Neben Loves "Forever Changes" vielleicht die schönste Platte, die das Baroque-Pop-Movement je hervorgebracht hat. Jeden Januar dieser so deprmierenden Corona-Jahre mag ich hoffnungsvolll "This Will Be Our Year" auflegen und kein Song wird jemals bessere "Ahh! Ahh!"s haben als "Time Of The Season". Letzterer, einer der wirklich allerbesten Songs der ausgehenden 60er, hat einen besonderen Platz in meinem Herzen, weil er im heute völlig vergessenen und damals verrissenen dänischen Film "Dear Wendy" von Lars von Trier und dem jungen, unbekannten, nochnichtoscargewinner Thomas Vinterberg eine so zentrale Rolle einnahm.
Was will man sagen? Das verstörende Album für all die, denen das verstörende, gefloppte erste Velvets-Album zu Pop war?
Bei diesem zweiten VU-Album gilt wohl auch heute noch: schwierige Geschichte, Lou & John!
Andererseits: der Titelsong ist praktisch "The Modern Age" der Strokes und jedes Album, das mit einem Monster wie "Sister Ray" endet, gehört in die ewigen Hallen jeder Rocknrollgeschichte.
P.S.: zumindest wenn man dem ersten großen Re-Release der Velvets in den 80ern glauben mag, ist mit "Stephanie Says" auch der vielleicht schönste, berührendste und ewigste Folksong von Lou Reed aus genau der Zeit dieses kompromisslosesten Albums* - nur eben nie auf "White Light / White Heat" inkludiert worden. In meinem Herzen gehört "Stephanie Says" - "The people all call her Alaska / Between worlds" - dennoch in diese Zeit.
*ok, yes. Lous "Metal Machine Music", wer liebt es nicht ;/
Hat jemals eine Combo den Moment der "Closing Time" einer Kneipe und die Ewigkeit des Americana besser zusammengebracht?
"The Weight" als Jahrhundertsong bestimmt natürlich "The Big Pink", aber keine Frage: ohne dieses Album klänge die uramerikanische Musik des reichinstrumentierten, schunkeligen Country-Folk auf ewig anders. (klingt evtl. wie ein Diss, ist aber mit voller Hochachtung gemeint)
Das Geile an den 60ern ist, dass eine Band wie The Byrds, die gleichermaßen ausrechenbar (Dylan-Cover) wie revolutionär (Erfinder von Folk-Rock) war, sich 1968 denkt:
Ganz gut, unser "Notorious Byrds Brothers" Album und eventuell machen wir nächstes Jahr auch aus dessen "Wasn't Born To Follow" den Counter Culture Hit überhaupt (ffw "EasyRider"). Aber irgendwie: auch immer allles gleich.
Und dann läuft Gram Parsons über den Weg und macht IM GLEICHEN JAHR aus den Dylan-Epionen und Folk-Rock-Erfindern The Byrds eine völllig andere Band, die Gruppe zu den ewigen Gottvätern des Alt.Country und setzt diese immer unterschätzte Band noch ein weiteres Mal auf ewig in die Historie der amerikamischen Musik. Ohne "Sweetheart Of The Rodeo" keine Bright Eyes. Just sayin'.
So schnell wie Gram Parsons gekommen war, ging er aber auch wieder: nach erneutem bandinternem Streit (siehe auch den Eintrag zum "Notorious Byrds Brothers"-Album auf #15) wurde Parsons rausgeschmissen und gründete in der Folge mit Chris Hillman, seinem Supporter im Ringkampf um die Byrds-Vorherrschaft, die Flying Burrito Brothers (die wir in der Bestenliste für 1969 wiedersehen werden!).
Van Morrissons "Astral Weeks" ist nicht nur für ihn persönlich ein Meilenstein: nach seinen Anfängen mit Them als R&B-Coverband (siehe beispielsweise das hervorragende "It's All Over Now Baby Blue", #12/1966, vom "Them Again"-Album, #4/1966) und dem schunkeligen Blue-Eyed-Soul-Solo-Debüt "Brown Eyed Girl" (#39, 1967) nimmt der grummelige Ire mit "Astral Weeks" eine Platte auf, die so weit über seine bisherigen Veröffentlichungen hinausgeht, dass ihm ein richtig originäres Werk gelingt.
"Astral Weeks" verweigert sich Pop-Ideen, ist ausufernd und mäandernd, kommt nie wirklich auf den Punkt, sondern kreist von außen als Musik gewordener Stream Of Consciousness um seine Ideen.
Bei Veröffentlichung war "Astral Weeks" folgerichtig kommerziell nach dem Mega-Hit "Brown Eyed Girl" eine Enttäuschung, doch diese hier zum ersten Mal gehörte Mischung aus Van Morrissons R&B-Stimme mit folkiger Instrumentierung und strukturellen Jazz-Anklängen ist seitdem Stammgast in Listen der besten Alben aller Zeiten (#19 Rolling Stone, #3 Times, #10 Guardian, #68 NME, #2 Mojo , #3 Uncut).
