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Filme des Jahres 2007 im Popblog


Die Filme des Jahres im Popblog 2007, siehe auch hier

Version von Christian_alternakid :: 17.05.2015

7.0 7.7
1. Ex Drummer (2007)
Es gab in diesem Jahr keinen Film, der mehr polarisierte. Ex Drummer war nihilistisch, Ekel erregend, widerlich, Zelluloid gewordener White Trash. Und doch war er das wildeste, aufregendste, arschkickendste was dieses Jahr ins Kino kam. Keine einzige Figur in Ex Drummer ist auch nur annähernd sympathisch, die nach einem Skandal-Roman von Herman Brusselmans erzählte Geschichte ist ein einziger ignoranter, misanthropischer Dreck und selbst die zahlreichen Lacher bleiben einem im Halse stecken. Und doch war dieser filmische Elendstourismus aus Belgien die besten 90 Minuten des Jahres. Ex Drummer ist wie die berühmte Ekel-Toilettensequenz aus Trainspotting auf 90 Minuten aufgeblasen. Mit mehr Drogen. Mehr Gewalt. Mehr Sex. Zum Austesten der eigenen Grenzen, was noch machbar und erduldbar ist, eignet sich Ex Drummer wie kein anderer Film dieses Jahr. Auf filmischer Ebene ist die visuelle Brillanz und Sicherheit mit der Koen Mortier seinen Debütfilm vorstellt, schlicht atemberaubend: von der rückwärts gedrehten Einführungssequenz bis zum kopfüber gefilmten Frauenschläger-Monolog gibt es viele Szenen in Ex Drummer, die man so noch nie gesehen hatte. Ex Drummer ist das filmische Äquivalent zu einem Mathias Faldbakken Roman: er stößt dich ab wie er dich zugleich unwiderstehlich anzieht.
6.0 8.0
2. The Tracey Fragments (2007)
Leider hat dieser wunderbare Film bis heute keinen offiziellen Aufführtermin in Deutschland gefunden und lief lediglich in der Panorama-Reihe der Berlinale, ist aber so gut, dass er sich dennoch einen Platz in der Jahresfilmliste verdient. Zwei Punkte erheben „The Tracey Fragments“ über die eigentlich gewöhnliche coming-of-age-Geschichte, die Regisseur Bruce McDonald vom Nervenzusammenbruch der 15jährigen Tracey Berkowitz erzählt: erstens sein Mut, unkonventionelle Bilder zu benutzen und beispielsweise mit dem Einsatz des Split-Screen-Verfahrens, das wir in der Serie „24“ lieb gewonnen haben, den Gemütszustand seiner Heldin zu spiegeln. Das Split-Screen-Verfahren wird hier nicht als technische Spielerei, als Gimmick missbraucht, sondern dient ökonomisch dem Fortgang der Erzählung. Wie er auch in Zeitebenen hin- und herspringt, will McDonald doch nur die Verwirrung und Irritation in seiner Hauptfigur visuell spiegeln. Der zweite – und womöglich noch wichtigere Punkt beim Gelingen dieses Films – ist die Hauptdarstellerin Ellen Page, die schlicht und einfach die beste darstellerische Leistung des Jahres abliefert. Es ist beinahe beängstigend wie gut Ellen Page mit ihren 20 Jahren bereits ist. Die beste Schauspielerin ihrer Generation? Aber sicher – man wüsste nicht wann diesseits von Samantha Morton eine junge Schauspielerin in den letzten 10 Jahren so begeistern konnte. Vor allem, wenn man ins Kalkül zieht, dass The Tracey Fragments kein „Ausreißer“ nach oben war, sondern Ellen Page mit „Hard Candy“, „An American Crime“ und „Juno“ bereits vier Filme in Folge ihre komplette Darstellerkollegen an die Wand spielt. Für letzteren ist sie nun tatsächlich auch für einen Oscar nominiert – auch wenn sie wahrscheinlich verlieren wird, ist es die überfällige Anerkennung für die beste Schauspielerin des Jahres.
