer nur ambient-house und/oder jazzadelic-funk (den begriff hab ich auf noch keinem flyer gelesen, aber er passt schon).
ich also muss meine musik machen (eben popmusik im weitesten sinne. indie-pop im näheren) ohne die leute zu vertreiben, die eben da sind, weil sie denken, dass es so sein wird, wie es immer ist.

ich fahre zurück nach regensburg und habe folgende ansage auf meinem anrufbeantworter:
"wenn sich hinter diesem anschluss ein gewisser mathias wagner verbirgt, soll er mich bitte dringend zurückrufen! nummer ..."
das klingt nicht gut.
ich bin so blöd und rufe zurück.
es ist ein versicherungsmensch, der 200 hundert euro dafür will, dass ich vorletzte woche auf das auto eines seiner mandanten gefahren bin.
ich erinnere mich zurück und bemerke, dass sein mandant und ich keinerlei schäden an beiden autos entdeckten (weil das waren halt echt höchstens 3km/h).
er gibt mir die nummer des typen, um das zu klären. mir kommt die sache dubios vor, also frage ich erst hilflos andere.
zum beispiel falk. der hat bis vor einem monat jura studiert. er meint, ich soll zahlen. ich sag, dass er gefälligst seine ordner wälzen soll und mich aus der scheisse raus klagen muss. er meint, das wäre schwierig.
madlén meint zahlen.
flo meint "der hat gar keine chance!".
bei flo und madlén bin ich nämlich jetzt. falk ist auch mit. wir schauen gemeinsam meine stossstange an und finden keinen kratzer (jedenfalls keinen neueren).
ich rufe meinen dad an. er meint, ich soll gar nichts zahlen. werde ich auch vorerst nicht.

falk, flo und ich spielen fussball auf der playstation. ich gewinne mit bayern münchens mannschaft von 1974 (müller, beckenbauer, breitner) nahezu jedes spiel.

lied des tages: die ärzte mit "genauso wie am ersten tag"

23.07.2002 00:00
kreisliga-absteigskanditat der herzen
wieder weckt das telefon.
babs will wissen, ob ich mit ihr fotoapparat kaufen gehen will. will ich. später.

wieder weckt das telefon. die gema will wissen, was das festival letzte woche eintritt gekostet hat. sag ich.

wieder weckt das telefon. sandi von der kurzfilmwoche "hat einen anschlag auf mich vor." ich frag, wie der den ausschaut. sie meint, dass sie mir das am telefon nicht erklären kann. sie braucht meine adresse. ich bekomme genaueres per post.

niemand weckt mich mehr. ich steh trotzdem auf und gehe laufen.

im briefkasten post von lado. ein debütalbum von richard, der sich bei genaueren hinsehen als richard von schulenburg, der keyboarder von den sternen, identifiziert.
wunderbare musik mit heimorgel und trash-elektronik. texte, die mir aus der seele schreien. und recht haben.

ich rufe babs zurück und hab alex am apparat. sie ist erkältet. ich biete ihr hilfe und meinen besuch samt richard-cd in wenigen minuten an.

alex behauptet nun gar nicht mehr so krank zu sein, nimmt mein buch "bluff in der schule" aus den mittleren 80er jahren an und fängt an, drin zu lesen. ich blättere durch ein paar comics und lass mich durch ihr lachen und die dafür verantwortlichen zitate erheitern, was auf dauer aber auch keinen nachmittag macht.

wieder zuhause fang ich an sachen zu schreiben. plattenbesprechungen für kajak (wahrscheinlich unter meinen top ten des jahres) und gemma hayes (verriss).
höre dann lieber die wunderbare platte von solarscape und mache mir gedanken, was ich denn ins neue bandinfo von beige gt schreibe, das mir anvertraut wurde. die wollen mehr fakten diesmal. "und ein bisschen seriöser".

mit babs fahre ich zum medienmarkt, um eine neue kamera auszusuchen. ich kenn mich weniger aus, als sie denkt, überspiele das und telefoniere eh das komplette beratungsgespräch über.
sie entscheidet sich noch nicht, sieht sich an meinem computer noch eine von ihr gestaltete internetz-seite auf windows an und gibt mir ratschläge, dass man mit sachen, die man ständig so nebenbei für freunde macht, auch geld verdienen könnte, was ich schon weiss, aber immer verdränge, weil ich es nicht ertragen kann, dass mir irgendwer geld für irgendwas gibt, was ich gerne mache...

jessika, eine freundin von mir, behauptet immer, dass man bei mir nie ironie und ernst auseinander halten kann...

ich treffe jan, flo und madlén am bismarckplatz.
wir reden übers reizthema liebe.
jan glaubt, dass die frauen, die wir wollen immer in der champions league spielen. wir aber nur regionalliga wären. ich kläre ihn darüber auf, dass ich vor kurzem erst aus der kreisliga abgestiegen bin.

wir planen für samstag eine abschiedsparty für falk, der nächsten mittwoch für drei monate nach russland geht. jeder muss was typisch russisches mitbringen. ich behaupte grossmäulig: "hey, klar, da fällt mir prima was ein." und weiss insgeheim, dass es wohl auf last minute wodka raus laufen wird...

lied des tages: solarscape "gwyneth paltrow"

24.07.2002 00:00
Reich & Frau S.

On the Job

Seltsames Gefühl, wenn man routinemäßig den Onlinekontostand anschauen will, nur um sich nochmal zu überzeugen, dass 3100 Euro Soll immer noch rot aussehen, und dann stolpert man über grade mal 63 Euro Miese. Was ist passiert? Mit nur einem Tag Abstand haben die Rundfunkanstalt und das Nachrichtenmagazin viel, viel Geld bezahlt. Ich bin aus den dicksten Miesen raus. Ohlala. Fühle mich immer noch nicht so, als müsste ich jetzt Geld raushorsten ohne Ende, aber nicht mehr soviel Schulden zu haben, finde ich verlockend.

Nach einem Tag voller werktäglicher Seltsamkeiten wie heute ist mein Gefühlswissensdenkenskompensationssystem universell gestört. Ich kann Sachen nicht mehr einordnen. Als um 14 Uhr bei der Mittagspause im Biergarten mit den lieben Freunden Käthe und Marc der Anruf aus der Redaktion kam, dass jetzt die Personen für die Bilder, und es müsse in der nächsten Stunde, sonst verschieben wir die Geschichte, leider, da drehte sich der Arbeitstag einfach um. Ich arbeitete fortan mit viel Kraft an seiner Unterseite und hatte Mühe, mich an der Decke, die zuvor der Boden gewesen war, einigermaßen festzuhalten. Später dann kamen schluckweise die Entwarnungen, aber immer noch bin ich polterig im Kopf und weiß nicht, was ich richtig und was falsch gemacht habe. Vorher z.B. hab ich in der Rundfunkanstalt fast eine Stunde lang auf dem Sofa geschlafen. Sowas verpeiltes.

Off the Job

Es liegt aber auch daran, dass ich die Nächte zurzeit wieder massiv zur Erbauung nutze und das sich in der Abwesenheit von Schlaf niederschlägt. Ich weiß gar nicht, wo anfangen mit dem, was sich gestern nach 20 Uhr abgespielt hat. Vielleicht will ja auch nach den vielen Erzählungen von meinem letzten Wochenende keiner mehr was von den Konzerten lesen, die schon lange zu Ende sind. Also nur den Namen: Bernd Begemann. Also nur das Adjektiv: Unfassbar.

Aber dann die Sache mit Frau S. Frau S., deren am Samstag vermisste SMS am Dienstag früh dann doch noch kam und in der Bauchgegend landete, versprach ihr Erscheinen auf besagtem Konzert. Sie kam mit langhaarigem Menschen. Hatte Utensilien zur Herumschleuderei absichtsvoll brennender Textilien an Ketten dabei. Ich weiß nicht wie man sowas nennt, wie diese Jongleure mit brennenden Keulen halt, nur ohne Jonglieren und ohne Keulen. Sieht sehr nach Braveheart-Film aus (wie übrigens auch der Langhaarige). Frau S. schleudert Utensilien an Ketten. Auf dem Feierwerk-Fest tun sowas viele.

Frau S. macht dann so Sachen. Verbrennt sich z.B. die Flossen an dem Ding. Ich steh blöd rum, weiß nicht wie mit wem worüber reden. Freund K. kommt ab und zu und macht unsubtile Bemerkungen. Leute kommen, stehen kurz, gehen, drehen Runden übers Feierwerk-Gelände, kommen wieder. Ich bleibe einfach stehen.

Frei von Emotion, oder wahlweise wegen zuviel davon auf den Boden getackert, irgendwann meine Entscheidung, in den ebenfalls zum Feierwerk gehörigen Club Orangehouse zu gehen, laute Musik hören und tanzen. Otto und noch ein paar Leute mit, guter Sound für die Bauchgegend, wo heute früh noch die elektronische Botschaft drinsteckte. Frau S., inzwischen mit zwei langhaarigen Feuerschleuderern, kam nicht. Nach eins dann doch. Mit dem ersten Langhaar.

Tanzen bis drei. Fühlte sich alles gut an, das tat es übrigens, um das vorwegzunehmen, bis zum Schluss. Viertel nach drei forderte Frau S., als der wohlige DJ sein Werk beendete, noch mehr. "Party in der Westendstraße? Die Nachbarn habens mal wieder verdient." Letztlich zogen nicht die etwa sechs darob von Frau S. angesprochenen Menschen, sondern lediglich Langhaar, Frau S., Otto und ich zu ihrer Wohnung.