Achtung, Ketzer-Warnung!
In der weit ausufernden Doppel-LP "White Album" steckt ein sehr gutes Single-Album mit starken Songs wie "Helter Skelter", "While My Guitar Gently Weeps" oder das Beach-Boys-Pastiche "Back In The USSR". Wer aber andererseits ernsthaft den Doppelschlag "Piggies" und "Rocky Racoon" verteidigen möchte oder "Ob-La-Di-Ob-La-Da" für gelungene cultural appropriation hält, werfe den ersten Stein auf mich.
Die Stärken des "White Albums" liegen auf der einen Seite in seinen folkig-verstörenden Liedern wie "Happiness Is A Warm Gun" oder "Sexy Sadie" und andererseits wie die Beatles in ihren lauten Songs beginnen, Blues-Rock-Einflüße einzubinden, die sich in ihren wilden Rocknroll-Songs der Anfangszeit noch nicht gefunden hatten. Hier ist natürlich "Yer Blues" zu nennen, aber vor allem eben das von McCartney als Antwort auf The Who geschriebene "Helter Skelter". Einer der ersten Hardrock-Song überhaupt.
Als ganzes Album überzeugt beim "White Album" vor allem die Produktion, die deutlich frischer ist als noch beim staubigen "Sgt Pepper", aber schlachtet mich: ich kann für dieses Album, das so sehr weiß, wie gut es ist, keine Liebe empfinden.
Francoise Hardys 1968er Album vereint neues Material mit Coverversionen von großen Werken wie unbekannteren Stücken.
Zu den bekannten Originalen zählen "Suzanne" (Leonard Cohen) und "Ou va la Chance" ("There But for Fortune", geschrieben von Phil Ochs für Joan Baez), aber mein liebster Francoise-Hardy-Track der Geschichte ist ihr Yé-Yé-Meisterwerk "Comment Te Dire Adieu", das 1966 ursprünglich ein heute vergessener Countrysong von Margaret Whiting war.
Mit dem von Serge Gainsbourg geschriebenen "L'Anamour" findet sich ein zweiter der All-Time-Hardy-Cuts auf diesem Album und sogar Hardys Ausflug in einen Swing-Band-Sound auf "Étonnez-moi Benoît...!" funktioniert erstaunlich gut.
Back to the Roots, Rolling Stones. Wobei: als Engländer entdecken sie hier wohl eher ihre Roots ganz neu für sich. Jedenfalls, ein Wasserscheiden-Album, das die Stones weg vom Beat bringt, for better or worse. Zwei ihrer allergrößten Songs (Sympathy & Street Fighting Man) finden sich auf diesem Album, aber "Sympathy For The Devil" gibt die Richtung vor, wohingegen "Street Fighting Man" stilistisch als Rückgriff erscheint.
P.S.: Mir als Ja,Panik-Fan sei angebracht: ich glaube, dass der Rolling Stones' "Dear Doctor" sich auch im 2021er Album der Gruppe Ja, Panik auf "The Cure" wiederfindet ("oh help me, please doctor" vs. "Doktor hilf mir, Doktor bitte. Doktor hilf mir, dass ich wieder rausgehen kann. Doktor please, ach Doktor bitte").
Das schöne Label "Outlaw Country" hängt um wenige Nacken besser als bei Townes van Zandt, der in den 70ern in einer Hütte ohne Elektrizität und Telefon hauste und seinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit Gigs in Dive Bars bestritt. Van Zandt steht dabei genauso nah am Folk wie am Country, spielt erstaunlich feinfühlig Gitarre und hat natürlich einen etwas düsteren Ausblick auf das Leben wie sein bester Song "Waiting Around To Die" ahnen lässt. Im nächsten Jahr wird Townes van Zandt auf seinem selbstbetitelten, dritten Album vier Songs dieses Debüts - den Titelsong, "Waiting Around To Die", "Quicksilver Daydreams Of Maria" und "I'll Be Here In The Morning" - noch einmal aufnehmen und damit sein größtes Album veröffentlichen, doch auch das etwas unrundere und rauher instrumentierte Debüt ist für sich genommen schon ein Folk-Klassiker.
Ein Irrtum der Musikgeschichte: nur weil Folsom Prison vor San Quentin war, gilt es auch als beseres Album. Stark die Idee, aber die (protopunkige, hasiladkinsche) Härte in San Quentin macht das dortige Gefängnis-Album natürlich NOCH größer. Aber dazu nächstes Jahr!
"Folsom Prison" ist als Idee trotzdem so unfassbar gut, dass es als Gutes unter Gleichen trotzdem jede Platzierung verdient.