7.3 9.0
3. Auf Anfang (2006)
Während das schwedische, dänische und – dank Kaurismäki – auch das finnische Kino sich bereits ohne Zweifel Rang und Namen in deutschen Arthouse-Kinos erspielt haben, ist der skandinavische Bruder Norwegen hierzulande selten aufgetreten. Im Rahmen einer gezielten Förderung des norwegischen Kinos bekam „Reprise“ des erst 33-jährigen Joachim Trier auch in Deutschland eine Plattform – und wie verdient hat es dieser Film! Er schlägt bereits mit Beginn der ersten Sequenzen ein unerhörtes Tempo an, spielt mit Zeit- wie Realitätsebenen, zeichnet Charaktere, die trotz aller Ambivalenz immer unsere Empathie fordern und veredelt all das mit einem herausragenden Soundtrack, enormen Esprit und einer gut erzählten Geschichte über die verzweifelte Suche nach einem Platz in der Welt nach der Adoleszenz.
7.0 7.0
4. Death Proof - Todsicher (2007)
Quentin Tarantinos größter Vorzug mag die unbändige Liebe zu seinem Kino sein. Selbst eine stilistische Fingerübung wie „Death Proof“, die sich gleichermaßen der Motive des 70er Jahre Slasher-Kinos wie der Car-Chase-Movies aus dem gleichen Jahrzehnt bedient, gelingt ihm dank der liebevollen, nie ironischen Herangehensweise so brillant, dass er selbst die Meisterwerke der zitierten Genres übertrifft. Denn neben der liebevollen und akkuraten Annäherung an die Originale kommt bei „Death Proof“ noch die Tarantino-Ingredienz hinzu: auch hier sind es wieder die brillant geschriebenen Dialoge, der Soundtrack, das hervorragende Timing und die Schauspielführung, die Death Proof weit über einen einfachen Epigonen-Status erheben.
7.5 7.0
5. Lady Vengeance (2005)
Vengeance“ drehte, konnte noch keiner ahnen, dass er mit „Oldboy“, dem Mittelteil seine Rachetrilogie, zum großartigsten Regisseur Asiens aufsteigen sollte. „Lady Vengeance“ ist nun der Abschluss dieser Trilogie und der bisher latent vorhandene Witz, Sarkasmus und Ironie brechen sich hier endgültig bahn. Im Kontext dieser wieder überlebensgroßen Rachegeschichte schlägt einen Park jedes Mal aufs Neue vor den Kopf, wenn man lächeln muss, obwohl es wahrlich nichts zu lachen gibt in dieser Geschichte. Visuell ist Lady Vengeance erneut eine absolute state-of-the-art-Produktion. In Verbindung mit dem optischen Irrwitz, den Chan-Wook Park bei seinem nächsten Film „I’m A Cyborg But That’s OK“ präsentiert, untermauert das die zur Oldboy-Zeit getroffene Vermutung: Chan-Wook Park ist der brillanteste Stilist der heutigen Filmwelt.
7.7 7.4
6. Zodiac - Die Spur des Killers (2007)
Panic Room, Fight Club, The Game, Sieben… wer zuletzt diese vier Filme gedreht hat, sieht sich bei seiner Rückkehr mit einem Erwartungsdruck konfrontiert, der kaum größer sein könnte. Doch David Fincher schüttelte all das wie auch den drohenden Sieben-Serienkiller-Schatten bei seinem Film über den realen Serienmörder „Zodiac“ ab und verweigerte sich zudem noch den gängigen Erwartungen. Zodiac war ein zweieinhalbstündiges Monster über die Ermittlungsarbeit und die Wirren des Polizeialltags – und eben gerade kein klassischer Serienkillerthriller. Dass Fincher sein Publikum trotzdem über die gesamte Zeit in höchster Anspannung hielt, zeigt nur ein weiteres Mal die Raffinesse und Brillanz dieses Regisseurs.
