Pete-Torrent: Lots and lots of songs.

25.04.2006 | 18 Kommentare | Christian_alternakid

Zu Beginn des Jahres verkündete Mr Doherty drei Meldung: 1. er wird im Januar in Graz einen Gig spielen (eh, naja, nicht ganz… hat zumindest ein bisschen gedauert), 2. er feiert eine Neujahrsparty mit Privatgig in seiner Wohnung, wer kommen möge, finde sich bitte an Stelle xy in London um Zeit z ein und bekommt dann einen schnitzeljagdesquen Zettel mit Wegweiser zu seiner Wohnung (hat stattgefunden, allerdings ein etwas unrühmliches Ende genommen als einer der anwesenden Gäste Peters Badewanne mit dem Klo „verwechselte“ und dort ein, wie sagt man so schön, großes Geschäft verrichtete) und 3. dass er einen neuen Laptop bräuchte und ob jemand wisse, wie man denn Sachen von einem Laptop ins Internet hochlade.

Punkt Nummer drei wurde mit etwas Verwunderung zur Kenntnis genommen, da ja in den vergangenen Jahren desöfteren Songs von ihm ins Internet gestellt wurden und man nicht wusste, warum das auf einmal ein Problem sei. Seit einer Woche weiß man, wo der Doherty begraben lag: es ging nicht um ein oder zwei Songs, eine Session oder einen Gig, nein, es geht um alles, was Pete überhaupt von seiner Musik gespeichert hat. Sage und schreibe mehr als vier Gigabyte an Datenmaterial, die nun dank der himmlischen Erfindung Bittorrent durch das Netz floaten.

Die erste Packung sind 1,5 GB von einem zerstörten Laptop, die anderen 2,6 GB offensichtlich von seinem aktuellen Computer. Freund und Fotograph Andrew Kendall (sehr hübsche Bilder, u.a. von einem Privatgig in Petes Wohnung gibt es bei Kendall unter „Sunday Night At Pete's“) nahm sich dem Ganzen an und entließ die 4 Gigabyte in Freiheit.

Der Pete-Torrent

Was ist nun auf den vier Gigabytes zu hören? Eine erste Bestandsaufnahme birgt einige Schätze:

- eine wahnsinnig großartige Akustik-Klavier-Version von „32nd Of December“ ,
- mit „General Smuts“ ist das fünfte und letzte fehlende Demo der Ruff Enuff Session ist dank Petes Laptop nun auch in der freien Welt. Die Ruff Enuff Sessions waren die allererste Demosession, die die Libertines - noch mit einem Drumcomputer anstelle von Gary - je aufgenommen haben. Im Gegensatz zu den anderen Songs der RE-Session (Time For Heroes, Boys In The Band, I Get Along) ist General Smuts allerdings nicht sonderlich hörenswert
- die Can’t Stand Me Now – b- Seite „Never Never“ (Hancock-Version) ist in dieser anderen Aufnahme mit einem gesampelten Lachen interessant und klingt noch mehr nach der ersten hälfte des letzten Jahrhunderts
- „The Delaney“ ist zwar auch in der b-seiten-Version überlegen, doch ist es eine Freude, Pete & Carl so wild durch die Gegend rumpeln zu hören und hat vor allem einen ganz, ganz wundervollen „Up The Bracket“-Style Schrei zu Beginn. Bin nicht nur einmal mit gestreckter Faust vor dem PC gesessen.
- eine Akustikversion aus den HQ Sessions Second Wave der Babyshambles des Libertines-eigenen „Don't Be Shy“ ist auch hörenswert und etwas weniger befremdlich schräg als die Albumversion.
- einige schöne Akustiksongs, die ineinander gespielt werden wie beispielsweise „Cyclops“ und „Dilly Boys“ (beides Can’t Stand Me Now – B-Seiten) oder „Lady Don't Fall Backwards“ (unreleased), das zu „Bollywood To Battersea“ (auf dem Help!-Sampler enthalten) wird.
- die Monitor-Mixe des zweiten Libertines-Albums, inclusive der Songs, die nicht auf dem Album enthalten waren: „Bangkok“, „Cyclops“, „The Delaney“, „Don’t Look Back Into The Sun“
- die „Nomis-Demos“ (alle in anderer Form veröffentlicht)
- wunderbarerweise die beiden nie veröffentlichten "All At Sea" und "Sweet By And By" in Fullbandversionen
- die bereits im Internet erhältlichen Legs 11 Sessions, HQ Sessions 2nd Wave, Sailor Sessions, Chicken Shack sessions, Whitechapel Demonstrations, Branding Sessions (nur Carl & Pete und ein Drumcomputer), Acousticalullaby and das ‘Untitled'-Album, das jetzt auf den Namen "Liverpool Sessions" getauft wurde.
- die „Diamond-Liner-Session“ (frühe Babyshambles Demo Session) und Outtakes aus dieser Session, die die seit Jahren gesuchte und nie geleakte Session darstellt, die Pete Perrett von den Only Ones mit Pete produziert hat als Perretts eigener Sohn kurzfristig Babyshambles-Mitglied war. Hier eine „Killamangiro“-Version aus den Diamond-Liner-Sessions
- zwei komplette Gigs der Libertines in der Rhythm Factory und in Whitechapel
- eine Akustikversion von „Gang Of Gin“
- die "Flophouse Shambles" - zwei längere aufnahmen, die mehrere Songs in eher durchschnittlicher Soundqualität vereinen
- die beiden wunderbaren Songs mit Dot Allison (ehemals Massive Attack) an den Vocals, die ohne Frage sehr lofi sind, doch überaus faszinierenden „At The Flophouse“ (b-Seite mit Pete an den Vocals auf der „Babyshambles“-Single) und „I Wanna Break Your Heart“ (nie veröffentlicht)