Kleines Zwischenspiel. Ich hab mich in Frau S. ein bißchen verliebt, als wir mal auf einer lauten Abendveranstaltung auf dem Sofa nebeneinander saßen, über einen Monat her. Ich kannte sie vom Sehen und mal Reden und wegen des einprägsamen Namens. Sie sah gut aus und fühlte sich gut an, auf dem Sofa, von der Seite ihrer Hüfte her. Sie lag mehr auf dem Sofa, als dass sie saß, und in mir entsprang der Wunsch, meine Hand auf ihren Bauch zu legen. Das habe ich bis heute nicht getan. Aber das ist das Gefühl, was mich zu ihr hinzieht.

Mit Überlegen, ich weiß, kommt man Gefühlen nicht auf den Grund. Aber ich versuche, herauszufinden, ob ich richtig in sie verliebt bin oder nur am meisten von den ganzen Teilverliebtheiten, die mich in den letzten Wochen und Monaten so beschleichen und sich dann wieder bald verdrücken. In dieser Ansammlung von Halbunddreiviertelgefühlen hat sie einen der oberen Plätze.

Auf dem Weg zur Wohnung von Frau S. wurde es irgendwie absurd. Zum Beispiel die Sache mit den neben den Bahngleisen herumhoppelnden Hasen, von denen sie prompt erzählte, es seien ihre Lieblingstiere, und gleich nannte sie alle aufgerichtet gehenden Zweibeiner, die sie grade an- oder besprach, "Hase". Sie entschuldigte sich für ihre Unordnung, aber ich hatte nichts anderes erwartet. Auf dem Teppich sitzend und alle fünf Minuten neue Musik herbeiwühlend, brachte sie Harzklumpen mit wüsten Namen zum Rauchen.
"Opoponax ist wie die Myrrhe ein Balsambaumgewächs. Das harte, dunkelrote bis braune Harz verströmt ein prächtiges, bitter-süßes Aroma, das sich sogar dann entfaltet, wenn das Harz nicht erhitzt wird."
Und Weihrauch, der mich an langweilige Kirchensonntagvormittage erinnnerte.

Es roch am Anfang wie Plastik. Langhaar, der Ästhet, drückte mit dem kleinen Finger den Korken in die Weißweinflasche. Alles war so vollkommen außerhalb des Wünschbaren. Wir saßen am Boden und tranken warmen Weißwein. Ich war am Ende meiner Kräfte. Das dunkelblaue Stück Himmel, das aus ihrem Fenster über dem Dach des gegenüberliegenden Hauses schien, wurde in unfühlbaren Graden heller. Ihr Fensterrahmen wurde hellblau beleuchtet von irgendwas. Auf diesem Teppich hatte ich das Gefühl, dass ich auf einem der untersten Enden meiner Seele sitze. Die Abwesenheit begreifbarer inhaltlicher Ordnung, Substanz, Struktur, Erkennbarkeit in Zimmer und Lebensentwurf, deren Protagonistin ich aber aus ebenso unbegreiflichem Grund mochte, war beklemmend. Nur der Himmel im Fenster war da, und versicherte mir, nicht zu träumen.

Tausend erzähl- und sichtbare Details können nicht ein Gefühl beschreiben, munkelten Otto und ich uns auf dem müden Heimweg zu. Das Lachen über das - in seinen Details sehr kuriose - Erlebte ging mir schwer aus dem Hals raus, weil ich ja grade an einem Ende meiner Seele gesessen hatte. Otto fand es wohl lustiger als ich, war auch besser so. Heim zu Hardy und schlafen. Fest vorgenommen, möglichst viel davon in dieses Tagebuch zu schreiben. Done. Erst mal raus hier. Bis später.


24.07.2002 00:00
du bist so dumm wie ein stück brot _ weizenmehl typ 405
mich weckt kein telefon auf.
heute ist es das gewissen. es muss ja auch mal was vom tag erlebt werden, denk ich mir beiläufig und gehe laufen. laufen am morgen ist beschissen. ich renn so los und merke nach zehn minuten, dass ich gar noch nicht wach bin. jedenfalls noch nicht richtig. wieder daheim ist man so fertig, dass man direkt wieder schlafen gehen müsste.
tue ich aber nicht.

im briefkasten ist der anschlag von sandi.
"hallo säm!
wir würden dich herzlich einladen, ... die diesjährige jury zu bilden."
das ist doch mal was. hauptdarstellerinnen bieten heisse liebe und regisseure einladungen auf ihre yachten vor cannes an.
und zum schluss gewinnt der film, den flo gedreht hat. weil ich drin mitspiele. ideal!
ich werde aber morgen erst zurückrufen. damit das nicht so "HEEEYYYYYYY! wie geil ist das denn?" aussieht, sondern ein kleines bisschen professioneller kommt.

kann mir mal jemand was erklären? in einer tüte mit ganzen kaffeebohnen ist doch zwischen den bohnen luft oder wenigstens platz. warum passiert es dann, wenn ich den kaffee im supermarkt mahle, dass nachdem erst dreiviertel der bohnen gemahlen sind, die tüte schon voll ist?
das war wie in einem durchschnittlichen didi hallervorden-film (also denen weit hinter "didi, der doppelgänger"). ich stehe so da, oben quillt das pulver raus und alle schauen zu. ich krieg die ladung auf die hose (natürlich cord, wo das noch geiler drin hängen bleibt) und hab einen riesigen haufen kaffeepulver, der noch aus der maschine kommt. ich hab das dann unauffällig hinter und neben die maschine gekippt, was alle beobachteten, weil sie eh gerade her schauten, weil ja zusätzlich wegen dem rütteln der maschine alle kaffeetüten im regal auf den boden gefallen sind...

ich gehe in den plattenladen und treffe isolde und linkshänder. linkshänder, der eigentlich matthias heisst, lädt mich zu seiner wohnungseinweihungsparty am samstag ein, was neben suzie rock /tough guys tragedy-konzert und falks russland-feier die dritte party ist, die ich für samstag zusage.

ich kaufe mir die das solo-album vom moldy peaches-sänger adam green.
und eine selbstgebrannte und -herausgebrachte cd von den zofen aus regensburg.
von denen werde noch alle hören. denn "du bist so dumm, wie ein stück brot - weizenmehl typ 405" ist eine hymne, vor der sich alles, was bisher zum tanzen brachte, verstecken muss.
ich freu mich schon auf die gesichter, der menschen, denen ich das bald vorspiele.

babs kommt wieder vorbei und schaut sich eine html-seite auf meinem windows-rechner an. sie fragt mich sachen zum betriebssystem, von denen ich noch nie gehört habe. wieder überspiele ich unwissenheit und finde die datei, die sie sucht eher zufällig.

immer, wenn ich wegen meiner unfähigkeit, mich um grundlegende sachen zu kümmern, in verzwickten situationen bin, kommt mir martina zu hilfe. sie sagt mir, wo ich eine auslandskrankenversicherung für italien her bekomme und wo ich kostenlose rechtsberatung in meiner auto-anfahr-200euro-geschichte kriege.
ausserdem hat dani sie angerufen, weil sie das tagebuch hier gelesen hat. jetzt will martina wissen, wie ich das und das meine. ich sage, dass das gar nicht so gemeint ist und ich nur übertreibe.

...und denke mir insgeheim, dass das ja bis jetzt eh nur lügen waren, die ich hier verbreite. und auch weiterhin welche sein werden. leben vorspielen halt. hey, ihr glaubt doch nicht wirklich...

ich muss trotz urlaub in die arbeit. morgen soll ein werbespot für eine brillenfirma gedreht werden. und weil ich für die gleiche firma letztes jahr schon einen spot gedreht habe, der irgendwie auch preise gewonnen hat, soll ich das auch heuer wieder machen.
ich überfliege das storyboard und sage, dass wir das schon hinkriegen. überhöre gleichzeitig alle "aber", "erschwerend kommt noch dazu" und "ich glaube, wir haben morgen keinen monitor mit draussen".

alex ruft an und will mich ins open air kino einladen. kurz darauf ruft sie wieder an, weil der film nicht läuft. irgendein telefonanschluss ist besetzt, was beweist, dass irgendwer noch zuhause ist, was beweist, dass der film nicht läuft.
ich sage "schade".
sie sagt "du bist unflexibel."

statt ins kino zu gehen, schauen wir die von mir empfohlenen simpsons-folgen "lisa´s substitute" (episode 7F19), "the war of the simpsons" (episode 7F20) und den film "grasgeflüster" auf dvd an.

als ich nach hause komme, blinkt mein anrufbeantworter. jemand hat gleich wieder aufgelegt. ich höre mir die eineinhalb sekunden-passage zirka zehn mal an. nicht, um rauszufinden, wer das denn sei, sondern, um das lied, dass im hintergrund läuft, zu erkennen. ich kriegs nicht hin.

lied des tages: natürlich "du bist so dumm, wie ein stück brot - weitenmehl typ 405" von den zofen.