7.3 5.0
7. Sunshine (2007)
Trainspotting-Regisseur Danny Boyle gibt den Ikarus: geradewegs der Sonne entgegen. Sein visuell opulenter, für das eigentlich kleine Budget fantastisch aussehender Erstling im Science-Fiction-Genre ist gefährlich nahe an einer Überdosis Erstsemester-Philosophie, bleibt aber immer auf der richtigen Seite. Den Zuschauer erwartet – mit Ausnahme einer nicht ganz gelungenen Viertelstunde – kein Actionfilm oder Horrorverschnitt im Weltall, sondern eine ruhige, kontemplative Reise zur Sonne, die letzten Endes doch nur eine Reise zum eigenen Ich darstellt. Sunshine steht damit in einer Tradition von „2001“ bis „Solaris“.
7.5 7.5
8. Joe Strummer: The Future Is Unwritten (2007)
Julien Temple wird zum D.A. Pinnebacker Englands: nachdem er bereits mit „The Filth & The Fury“ vor sieben Jahren die womöglich beste Band-Dokumentation aller Zeiten drehte, kam er nun in diesem Jahr mit dem Doppelschlag „Glastonbury“ und „The Future Is Unwritten“ an. Wie bereits bei dem Sex Pistols Film „The Filth & The Fury“ widersteht Temple jedem Anreiz, eine sensationsheischende Kolportage über eine mythenumrankte Figur des Punkrocks zu drehen, sondern legt den Menschen hinter dem Musiker frei, das Gefühl hinter dem Mythos. Temple fängt den widersprüchlichen Charakter des The-Clash-Frontmanns dank beeindruckender Archivaufnahmen und einer reichen Riege an Weggefährten gekonnt ein und wer gegen Ende dieses Films nicht heimlich eine Träne über den viel zu frühen Abgang von Joe Strummer verdrückt ist kein Mensch.
8.0 8.0
9. Persepolis (2007)
Ein schwarzweißer Zeichentrickfilm über eine Jugend im Iran? Kann das knallen, kann das fetzen? Ja, es kann. Persepolis gelang etwas ganz wunderbares: ebenso zu unterhalten wie zu unterrichten und dabei keine Sekunde prätentiös oder aufgesetzt zu wirken. Die auf dem Comic von Marjane Satrapi beruhende Verfilmung war ein Meisterwerk des Humanismus, das in seinen kargen Bildern mehr über den Iran, Migration und das Außenseitertum erzählte als man zu träumen wagte.
6.2 6.0
10. Motel (2007)
Wie kaum ein anderes Genre erlebte die Horrorabteilung der Filmindustrie in den letzten Jahren eine neuerliche Blüte. Eine ganze handvoll junger Regisseure schickte sich an, die Gewaltschraube immer und immer weiter zu drehen und sich dabei– zumeist augenzwinkernd – vor den großen Vorbildern aus den 70ern zu verneigen. Der Ungar Nimrod Antal, dessen Erstlingsfilm „Kontrol“ schon zu Recht für einiges Aufsehen sorgte, verweist aber alle Eli Roth und Alexandre Ajas in die zweite Reihe. Mit „Motel“ legt er einen lupenreinen 70er Jahre Horrorfilm vor, der weder durch zu viel Blut noch zu viel Ironie belastet wurde. Das ewig gute Thema des Snuff-Films durchzieht auch „Motel“ und sorgt auch hier für die nötige Würze in einem Standardsetting: ein Paar nächtigt gezwungenermaßen in einem Motel und man verrät nicht zuviel, wenn man andeutet, dass ihr diese Nacht keinen Spaß machen wird. Das behämmerte Ende schenken wir dem Film, weil er 84 Minuten lang ohne Unterlass geliefert hat.


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