Lots and lots of Stuff

Insbesondere in dem ersten 1,5 Gigabyte-Paket sind allerdings auch viele verzichtbare chaotische, nicht zuordenbare Aufnahmen sowie Petes Musikordner (zb zwei Only Ones Alben, ein Dinosaur Jr, Velvet Underground, Joy Division, The Smiths, Dylan, QUOTSA, Billy Holiday, Gang Of Four – eine Plattensammlung, mit der man sich anfreunden kann). Interessant auch dass unveröffentlichte Tracks befreundeter Bands, auf seinem Laptop Konzerte spielten: Wolfman And The Side Effects, The IVs (Band von Scarborough Steve, einem frühen Mitglied der Libertines) sowie The White Sport, der ehemaligen Band des jetzigen Littl'ans-Sängers Andrew Aveling und der heutigen Restbabyshambles Adam und Drew, deren komplettes Album, das vor langer Zeit aufgenommen wurde, angeblich in diesem Jahr doch noch veröffentlicht werden soll. Da ich zumindest die ungemischte Version des Albums bereits daheim habe, kann ich sagen: das ist durchaus ein Reinhören wert, gerade weil es weder nach "Their Way" noch nach den Shambles klingt, sondern ein eigenständiges Album ist.


I didn't mind, I wasn't money mad anyway

Amüsant ist auch die Geschichte, warum eigentlich soviele Tracks auf Petes Laptop schlummerten: nach den für eine Plattenfirma erschreckenden Erfahrungen, dass Doherty ohne Rücksicht auf etwaige kommerzielle Verluste die aufgenommenen Songs stande pede an Freunde und Fans mit Bitte um Verbreitung verteilte (remember the babyshambles sessions), konnte Rough Trade Peter überreden, dass er keine gebrannten CDs aus dem Studio mitnehmen, sondern – wohl im Vertrauen auf seine computertechnischen Unzulänglichkeiten – alles lediglich auf seinem Laptop speichern darf. Deshalb sind beispielsweise 48 Songs aus den Sessions zum zweiten Libertines-Album (den „s/t-Sessions“) hier zu finden. Nun offensichtlich aus den Plattenfirma-Krallen befreit, gab Doherty seine Laptops heraus. Chapeau, Libertine!