25.07.2002 00:00
honk, if you´re horny-klingel versus nichts bereuen-plakat
genau. das telefon. um 8uhr 15. ich gehe ran.
"hallo. ist da mathias wagner?"
"ja"
"haben sie zufällig letzte woche dem d.a.k. einen 2000 euro-scheck zugeschickt?"
"bitte?"
"wir haben einen scheck über 2000 euro von mathias wagner bekommen."
"is´nicht wahr?"
"doch! ich telefoniere gerade alle ab. ist die handynummer im telefonbuch auch ihre?"
"nee!"
"okay. dann schönen tag noch."
"ja. viel glück!"

der postbote klingelt als nächster aus dem schlaf. aber nur einmal. als ich dann endlich die hose an habe, fährt er schon wieder weg. das päckchen hat die nachbarin, von der ich es völlig verschlafen abhole.

wieder laufen. unglaublich. ich zieh das echt durch.

ich treffe mich in der stadt mit alex. wir wollen zur fundsachen-versteigerung. ich brauche eine neues fahrrad, nachdem mein altes vor zwei monaten geklaut wurde.
bei der versteigerung stehen auch zwei ganz anständige rum. alex notiert die nummern und ich schreibe ihr auf, wieviel sie dafür bieten soll, weil ich irgendwann wieder weg muss.
nach zwanzig minuten in dem stickigen saal unter 400 leuten geht uns aber die luft aus. wir verschwinden ohne rad.

ich muss arbeiten. einen werbespot für eine brillenfirma drehen, die hauptsponsor für den lokalen fussballverein ist. die fussballer haben
a) keine zeit
b) keine manieren
und c) kein hirn.
sie rennen vor der kamera rum, wie kleine kinder und machen sämtliche fehler erst dreimal, bevor sie sie erkennen, dann aber wieder machen.

nach zweieinhalb stunden haben wir die
wichtigsten bilder für einen spot. eigentlich sollten es heute aber drei werden. wir fahren zurück in den sender.

alex ruft an. sie will mich heute ins open air kino einladen. "tanguy" läuft.

ich fahre auf dem heimweg beim fahrrad-geschäft vorbei, weil donnerstag immer gebraucht-fahrräder verkauft werden. es stehen ungefähr 20 rum, die ich kurz überfliege, bevor ich ein altes herrenrad sehe. völlig schlicht. die alte farbe ist dunkelrot überlackiert worden. es hat eine drei-gangschaltung und chrom-schutzbleche. kein logo des herstellers ist drauf zu finden.
ich versuche es noch kurz mit vernunft und schau mir wenigstens das schicke rennrad (99 euro) daneben an und kaufe das herrenrad für 25 euro, ohne es probegefahren zu haben. der verkäufer fragt mich noch, ob ich es denn nicht erst einmal fahren will, als ich völlig unterqualifiert verspreche: "ich schau mir das mal daheim an und bessere die kleinen fehler einfach aus."
ich bin sicher, dass das rad gut ist.

daheim steige ich aufs neue rad und fahre in richtung stadt. weil ich viel zu pünktlich bin, probiere ich das rad noch über randsteine, kopfsteinpflaster und rote ampeln aus. alles sitzt und passt.
als alex mir zu fuss entgegen kommt, schrei ich "honk, if you´re horny!" und die neue klingel spuckt einen undefinierbaren blechernen ton aus.
"was soll das? das schiff zum open air kino müsste doch da sein. und ausserdem ist mein rad ab."
"rad ab?"
alex vorderrad hat sich selbständig gemacht und lehnt jetzt samt rest-rad an einer apotheke.
sie setzt sich auf meinen gepäckträger und singt frühe george michael-lieder, während wir durch die stadt fahren.
wir reparieren ihr mountain-bike notdürftig und fahren zu mir. holen das auto und bewegen uns so zum open air kino. also wieder kein schiff.
als wir ankommen, fängt es zu regnen an.
weil alex oft im kino arbeitet bekommen wir kostenlos zu essen und zu trinken. da ausser uns aber nur zehn leute da sind, wird die vorführung abgesagt.

wir fahren in die videothek und leihen uns "nichts bereuen" und "der krieger und die kaiserin" aus.
auf dem heimweg fällt ihr auf, dass in ihrer schule noch licht ist. irgendeine klasse feiert eine party, was so scheinbar nicht üblich ist, da sie ja unbeaufstichtigt und keine lehrer und und und... alex führt mich durch die aula und ich bekomme den innenhof gezeigt. überall sind besoffene teenager, die zu üblen techno tanzen und zu "how you remind me" von dieser einen ami-band mitgrölen.
wir gehen wieder zu mir und schauen "nichts bereuen".
ist scheinbar alex lieblingsfilm. jedenfalls könnte sie stundenlang erzählen, was sie von den charakteren, der stimmung, dem film und dem leben überhaupt hält.
sie muss morgen früh raus und deshalb schauen wir den zweiten film auch nicht mehr an.
ich finde "nichts bereuen" sehr gut. wunderschöner film möchte ich sogar sagen.
alex ist neidisch drauf, dass an meiner tür seit monaten ein "nichts bereuen"-plakat klebt. in ihrer ersten eigene wohnung soll so eins übern bett hängen, sagt sie.

lied des tages: kings of convenience - "winning a battle, losing the war"

26.07.2002 00:00
heute nehm ich jegliche verantwortung für die krise in der automobil-branche auf mich
oli ruft heute an, um mich zu wecken.
"hey säm, fahren wir heute zum chewy-konzert nach münchen? thomas und ralf kommen auch mit."
"ja, bin dabei."
"super, du müsstest auch fahren."
"wieso, ich bin doch schon..."
"ja, aber thomas hat kein auto. ralf hat keins und meins ist in der werkstatt."
immer mehr fällt mir in den letzten monaten auf, dass leute kein auto mehr haben. hab ja ich eins.
klassiker auch bei flo und madlén.
er fährt seins kaputt. sie verkauft ihren praktischen mittelklassewagen und behält einen sündteueren sportschlitten. in dem nur zwei sitzplätze sind.
deshalb bildet man von nun an solche sätze:
"säm, fahren wir zur burg nach...? wann holst du uns ab? du weisst ja, wir haben nur platz für zwei."

am nachmittag hab ich einen termin bei dem typen, dem ich vor zwei wochen hinten drauf gefahren bin. ich steck die 200 euro in die tasche. aber so:
hundert hinten links. 50 hinten rechts. und 50 vorne links.
so kann ich handeln und behaupten, ich hätte nicht mehr.
falk kommt mit. er kennt sich mit autos genauso wenig aus, wie ich.
der "geschädigte" zeigt mir den angeblich von mir verursachten schaden an seinem auto. ich mache wichtig mit dem meterstab rum und komme zu dem schluss, dass der schaden nie und nimmer vom mir kommen kann. ich bin, wenn überhaupt, hinten frontal drauf. er hat aber eine delle an der seite und einen riss über der stossstange im lack. ich geb ihm gar nichts und fahre wieder heim.
im auto schimpfen falk und ich rum. jedoch nicht ohne zuzugeben, das wir überhaupt keine ahnung haben. aber übers ohr hauen, das das geht nun gar nicht. soll doch die versicherung jemanden schicken und ich dafür im nächsten jahr das doppelte an gebühren drauf zahlen. aber hallo!
falk scannt bei mir jugendbilder von sich ein, während ich mir zu essen mache.
wir verabreden uns wage für später in der innenstadt.
ich sage die fahrt zum chewy-konzert mit schlechtem gewissen ab. weiss aber, dass es richtig ist. ich weiss ,was sätze wie "marc hat uns noch im atomic auf die gästeliste gesetzt." für den fahrer bedeuten können (vgl. samstag, 20.7.).

nachdem bei phillip nur die mailbox dran geht und madlén nicht zurück ruft, fahre ich mit dem neuen fahrrad entschlossen, was zu erleben alleine in die stadt.
solche abende gehen dann meisstens so aus, dass ich ein bier in einer kneipe trinke und niemanden treffe. danach raus laufe und durch die stadt spaziere, ohne wieder jemanden zu treffen, wo durch ich mich alleine fühle und wieder heim gehe. nicht gut, also.
heute schreit mir jemand nach. viel zu spät bemerke ich thomas, der gerade aus dem café kommt und heim läuft. ich biete geschickt meine begleitung an und komme mit.
bei thomas trinken wir tee. er spielt mir lieder vor, die er mit seiner band sonny jim mal covern will.
wir gehen zu kristina. finden ihre wohnung, sie und eine freundin und sitzen in der altbauküche.
machen dort, was man an freitag abend eben so in altbauwohnungen macht. trinken dazu eistee und besänftigen plötzlich auftretenden hunger mit tiefkühlbaguettes.
irgendwann sind wir ziemlich dizzy im kopf und laufen in die nacht. landen da (nur noch zu dritt) in der alten filmbühne.
wir bestellen sekt (wann trinke ich schon mal sekt?) und treffen leute.
in meiner dizzyness komme ich mir aber nicht so passend vor. kann keinem gespräch folgen und mich keinem anschliessen. versuche brocken aufzufangen und die zu verarbeiten. was aber nicht so hinhaut.
kristina geht es ähnlich. thomas ist ein charmeur und kommt sogar mit dem umstand zurecht.
ich halte meine klappe und bleibe bis halb drei.

lied des tages : kajak - "komplizierter"


27.07.2002 00:00
sowas wie heute meinen tocotronic, wenn sie singen
ich bekomme heute sachen gesagt/geschrieben:

"du bist der hit!" (alex)
"du bist unglaublich!" (polli)
"du bist ja immer noch da!" (andrea)
"du bist die ärmste sau!" (clemens)

aber ansonsten ist der tag kein renner vor dem herrn. warum? ich denke zuviel!

ich fahre nach dem aufstehen mit dem neuen rad in die stadt. hole kontoauszüge und schaue in den laden, von dem thomas erzählt hat, es gäbe da billige klamotten. ich finde aber in dem designerzeugs nichts, was mir trotz niedrigen preis billig erscheint. ausserdem sind die sachen nicht wirklich schön.
auf dem bismarckplatz springt plötzlich ein mädchen auf, rennt los und ich denke mir so nebenbei, wenn die denn jetzt gesehen hat, als ich sehe, dass sie in meine richtung kommt und andrea ist, die ich seit einem knappen jahr nicht mehr getroffen habe, weil sie jetzt in amerika wohnt.
wir umarmen uns stürmisch und lange, was passanten zu "oh"- und "ah"-rufen bewegt.
andrea ging vor einem knappen jahr in die usa, um dort zu studieren. wir unterhalten uns über die zeit und die dinge, die wir darin gemacht haben.
reden über bekannte und was die machen und ich darf miterleben, dass sie zwar fliessend und ständig deutsch spricht (sie ist amerikanerin, verbrachte ihre komplette jugend aber in deutschland), aber mit ihrer freundin judy in englisch streitet. soll woll so sein, damit ich nichts mitkriege. wenn die wüsste...

auf dem weiteren radlweg durch die stadt kommt mir alles sehr gewohnt und aber trotzdem fremd vor. ich mache mir gedanken drüber, dass ich sehr bald ein paar lösungen für mein leben suchen muss. was? wie? und mit wem? mit wem nicht? alles wirkt ziemlich eingefahren auf dem weg in eine sackgasse.
warum wache ich nicht früh auf und bin glücklich? mache ich mir gedanken, wenn ich lieber geniessen sollte? was kommt? wie kann das weitergehen?
das kotzt mich an.

wieder zuhause fang ich an, das beige gt-info zu schreiben. aber eher so in dem stil:
ein satz. 15 minuten markieren und kursiv machen. anschauen, wie er denn in der schriftart aussieht und wieder ein halbsatz. denn dann auch wieder verändern und verwerfen.

alex ruft an und sagt, ihr sei fad. ich verspreche ihr, in eineinhalb stunden vorbei zu kommen, damit wir zum suzie roch /tough guys tragedy-konzert gehen können.
das treibt mich an. weil ich heute so viel vor hatte und das auch schaffen will, krieg ich einen haufen arbeit weg. ich verschicke pittiplatsch3000-t-shirts, schreibe überfällige emails und spüle ab.

alex ist noch nicht fertig und will erst noch essen. ich erkläre ihr, dass ich sie schon so gut kenne, dass ich sage "ich komme um sieben!", wenn ich meine "lass uns gegen acht weggehen".

wir hören bernd begemann und gehen los.

beim konzert im freien ist nicht soviel los. die dazugehörige preisverleihung einer fussballmeisterschaft ist langweilig.
alex verschwindet in die filmbühne und ich treffe flo, madlén und falk.
andrea und judy kommen dazu. wir überlegen gerade, wo wir noch hingehen könnten, als alex zusammen mit thomas, nora und oli vor mir stehen und meinen, wir gehen jetzt zur party vom linkshänder (aka matthias).
ich stecke etwas in der zwisckmühle angesichts der tatsache, dass ich jetzt eine gruppe stehen lassen muss. ich lasse alex und co. ziehen und bleibe bei flo und dem rest. die aber sagen mir, das ich schon gehen kann. kennen mich. ich fahre mit dem rad los und komme ungefähr eine halbe stunde vor alex bei der party an.

ich unterhalte mich mit gästen und trinke ein bier. sitze in der küche und höre alex, nora, thomas und oli reden. werde ab und an was kurioses gefragt ("wie ging nochmal die werbemelodie von..." oder "wie hiess der mit der brille in der und der 80er jahre fernsehsendung?") und bleibe sonst irgendwie fünftes rad am wagen.
vielleicht habe ich auch nur das gefühl. bei meiner laune ist alles drin.
deshalb entscheide ich mich sehr früh zu gehen.

nachts wache ich mehrmals auf, weil ich sehr schlecht träume. normalerweise kann ich mich an träume nicht erinnern. heute aber schon, weil ich nach dem aufwachen zuerst fest glaube, dass sie wahr sind. komisch.

lied des tages: adam green - "her father and her"


28.07.2002 00:00
heute schau ich mal, was meine kirchensteuer macht
kaum schlaf und trotzdem ich wache doch noch dem wecker auf (nachdem ich die nacht über ca. 10 mal wach wurde).

sonntag. heim zu meinen eltern.
sonntag. braten.
sonntag. nach dem braten sofort wieder ins bett.

da bleibe ich nicht lange und setze mich aufs sofa. wenig später in den gartenstuhl und lese zeitung.

wie soll ich über einen tag schreiben, an dem gar nichts war?

da ich mit dem tag gar nichts vor habe, beschliesse ich in die kirche zu gehen. hier auf dem dorf ist das immer so, dass messen für tode gezahlt werden. man gibt da so 5 euro oder mehr oder weniger und bekommt dafür einen eintrag in den pfarrbrief, dass die kirche an dem und dem tag, der bestimmten (toten) person gewidmet wird. die kirche verdient daran geld. die verstobenen wohl erinnerung und respekt.
heute ist die messe für meine oma.
meine schwester kommt mit ihrem freund auch mit.
ich hab diese kirche seit ungefähr acht bis zehn jahren nicht mehr von innen gesehen. und es hat sich nichts verändert. der gleiche altar. der gleiche wandschmuck. der gleiche pfarrer. die gleichen leute. nur weniger.
in meinem alter ist, glaub ich niemand da. hauptsächlich kinder (die wahrscheinlich bald zur kommunion kommen) und ältere, die schon immer da waren.
ich glaube, dass die kirche in grossstädten gar nicht mehr funktioniert. auf dem dorf noch, weils ja da nur wenige leute gibt und es auffiele, wenn mal jemand nicht mehr kommt. da wird dann gleich getuschelt oder so.

weil mein vater morgen geburtstag hat, gehen wir essen. beim betreten des lokals stubst mich meine schwester an und grinst: "da ist christine!". als ich mal 16 war, hab ich mit der viel unternommen. ich gebe sogar zu, dass ich auch in sie verliebt war.
jedenfalls wurde das nie was und unsere wege trennten sich, nachdem jeder von uns ein eigenes auto hatte und wir nicht mehr auf ihre grosse schwester angewiesen waren. sehr zum bedauern meiner eltern. die nämlich hätten uns gerne als paar gesehen. wohl auch deshalb, weil christines vater stellvertretender landrat war.
jetzt sehen wir uns mal zufällig irgendwo beim einkaufen oder so, quatschen zwei minuten und gehen wieder weiter.
das jetzt meine komplette familie anwesend ist, findet meine schwester lustig, weil sie sich peinlichkeiten meinerseits erhofft. zu denen kommt es aber nicht, weil ich zu christine gehe, mit ihr sogar fünf minuten rede und mich wieder zurück zu meinen eltern an den tisch setze, ganz bewusst, dass ich unter ständiger beobachtung stand. kein peinlicher satz. kein seitenhieb meines vaters oder meienr schwester.
wir essen cordon bleus und bratwürste, unterhalten uns über firmenpleiten und die chance ein bisschen reicher zu werden, wenn die usa den irak angreift, weil mein vater und ich geld in gold angelegt haben. tolle aussichten für einen pazifisten, wie mich.

ch schaue die neue und sehr lustige talkshow mit annemie hülchrath und die fundierte infoshow zu den 80er jahren im wdr. bei "zimmer frei" schlaf ich ein. ich weiss nicht, wann ich zum letzten mal schon vor mitternacht geschlafen habe.

lied des tages: shoplifters of the world" von the smiths

29.07.2002 00:00
heute kommt das mit dem schiff zum kino endlich zur sprache
ich steh früh um neun auf. hirnrissig, denke ich so nebenbei und bin mir trotzdem bewusst, dass sachen getan werden wollen. die to do-liste im kopf blinkt sofort nach dem ersten augenaufschlag böse blendend auf.
so will ich also zur werkstatt, weil irgendein reifen schlägt. dort schickt man mich weiter und gibt mir einen termin um zwei. weiter zur bank, um versicherungssachen zu klären und geld einzuzahlen (soll auch mal vorkommen, aber die bierzeltmillionen waren noch immer in der kleinen kasse in meinem kofferraum). danach zur anderen bank. dort eine auslandskrankenversicherung abgeschlossen (wer macht sowas ausser mir?) und als bankverbindung die direkte konkurrenz angegeben.
weiter nach hause ans telefon, um die eigene krankenversicherung angerufen.
"auslandskrankenschein? den haben wir ihnen gemeinsam mit dem reisepaket für versicherte zugeschickt!"
"haben sie nicht!"
im hinterkopf die vielen briefe der krankenversicherung, die ich einfach so weg werfe, weils meisstens eh nur zusatzdinger sind, die ich zusätzlich abschliessen sollte.
martina ruft mich an und weiss das. sie wünscht mir schönen urlaub und ich vergesse sie zu fragen, wann sie denn eigentlich weg fährt. selfishness, oh du mein zweiter vorname.

ich gratuliere meinem vater offiziell zum geburtstag.
gehe dann raus und steige über eine leiter auf einen baum, um äpfel zu pflücken. wir haben einen ziemlich grossen garten mit vielen obstbäumen. meine übung, die ich im beruf beim klettern auf leitern, um scheinwerfer einzustellen, erlernt habe, dient mir.
ich pflücke einen riesigen eimer voll äpfel und gelange geschickt an verstecktestes obst im baum.
ich bringe den grossteil des inhalts meiner oma. die macht daraus kompott und mich zur sau.
"hast du noch immer keine freundin?"
"nee, der zug ist abgefahren."
"das glaub ich schön langsam auch. schau dich doch an, wie alt du bist. da ist keine mehr übrig."
oh, ich liebe das dorfleben und die dazugehörige einfachkeit des denkens.

ich fahre zur werkstatt und lasse mir die reifen kontrollieren. bemerke dann selber, dass der hintere reifen eine delle hat. eine delle! der reifen!
jedenfalls soll ich irgendwo dagegen gefahren sein und deshalb ist das jetzt so. ich brauche einen oder, wie das bei reifen immer so ist, zwei neue.
um die zu bekommen fahr ich ins nachbardorf, esse ein eis und zahle schweinisch viel geld für die billigsten neuen reifen.

jetzt fährt das auto dafür wieder ohne irgendwelche wackler.
also zurück nach regensburg.
ich tippe sachen in den computer (das beige gt-info dümpelt immer noch vor sich hin. egal, haben mir ja auch noch nicht die daten dazu geschickt) und dusche.
esse schaschlik und fahre zu alex.
wir wollen ins open air kino und heute fährt schliesslich auch das schiff dahin.
das sieht so aus: an der steinernen brücke, direkt in der innenstadt legt ein passagierschiff in richtung osthafen ab, wo das open air kino stattfindet.
man fährt damit durch brücken und sieht leute am ufer liegen. links dann hafenkräne und rechts natur. alex sagt, ich solle nach rechts schauen, wie schön das ist. ich sehe nur bäume und sage, dass ich links interessanter finde.
ich sage "links ist jungsseite, rechts ist für mädchen."

ich wohne seit fünf jahen in regensburg und fahre zum ersten mal mit dem schiff hier rum, obwohl die donau direkt vor der haustür ist...
im kino kennt alex wieder alle mitarbeiter und organisiert calamari (esse ich zum ersten mal), steaksemmel und bier für umsonst.
es läuft "snatch". den film hab ich schon zwei mal gesehen und finde ihn langweilig. billiger abklatsch von guy ritchies erstlingskinofilm "lock, stock and two smoking barrels".
wir sitzen ganz hinten und können quatschen, ohne jemanden zu stören. alex erklärt mir, was sich an ihr in den letzten zwei monaten verändert hat, was ich bemerkt habe, aber bisher noch nicht in worte fassen konnte. auf ihre frage, was ich davon halte, sage ich "nicht positiv", was aber einfach daran liegt, dass ich nicht weiss, was "negativ" ist.

wolfi von beige gt erzählt mir, dass das info nicht so eilt. ich hab also noch zeit und verschiebe das schreiben schon wieder nach hinten. kurz vorher war ich mir noch sicher, dass ich das bis zum italienurlaub fertig haben will.

alex bekommt einen riesigen leberkäs geschenkt. morgen hat sie kollegstufenfeier. und sie bringt den mit. hat den warmen leberkäs in alufolie und einen blauen müllsack gehüllt.
auf dem heimweg auf dem deck des schiffes schläft sie ein und ihr kopf fällt immer nach vorne, was sie mit schnellen zucken in die gegenrichtung quittiert. der leberkäs wärmt ihren rücken.
nach dem anlegen wird ihr der leberkäs zu schwer und ich nehme ihn an mich. wir spazieren noch unter die steinerne brücke und setzen uns ans wasser. reden über unsere kindheit am wasser und dass wir beide schon mal reingefallen sind. sie ins eis. ich ins hochwasser.
ich nehme den leberkäs auf meinen gepäckträger und wir fahren heim.

lied des tages: the weakerthans - "watermark"

30.07.2002 00:00
Weg
Der Fahrradkurier klingelt und klingt an der Türsprechanlage gut und jung und nett. Dann kommt ein dicklicher Mann mit Fastglatze, irgend einem hufeisenförmig blau auf weiß surfthematisch bedruckten T-Shirt und einem normalen Studentenrucksack hoch, schnell und schwer atmend, mit seinen bestimmt mittedreißig. Ich bin vom Gesamteindruck enttäuscht und muss ihm auch noch die Adresse auf einen Zettel schreiben, obwohl das Nachrichtenmagazin ihn doch zum Zeug abholen geschickt hat. Die Welt unterscheidet sich manchmal mitutenschnell von sich selber, manchmal schafft sie es auch noch schneller.

Gretschmann anrufen. Wenn Stars auf dem Anrufbeantworter sind, ist das schon komisch. Ich hatte ihm völlig aussichtslos für eine Geschichte im Nachrichtenmagazin nachtelefoniert, und gestern hatte er mir in echt auf den Anrufbeantworter zurück gequatscht, zweimal. Mir war das fast peinlich, dass ich ihn in diesem Zusammenhang angerufen hatte, ich hab echt Ehrfurcht vor meinen Helden. Aber vielleicht mag er jetzt noch einen Satz sagen. Eine absurde Dame am schneller als deutsch klingelnden spanischsprachigen Telefon in 0034-Land nahm meine erneute Botschaft an Herrn G. entgegen und ich hoffe.

Die einzige Lösung hinsichtlich der Couch-Platte ist, sie nochmal zu hören. Sie steht für den ersten Tag seit Tagen, der nicht von dummem Stress zerfurcht wird, der sich emotional niederschlägt, obwohl man die Arbeit ja mit dem Kopf macht. Sonne scheint am Fenster vorbei wie ein Capri-Eis, schönes gefülltes Nichtstun um Elfuhrdrei, Elfuhrfünf. Zwischen zwei Minuten kann sich die Welt auch mal überhaupt nicht ändern. Wenn ich mir nicht vergegenwärtige, den Tag noch vor mir zu haben, dann hab ich ihn unter Umständen tatsächlich.

Was sich dreht: Couch - "etwas benutzen"

Was fehlt: Gewissheit, bißchen

Was da ist: Ich bin ein ganz normaler Tag, ich bin so wie ein leeres Blatt. Ich bin genauso viel wie wenig.

29.07.2002 00:00
Anstalt
Vielleicht muss der Sommer mich ab nächster Woche retten, wo ich weit weg von dieser Buchstabenwelt bin. Ein Dreiwochenurlaub ohne Buchstaben wäre vielleicht eine Lösung. Ich mag sie ja so gerne, aber sie strecken mich grade fast vollends nieder. Schreiben abends geht kaum mehr, wenn man es den ganzen Tag und die ganze Nacht vorher getan hat.

Aber ein gutes Gefühl, den ganzen Montag lang, den Boden unter den Füßen wiederhergestellt, so kleine Sachen: nicht innerlich die Kritik noch zehnmalhoch vergrößert, als sie kam, in einem Moment das richtige gesagt und gemacht, die Mitte zwischen oben und unten gefunden, plötzlich, ohne sie gesucht zu haben.

Mein Leben findet dieser Tage innerlich wie äußerlich zu einem großen Teil in dieser Rundfunkanstalt statt. Die ist gerade ein semantisch und zeitlich sehr wichtiger Abschnitt. Die ist echt gut, ich spüre das, und ich will das genau so wie sie. Das ist komisch. Verlust: Eine große Handvoll Draußen, jeden Tag. Im August werde ich das weitestgehend kompensieren, mit den Dreiunddreißig durch Slowenien, worauf ich mich grade erst so vage und abstrakt freue. Aber die sind auch gut, und deswegen wird das schon werden. Freund der Kontrolle, der ich bin, verliere und gewinne ich zurzeit gleichzeitig welche.

Was da ist: Ein gutes Werk

Was fehlt: Den Blick entlang aus dem 16. Hochhausfensterstock wandern zu können, in echt und mit den Füßen

Was sich dreht: Schleifmaschinen, um die Güte von Parkett- und Laminatböden zu kategorifizieren. Nach genauen Vorgaben werden auf ein Probestück rotierende Schleifmaschinen draufgesetzt, und die Zahl der Umdrehungen, die sie brauchen, um bis zum Boden der Nutzschicht zu gelangen, sagen Bescheid, wie hart der Boden ist, auf dem man steht.

28.07.2002 00:00
Sonnendeck
Die Wohnung meiner Freundin M. hat noch jeden überzeugt. Den Mietpreis nennen die beiden immer erst später, und in welcher trübsinnigen Gegend der Stadt man sich befindet, hat man vergessen, sobald man schnaufend im fünften Stock angekommen ist. Dort ist man dann besoffen von der Aussicht und dem Licht und den hohen weißen Wänden und der Dachschräge. Und dass alles hier so hell ist. Die Menschen und die Gespräche und die Terrasse und und.

Ich finde das wohltuend, kein Student mehr zu sein und mich nicht mehr unheimlich heimlich als Teil eines lernenden Apparats fühlen zu müssen, der sich pflichbewusst selbst vergisst und sich dabei eigentlich die meiste Zeit selber wegschmeißt. Parties studentischer Prägung hielt ich noch nie aus. Vielleicht liegt das an meinem Freund K., der immer jede Situation, in der er ist, lauthals in die Welt hinausbrüllt und sie zur Ewigunvergänglichzubewahrenden erklärt. Das hat er mit diversen Stationen unseres gemeinsamen Studierens getan. Jetzt ist wohl auch er froh, dass das vorbei ist. Das Studieren wenigstens.

Studenten saßen keine an der langen, weiß mit Stofftischdecken gehüteten Tafel. Meine Freundin M. ist in einem Zwischenstadium, das nicht nur sie selber manchmal ins Grübeln bringt. In wenigen Jahren ist sie nach außen hin von einer links-öko-bewegten Tazleserin zu einer mittelstands-anstrebenden-teakholzterassenmöbelbesitzenden Tazleserin geworden. Das sagen ihr und mir viele Leute halb vorwurfsvoll, weil sie nicht den Konflikt kennen, den sie darüber selbst innerlich austobt. Ich weiß dann immer nicht, ob ich auch Teakholzmöbel und eine Terrasse und andere subtile Wohlstandsanzeichen brauche oder ob man über sowas am besten gar nicht nachdenkt, wenns einen erwischt, dann ist es eben da. Aber ein Teil ihres äußeren Wohlstands (den vielleicht auch nur ich so erkenne, mit Geld oder Protzerei jedenfalls hat er nichtsnichtsnichts zu tun) kommt von innen, von ihr, und das ist sehr gut und beneidenswert. Erwachsensein ist gut. Äußeres. Wegen der Routine, und der Gelassenheit, und der Achtung vor sich selber.

Wenn ich einen Tag so erlebt habe, ohne dabei viel drüber nachzudenken, dann kann ich ihn auch nicht anders aufschreiben. Auf einer Sonnenterrasse unter Menschen zu sitzen, die auf eine bestimmte Art so sind wie ich und auf eine bestimmte Art nicht (kleines bißchen außenerfolgreicher, Schuhgeschmack zumindest individueller), ist unsubtil angenehm. Ich trank kalten Kaffeeschaum in einem sich unsubtil angenehm anfühlenden Glas. Das Glas, und dass diesbezüglicher Geschmack eine Form billigen Luxus' ist, der meine Dingwelt noch verbessern könnte, war eine der Haupterkenntnisse.

Auf dem Weg zum geordneten Bildungsbürger, wieder zuhause, gab ich zunächst meinen weit gehend ungelesenen Büchern im Bildungsbürgerregal eine ansprechende äußere Form (staubfrei und aufrecht). Schon die beiden Worte in der Klammer klingen wie Stoiberland. Argh. Dabei habe ich mich gut gefühlt, als sie nach Stunden so dastanden und der restliche Wohnarbeitsschlafraum auch. Nachdenken über Form und Inhalt förderte vor einiger Zeit den wutigen Gedanken hervor, dass die meisten Leute eben diese beiden Dinge verwechseln. Ich hoffe, ich komme drum rum.

Was sich dreht: Fischerspooner sei ihr "irgendwie zu hart", sagte die ansonsten sehr sympathische Verlagsbuchhänderauszubildende, in die ich (natürlich) vor ein paar Monaten mal ein bißchen verliebt gewesen war. Ich nahm die Platte wieder aus dem Spielgerät.

Was da ist: Ein orangefarbener Putzlumpen, der sich anfühlt und aussieht wie ein Fensterleder. Das haben die doch mit Absicht gemacht.

Was fehlt: Getanes Tagwerk, besonders nachts.

27.07.2002 00:00
Nitschewo
Lang schlafen, Musik hören. Spex lesen. Ein Samstag, wie er sein sollte, und wie man ihn sich niemals absichtsvoll vornehmen würde, weil man da ja stattdessen soviele Sachen erledigen kann, die man dann eh dem Spexlesen oder Internethopsen bereitwillig opfert.

Faszinosum kontextabhängigen Musikkonsums. Anstatt die Spex-CD ganz durchrotieren zu lassen und nebenher eh was anderes zu tun, immer die Artikel und die Songs in Beziehung zueinander gesetzt und, echt jetzt, viel verstanden.

Abends dann das Fest meines kleinen Bruders, er hat sein Diplom fertiggemacht, es ihn ein wenig auch. Am einen Tisch, lustig, die Studenten. Am anderen Tisch, lustiger: die Nichtstudenten, die mein kleiner Bruder von seiner Freizeittheatertruppe kennt. Darunter eine unglaubliche Person: Frau U., weiblich, 61 Jahre alt (so alt wie meine Mutter), sich beständig schminkend, Bewunderung für ihren Arsch und Busen einfordernd, über Sex in verschiedenen Deutlichkeitsstufen und Zuständen sprechend. Kenne sie schon länger, mögen uns.

Sie will grade ein Buch über ihr Leben schreiben, das sollte sie aber wirklich mal tun. "Die Doris, die hat immer meine Röcke getragen, wenn sie mir zu eng geworden sind. Und auf ihre Tochter Klara hab ich immer aufgepasst, die ist bei mir am Schreibtisch rumgeturnt. Und dann hat der Schröder immer bei mir angerufen, und wenn er vorbeigekommen ist, hat er die Sicherheitsbeamten drunten gelassen." Die Frau, von deren Pizza der spätere Bundeskanzler biss, muss man in echt erleben, weil man sowas noch nie in echt erlebt hat.

Was sich dreht: Die missratenen Nachbarskinder und ihre Freunde sangen erst Hans-Söllner-Lieder im Garten nebenan mit, und dann fußballgrölten sie. Unsere Familie besitzt leidet keinen Ghettoblaster, deswegen drehte sich: nichts.

Was da ist: Ein Anruf von Isi.

Was fehlt: Eine Verabredung mit ihr, die aber in diesen Tagen noch stattfinden muss, weil ich das will und sie ja auch.

26.07.2002 00:00
Würdelos
Um dreiviertel eins heimzukommen und kurz vor der Endstation dem Polizeirat mit der rosa Kelle aus dem Kurbelfenster raus zu sagen, auf die Frage, ob man heute abend schon was getrunken hat: "Ich komm grad von der Arbeit". Und dass das stimmt. Und um zehn abends nochmal in die Rundfunkanstalt gefahren zu sein, weil die Amis erst um vier Uhr nachmittags Ortszeit Zeit für ein Telefoninterview haben. Und den ganzen Tag mit dem Gefühl, zuviel auf einmal wollen zu müssen, in Räumen verbracht zu haben. Das ist alles weder wunschgemäß noch würdig noch wichtig. Deswegen muss ich keine solchen Tage haben, wenn mich jemand danach fragt, ob ich solche haben will.

Was sich dreht: Tonbandmaschinen, schlechte Gedanken, Reifen, Köpfe, blöder Selbsthass.

Was da ist: Zuviel.

Was fehlt: Genügend.

25.07.2002 00:00
Fragen, die blieben
Thesen.

> Denkbar, dass _jedes_ Leben ein gutes ist. Wenn man es annimmt und anstrebt. Und nicht ständig ein anderes will. Selbes ist gültig für Tagwerk, Wohnort, menschliche und andere Umgebung.

> Literatur nimmt Regalfunktion für eigene Gedanken an. Um sie nicht immer auf und ab schwimmen sehen zu müssen, sondern ihnen einen Wohnort zum Wohlfühlen zu geben.

> Failure ist the best way to learn. Aber darüber zu singen bedient genau jenen affirmativen Grundmechanismus denkender Menschheit, der sie ständig vor der Möglichkeit zum Fehlermachen schützen will.

> Äußere Zeichen geben einem nur dann Hinweise auf praktikable Verhaltensoptionen, wenn man sie anhand der eigenen Bedeutungsmatrix einsortiert. D.h., äußere Zeichen geben wir uns eigentlich selber.


Fragen.

> Sollte ich Tagebücher gedankenvoller oder gedankenloser schreiben? Beides hat was für sich, beides entbehrt sich aber dann jeweils auch gegenseitig.

> Sieht agf in echt so aus wie auf den Fotos und auf der Bühne? Trägt sie in echt gern weiß? Lacht sie meistens oder meistens nicht?

> Wie lange braucht ein Gedanke, bis vincent. ihn verwoben hat in eine Welt von ein paar hundert Buchstaben, zwischen die kein weiterer Faden passt und die man dann auf Anfrage gern Außerirdischen zukommen lassen würde, weil sie wirkt, als könnte man sie wortlos verstehen?

> Ist motorhorst wirklich haarig? Ich hatte das anders in Erinnerung.


This matters. This is no matter.

30.07.2002 00:00
arschbombenterror
ich stehe mal wieder so gegen mittag auf. gehe laufen, duschen und ans telefon, um verbündete im kampf um liegewiese, sonnencreme und köpfler von der holzinsel zu rekrutieren. will an den see fahren, aber keiner kommt mit. flo will sein terrarium verkaufen, julia antwortet nicht auf die sms und ist "temporalily not available".
dann eben nicht. so steige ich aufs rad und vergesse die sonnencreme. steige aufs rad und vergesse die sonnenbrille. steige wieder aufs rad und fahre erst mal zum adac. dort lasse ich mir die reiseroute für den italienurlaub ausdrucken und bekomme auf vorzeigen meiner mitgliedskarte eine ganze mappe mit karten, tipps und do und donots für italien.
lege mich damit auf die freibadliegewiese und versuche mautgebühren und fahrtstrecken auseinanderzuhalten.
springe ins wasser und schwimme so ca. 10 kilometer (also drei oder vier bahnen).
dabei ist im freibad zu beachten:
anders als beim zu fuss gehen, erwartet einem hier die gefahr nicht nur von vorne, hinten, links und rechts, sondern auch von oben (arschbomben von übergewichtigen schulklassenfieslingen) und unten (tauchversuche von denen, die nicht springen, weil sie beim sprungturm vom schulklassenfiesling immer ins wasser geschubst werden).
das erfordert viel aufmerksamkeit, die ich lieber auf der liegewiese dem weiblichen geschlecht entgegen bringe. natürlich nicht mit komplimenten oder pralinés (die sowieso schmelzen würden), sondern mit ungenierten nachstarren, weil die sonnenbrille so toll meine augen versteckt...

so treffe ich noch phillip und zeige ihm stolz meine top-adac-ausrüstung und wie geil das alles geplant ist.
fahre heim und kaufe noch fleisch, baguettes und bier zum grillen.
komme so gegen 20 uhr bei flo an und wir versuchen falk dazu zu überreden, auch zu kommen. der zieht morgen früh für drei monate nach russland. weil er aber seit mittag immer das argument "ich hab noch nicht ausprobiert, ob meine tasche zu geht, wenn ich das alles rein packe." bringt, erwarten wir ihn nicht mehr. stattdessen spielen flo und madlén talkshow für mich. erzählen lauthals intime beziehungs- und bettdetails, während ich kichernd fleisch grille und müde werde.
um zehn ruft andrea an, die noch weggehen will. madlén und ich wollen auch und fahren in die stadt.
treffen uns auf einem platz und reden weiter über kram. gehen in die nächste kneipe und reden immer noch (ich halte heute überraschenderweise mal grösstenteils meinen mund). den mädchen ist es zu heiss in der kneipe, also gehen wir in die nächste. ich schlafe inzwischen fast ein und lausche weiterhin weniger bett-, aber mehr beziehungsgeschichten.
jaja, beziehungsgeschichen. statt mal selber eine zu haben, erlebe ich die anderen dabei. heute melden sich zwei freunde bei mir. beide wollen beim haldern open air in meinem zelt schlafen. bei beiden spielen frauen eine rolle für die zuflucht in "säm´s einsame-herzen-auffangbecken". ich sage zu und denke drüber nach, was ich denn ausstrahle.

lied des tages: oasis - "slide away"


31.07.2002 00:00
Ready to start
Fertig, um wieder von vorne loszufangen. Habe heute letzte Instruktionen und Trainings erhalten, um das zu tun, was ich morgen zum ersten Mal tun werde: Radiomoderieren. Freue mich sehr, und gleichzeitig gingen heute beim Ausprobieren so ein paar dämliche Sachen in die Hose, dass das sicher kein reines Vergnügen wird. Ich hab schon bißchen Sorge, dass ich das nicht schaff. War aufgeregt. Bin es morgen sicher noch tausendmal mehr.

Und dann ist heute die Geschichte fürs Nachrichtenmagazin endlich fertig geworden, und irgendwie klang das alles heute so gut wie schon lange nicht mehr. Alles hat sich gefügt, was vorher auseinander war. Wenn man so lang an sowas langem arbeitet, fließen einem manchmal manche Gedanken und Bausteine aus dem Ruder, und das hat mich manchmal schwer genervt. Ich hoffe, das wird schön.

So viele Sachen, die ich mir auf Zettel schreibe, immer in diesen Tagen, bevor ich wegfahre. "Krankenkasse" und "Künstlersozialkasse" und "Uhr reparieren lassen" und "Scanner zur Reparatur bringen" und "Friseur". Ich denke aber, anders als sonst, beim Andielistedenken zurzeit oft an die schlaue Geschichte von Sven Lager, den einen kleinen Satz (naja, es waren drei): "es spielt keine rolle, was man vorhat. jede ablenkung ist ein hinweis auf das wesentliche, jede zerstreuung ein wink mit dem zaunpfahl. das leben ist mächtiger als jeder versuch." So großartig hab ich das noch nirgendwo gelesen oder gehört oder gedacht. Jetzt frag ich mich und meinen Zettel, ob es wirklich einen Unterschied macht, ob ich mit ausgefüllten Krankenkassenrückerstattungsanträgen oder repariertem Scanner oder ohne alles das meine drei Wochen lang rucksackwegfahre.

Und dann nochmal Sven: auch die Geschichte über das ungewollt gewollte Verlieben in der Kunstausstellung ist grandios. Ich würde sie gern wieder und wieder lesen. Und vielleicht Sven auf seine eigene Anfrage hin den Vorschlag machen, über diesen einen Abend oder sogar diesen einen langen Moment sein Buch zu schreiben, dessen äußere Handlung er uns mit bestimmen lässt. Ich kann mir nichts Besseres vorstellen.

Was sich dreht: "Hey Freaks", Tocotronic (ich glaube, das ist mein Song und meine Platte des Jahres)

Was da ist: Schwüle Kleidung

Was fehlt: Ruhe vor dem Sturm

31.07.2002 00:00
schnell ins bett
der tag heute muss schnell erzählt sein. ich werde in ein paar stunden aufstehen und nach italien fahren. la spezia und ein paar dörfer weiter, bis ich einen zeltplatz habe. mit alex.
im auto befinden sich schon:
grill, campingstuhl und fackeln.
der rest leigt hier verstreut rum und muss noch schnell verpackt werden.

heute früh hab ich aufgeräumt und war dann mit babs und flo am see. war kuzrz im wasser und hab mehrere musikzeitungen gelesen.
von einem befreundeten musiker kam eine email mit einer mp3, die wohl bisher nur ich haben dürfte. und wahrscheinlich zig anderen, die auch versprechen mussten dass sie das nicht weitergeben. ist ein heissen ding. sozusagen der erste song der für ein album aufgenommen wurde, was wahrscheinlich leben retten wird.

nach dem see noch zum bau- und in den supermarkt. sachen für den urlaub gekauft und dann zu madlén in die arbeit.
jetzt hier. schnell was esssen und packen. gleich ins bett.
gute nacht. kurze nacht. gute woche.
ich werde nächsten mittwoch wieder hier sein. in italien werde ich vollständig ohne internet auskommen. nächste woche trage ich aber was nach. bis dann.

lied des tages: die mp3, die ich bekam


01.08.2002 00:00
Immer
Die alte Scheiße. Was (schon wieder zitiere ich ihn) Sven zum Motorhorst gesagt hat, damals, in der Zeit davor, das mit dem nachts im Bett die Wand anschauen, das ging mir auch mal so, mit meiner Freundin Isi. Seit über einem Jahr sind wir auseinander, und irgendwie doch noch Anziehungskraft, wir beide. Neulich schreibe und denke ich: Wir müssen uns noch treffen, bevor ich wegfahre. Dachte es bis grade eben. Jetzt hat sie keine Zeit. Jetzt will sie keine Zeit haben. Jetzt will sie mir einen Vormittagstermin anbieten, auf den ich keine Lust habe und keine Zeit. Jetzt fühle ich mich genau so wie beim tausendsten Blick gegen die Wand: Zuviel gegeben, zu weit hinüber gelehnt, einen Schritt zuviel auf sie zu gemacht, und zum tausendsten Mal auf eine dämliche, kleine, nichtige Art abgeblitzt, verloren, verausgabt für nix. Das geht mit zuverlässiger Ironie eigentlich immer dann so, wenn ich ihr Gefühle genug entgegen gebracht habe, dass das Nein weh tut. Ich weiß, dass alles subjektiv ist. Ich weiß, Menschen können einfach mal keine Zeit haben, wann sie das eben wollen. Ich weiß, und ich habe so viel über mich selber gelernt und eingesehen. Aber immer wenn dieser kleine verzweifelte Mechanismus mich wieder einmal nach Monaten an die Wand wirft, dann hasse ich ihn. Und mich. Und sie.

Was sich dreht: eels, "Beautiful Freak"

Was da ist: Bißchen Erfolg, bißchen Bier im Kopf, viel Müd.

Was fehlt: Ob sie, weiß ich nicht. Was sonst, weiß ich auch nicht.

03.08.2002 00:00
Raus
Überstürzte Abreise: Ich muss weg. Rucksack tausendmal einundauspacken. Sachenvergessenunddochnochdrandenken. Ruhe ruft. Flug flieht. Ich bleibe irgendwie hier. Machs gut, Tagebuch, machts gut, ihr. War schön. To be continued - was mich angeht. Bis bald.

Was sich dreht: Busreifen südostwärts. Farben zum Abschied.

Was da ist: Fernweh

Was fehlt: Die Wirklichkeit

07.08.2002 00:00
amis sind feiglinge!!! und international pony müssen gut sein.
seit zwei stunden bin ich wieder in meiner wohnung. hab das auto ausgeräumt (die sachen, die ich brauche) und habe drin trümmer hinterlassen (die sachen, die ich nicht so schnell brauche, also noch wochen drin lagern). habe pizza bestellt. und mir gedanken gemacht, was denn die nächsten tage so bringen. vieles.

alex und ich waren jetzt seit donnerstag in italien. nach einer langen hinfahrt (unterbrochen vom, wie der name schon sagt, brechen) waren wir in levanto. das ist im gebiet cinque terre. da hats ziemlich viele felsen und klippen. aber auch strand. an so einem waren wir meisstens.
ich hab endlich mal wieder das meer gesehen. bin drin geschwommen. bin drum herum gegangen (nicht komplett). und habs mir vor allem angesehen.
schön wars.
wir waren in genua und haben uns ganz touristisch gegeben (waren in einem aquarium, welches sich als das grösste europas ausgegeben hat. mit haien und delphinen. also wir waren nicht im aquarium, sondern davor. das ginge ja sonst gar nicht). dann haben wir den zug verpasst oder er kam nicht, was wir nicht so genau feststellen konnten. zickten dann beide rum und trugen unsere schwere kiste mit lebensmittel halt zwei bahnsteige weiter zum nächsten zug (weil ich so toll getragen habe, durfte ich auch in alex angeblich schweinischen buch lesen, welches sich dann doch als gar nicht so versaut rausgestellt hat. ich fand nach langem blättern nur eine stelle, in der sowas wie "nimmst du ihn auch in den mund?" vorkam).
dann waren wir mal wandern. sind die komplette cinque terre (->im atlas nach schauen) in sieben stunden abgelaufen. sahen nach jeder kurve einen neuen schönen ausblick, der sich nach der nächsten kurve schon wieder als hinfällig entpuppt hat.
wir liefen auch den weg, der gesperrt war. den man nicht betreten sollte. an dessem ende war ein eisentor mit stacheldraht. alex und ich kletterten drum herum. über hunderte (oder so) meter abgrund. und die amis, die von der anderen seite kamen hatten schiss und trauten sich das nicht.

alex hat sich auch ständig drüber aufgeregt, dass ich nicht glücklich genug schaue. ich versuchte das nach jedem ermahnen zu ändern, was aber genau in diesen zeitpunkten noch schwerer war. hm, war doch froh, aber muss ich dann ständig grinsen, wenn ich wo bin, um meine ruhe zu haben? guess not!
sie hat gesagt, dass ich doch froh sein soll. ich wäre in italien. es scheint die sonne. da wäre das meer. und neben mir ein wundervolles mädchen.
ich hab genossen. mit weit offenen augen. aber gegrinst hab ich dann doch nicht immer.

gestern früh fing es dann nach tagen mit 33 grad an zu regnen. ich lief im halbschlaf nach draussen und holte die handtücher von der wäscheleine. schlief dann wieder ein und wurde mal kurz von alex geweckt, die meinte, hier wäre alles nass. ich war sauer. mein spitzenzelt. nass? nie im leben!
als ich dann wieder ein, zwei stunden später aufwachte, war alex nicht mehr neben mir. ich kroch aus dem schlafsack raus und wollte schauen, wo´s denn nass sei. stieg dann in sowas wie ein wasserbett. unter dem zelt war wasser. nicht im zelt. aber überall.
ich machte den reissverschluss zum vorzelt auf und sah einen rest unseres hab und guts in einer riesigen pfütze (ital.: lago) schwimmen. der zeltplatz lag unter wasser.
aber: mein zelt war innen trocken. sag ichs doch.
ich hab alex im auto gefunden. hab den rest unseres zeltinventars ebenfalls dort hin gebracht und bin los.
wir fuhren nach jesolo.
wieder auf einen campingplatz. alex und ich waren pulverfässer ready to explode. beide gereizt und hungrig. irgendwie schafften wir dann doch den kilometerlangen fussmarsch und den weg in die fähre. dann in eine andere (weil wir dann doch schon zu früh ausgestiegen sind) und raus.
wir waren in venedig. assen dort zu abend (nach tagelangem salami-weissbrot-overkill) nudeln und lasagne plus wasser für schlappe 50 mark.
gingen dann diese ganze romantische tour ab. nahmen fotoapparate von pärchen, die sich von uns fotographieren lassen wollten.
spät nachts gings dann mit dem schiff zurück. wieder ins auto und durch eine unbequeme-liegepositions-nacht.

hm. das war er also. der urlaub. was? kanns nicht gewesen sein? natürlich nicht. zwischen den ganzen dingen sassen wir noch am strand. alex füllte mich mit wein ab. wir schmissen steine (beide)und leere weinflachen (ich) ins meer. schwammen tagsüber abwechselnd im wasser, während der oder die andere auf die sachen (u.a. die schwere super 8 kamera, mit der wir uns filmten) aufpassen musste. lasen bücher. alex lernte mir italienisch (cazzo heisst schwanz. fragola erdbeere. und chiuso heisst geschlossen und wird mit "k" ausgesprochen) und ich ihr, das man ortsnamen immer mit grossbuchstaben vorne schreibt.
wir sagten schlaue und dumme sachen ("unsere beziehung ist eine ständig abwechselnde abhängigkeit voneinander.", "bin ich froh, dass wir kein paar mehr sind." oder "komm jetzt bestell das mal auf italienisch!" "okay, i´d like to have strawberry iceceam. and melona! s´il vouz plais!").

heute sind wir nach hause gefahren. haben uns die letzte woche oft gezofft, uns beim aussteigen aber trotzdem umarmt. wissend, dass es doch eine schöne zeit war. in italien.
alex hat im auto wieder die musik ausgesucht. als da waren abwechselnd: "she is love"- oasis, "with the family"- international pony feat. curtis icefield und bernd begemann mit "du wirst dich schämen für deinen ziegenbart" von bernd begemann.
die letzten paar kilometer ist sie sogar selber gefahren. obwohl sie seit monaten nicht mehr und seit einem jahr (seit sie den führerschein hat) kaum auto gefahren ist.

jetzt daheim fand ich ein päckchen vor der tür. ich hab mal jemadnen erzählt, dass ich die osbournes mag. auch dazu stehe. also diese mtv-serie. jetzt hat mir jemand (dessen namen ich jetzt mal nicht verrate, weil er sonst womöglich von anfragen überschüttet wird) ein paket mit der kompletten staffel auf video, allen zugehörigen cds, einem riesigen plakat und zig buttons geschickt. wie geil ist das denn?
ich rufe alle an, die es nicht interessiet und erzähle ihnen das.
hre in dauerschleife "crazy train" von ozzy osbourne und schlafe womöglich gleich ein. vorher müssen aber noch telefonate darüber entscheiden, wie ich übermorgen nach haldern komme. und wer alles in meinem zelt schlafen will. und wer morgen hier schläft. und welche platten ich morgen spiele. wenn das tomte-konzert vorüber ist und ich die leute im club behalten soll. und wann ich denn mein auto ausräume. und überhaupt.
am montag fahre ich mal wieder zu meinen eltern. dienstag zu documenta. donnerstag bis sonntag zur popkomm. da will der neue pittiplatsch3000-sampler "pop you 2 (for those about to pop)" vorgestellt werden.
irgendann muss ich auch mal wieder arbeiten. und das neue pittiplatsch3000-heft soll auch mal geschrieben werden. alles alles alles.
gute nacht.



07.08.2002 00:00
Epilog
Am 7. August endet dieses Tagebuch, in das ich 20 Tage lang hineingeschrieben habe. Über meine Dingwelt, meine Gefühlsausflüge, meine Besuche im Zirkus der Freundschaft, meine Arbeit.
Ahnungen kann es nicht geben, und wenn es sie gibt, sind sie so, dass man sie nicht aussprechen und nicht aufschreiben kann. Deswegen ist alles, was folgt, eine Lüge. Die nachträhliche Vorspiegelung einer Vorahnung, die Rekonstruktion einer vorausgreifenden Idee von der Zukunft. Der Epilog auf 20 Tage Ausschnitt aus meiner Welt, in denen - in meiner Erinnerung an die Zeilen und ihre vielen Zwischenräume - scheinbar nichts passierte.

Am 8. August werde ich auf der am 3. August zuhause in Hektik begonnenen Pfadfinderreise sein, werde ruhig erwachen in einem schwarzen Zelt, auf einem Gleitschirmflieger-Landeplatz in einem Gebirgstal in Slowenien. Ich werde mich in einem kalten blauen Fluss waschen. Ich werde zum ersten Mal auf dieser Reise das ganz bestimmte weiße Fahrtenhemd anziehen, weil ich den Eindruck haben werde, dass diese Fahrt heute zum ersten Mal richtig beginnt.

Am 9. August werde ich auf einem Pfadfinderlager sein, das 700 Menschen an demselben blauen Fluss, eine Handvoll Kilometer stromabwärts, zusammenführt. Es wird dort schlammig und regnerisch und brüllend heiß zugleich sein, und ich werde das Gefühl haben, dass ich hier von allem zuviel und zuwenig gleichzeitig habe: zuviel und zuwenig Ordnung, zuviel und zuwenig Komfort, zuviel und zuwenig Essen. Ich werde meiner Freundin und Kollegin Maja aus dem Internet-Zelt eine E-Mail schreiben. Aus dem Zeltfenster werde ich die Berge sehen können, zwischen denen ich drei Tage lang herumgelaufen bin.

Am 11. August werde ich, zu drei Vierteln meines Daseins betrunken, um vier Uhr morgens aufstehen und im strömenden Regen mit einer Karawane regenponchoverkleideter Rucksackschildkröten zu einem Bus laufen. Der Bus wird mich und 32 weitere Menschen und noch viel mehr andere Menschen vom Pfadfinderlager zu einem Zug bringen, in dem ich um 6.18 Uhr losfahre in eine andere, hoffentlich sonnigere Welt. In die ich schlafend fahre und nach dem Schlaf feststelle, dass es auch dort regnet. Noch die nächsten drei Tage.

Am 15. August werde ich so viel Fußweg am Stück zurücklegen wie noch nie: 31 Kilometer Bergtour an einem einzigen Tag. Erst als ich am Abend, nach über zwölf Stunden, meine Schuhe ausziehe, tun die Füße weh. Ich werde an diesem Abend Lärm und seine Verursacher hassen und meine Mitmenschen zum ersten Mal richtig nervig finden. Ich werde zu wenig gesalzenen Reis essen und keine Dankbarkeit spüren.

Am 19. August werde ich erst um zwei Uhr morgens schlafen können: unter freiem Himmel an der kroatischen Adria. Ich werde Mücken mögen, Sterne sehen und bereits vorweg ahnen, dass dieser Platz, an dem ich schlafe, irgendwie falsch ist: verlottert, asslig und von allen außer mir überschätzt. Der Besitzer des Etablissements, ein gebräunter, goldkettchenfarbener Gigolo mit stündlich wechselndem Seidenhemd, wird uns später übers Ohr hauen, klar. Ich werde wissen, dass ich froh sein werde, hier bald wieder weg zu sein.

Am 22. August werde ich mit einstündiger Verspätung in einem klimatisierten Bus aus dem heißen Rijeka losfahren. Ich werde mir auf der Heimreise den Rotzfilm "Fair Game" mit Alec Baldwin und Cindy Crawford anschauen. Ich werde den Geruch der regionalen Billigfleischwurst endgültig hassen. Ich werde schlafen und meine Tankstelle im Norden von München verpassen, an der mich der Busfahrer rauslassen sollte.

Am 23. August wird mich um 11 Uhr morgens meine Freundin Kathrin am Telefon wecken und mir erzählen, dass unsere gemeinsame Freundin Maja, von der ich am 9. August in einer Antwortmail zum letzten Mal etwas gehört habe, bei einem Verkehrsunfall gestorben ist.

Am 23. August wird mein persönliches Tagebuch enden - mit Schweigen. Das, was bereits da ist und das, was noch kommt, ist mit Worten nicht mehr zu erzählen. Nur noch zu erahnen. Es wird das kommen, was man nicht beschreiben und aufschreiben kann. Wenn ich in den kommenden Tagen versuchen werde, es auszusprechen, werde ich oft große Scheiße reden. Ich werde mich hassen, für Dinge, die ich sage, und ich werde dafür manche Dinge lieben, die ich fühle. Ich werde später wieder versuchen, Innen- und Außenwelt in zusammenzuführen. Vielleicht mit Worten. Aber das klingt im Moment wie die zweitbeste Lösung. Offene Straße. Halbvoller Tank. Abendsonne und Sturmwarnung. Ich fürchte mich ein wenig vor dem Stehenbleiben.