Gefangen in der Endlosspirale
Wenn Serien zu erfolgreich sind
Nach 3 Staffeln Lost verkündeten die Autoren das, was man sich als Zuschauer wünscht: Ein befriedigendes, abschließendes Ende der Serie hätten sie im Kopf und das bereits seit Beginn der Dreharbeiten. Es gäbe einen entsprechenden Hinweis in einer der allerersten Folgen (quasi als Beweis des ganz großen Konzepts) und die weitere Handlung wäre auch bereits abgesteckt. Noch 3 Staffeln würden folgen, dann fände die damals alle anderen Serien überstrahlende Premium-Story ihre Vollendung.
Der Rest ist Geschichte. Schon früh in der finalen sechsten Staffel war abzusehen, dass die Schreiber sich auf einem stark wankenden Kahn befanden, der etwas planlos durch ein Unwetter taumelte und sie weder Tau noch Steuerrad so richtig zu fassen bekamen. Spätestens nach zwei Dritteln der Serie war klar, dass das Ruder nicht mehr herum zu reißen war. Auch wenn die letzte Folge dann noch einmal eine Enttäuschung aller erster Güte war, ein Tiefpunkt, mit dem man nicht mehr gerechnet hätte.
Ein großes Dilemma vieler Serienmacher ist, den Zeitpunkt zu verpassen, an dem eine Geschichte zu Ende erzählt ist oder zu Ende erzählt werden sollte. Oft werden die Schöpfer dazu gezwungen, immer weiter zu machen und zwar mit Geld. Paradebeispiel der Vergangenheit ist hier etwa Akte X, wo nicht mal der Ausstieg einer der Gallionsfiguren der Serie, namentlich David Duchovny, den Machern als Warnschuss diente. Nein, man setzte die Reihe noch um beinahe 2 Staffeln ohne Fox Mulder (bzw. nur mit Gastauftritten) fort.
Akte X hatte zu diesem Zeitpunkt bereits den Wandel von einer episodenhaften Serie zu längeren Handlungsbögen überschritten, was die künstliche Verlängerung besonders schlimm macht. In älteren Serien war es zwar häufig so, das gewissen Ereignisse aus der Vergangenheit wieder aufgenommen wurden (meist aber nur, um gute Einschaltquoten oder Rezensionen zu wiederholen), aber im Großen und Ganzen waren die Geschichten einzelner Folgen abgeschlossen und hatten keine weitläufigeren Auswirkungen auf die Rahmengeschichte. Entsprechend musste man diese Serien nicht zwingend in der gedrehten oder vorgesehenen Reihenfolge sehen (was vom deutschen Fernsehen bis in die späten 90er ja auch durch völlig durcheinander gewürfeltes Versenden konsequent umgesetzt wurde). Egal ob Star Trek (vor allem die Original-Serie aber auch zu großen Teilen noch Next Generation), Miami Vice und ähnliche Krimiserien, Kobra, übernehmen Sie, Magnum (zumindest die glattgebügelte deutsche Version) oder Ein Colt für alle Fälle - grundsätzlich war es egal, welche Folge man sah. Am Ende war es wie am Anfang.
Akte X begann bereits in den frühen Folgen, spätestens ab dem Cliffhanger von Staffel 2 zu Staffel 3 ein grundlegendes, übergreifendes Thema zu verankern: Das der außerirdischen Bedrohung und der Verschwörung in Regierungskreisen. Die Anhänger der frühen Stunde unterschieden folglich zwischen "Monster of the week"-Episoden und den Mythos-Folgen, die den größeren Handlungsbogen (story arc) aufspannten. Was für konsequente Fans natürlich eine großartige Entwicklung ist, für Nur-mal-Reinzapper unter Umständen aber für Verständnisprobleme sorgt und für die Sender entsprechend problematisch in Form von Einschaltquoten werden kann (da der spätere Einstieg erschwert wird). Glücklicherweise wiegt das treue Fandom offenbar aber schwerer, sonst wären quasi alle heutigen Serien undenkbar.
Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man weiß, wie die Geschichte endet oder man schreibt einfach mal immer weiter und weiter. Während letzteres bei Seifenopern von Dallas über die Lindenstraße bis Gute Zeiten, schlechte Zeiten überhaupt keine Hürde darstellt (sondern eher das Prinzip ist), tauchen bei anspruchsvolleren Serien irgendwann Schwierigkeiten auf. Logikfehler und Unstimmigkeiten in der Erzählkontinuität etwa, die im Internet z.B. in Blogs oder speziell aufgesetzten Wikis entsprechend zerfasert und angeprangert werden.
Aber auch das Wissen um das Ende ist keine Erfolgsgarantie. Wenn z.B. die Quoten oder die Launen der Sender bzw. der Spekulanten so schlecht sind, dass die Serie gar nicht zu Ende erzählt werden darf. Firefly, Deadwood, Dark Skies, Carnivale - man könnte die Liste der Titel ohne Weiteres fortsetzen, denen ein faires Ende nie beschert wurde. Gut, wenn man das bereits vorher weiß (also bei Serien, die vor Jahren bereits abgeschossen wurden) und sich so die Enttäuschung ersparen kann, indem man gar nicht erst anfängt, zu gucken.
Schlimmer fast noch, wenn das Ende absehbar ist, aber nicht stattfinden darf. Wenn in einer Serie z.B. ein US-Veteran nach Jahren aus der feindlichen Gefangenschaft befreit wird und sich die Serie nun darum dreht, ob er vom Feind "umgedreht" wurde oder nicht. Super-Thema für eine Serie mit 12-15 Folgen. Scheiß-Thema für eine Serie, die wieder und wieder und wieder verlängert wird. Da befinden wir uns in einer ähnlichen Situation wie früher, wenn es am Anfang einer Star Trek TNG-Episode hieß "Picard ist tot" oder MacGyver in einer aussichtslosen Lage schwebte. Wir wussten einfach, dass Beiden niemals etwas passieren konnte, da für den nächsten Tag um 15.00 die nächste Folge bereits angekündigt war.
Natürlich, man kann die Story dann vom ursprünglichen Aufhänger wegführen und sich auf andere Aspekte der Hauptfiguren und neue Entwicklungen konzentrieren, aber beim oben beschriebenen Homeland hat dies in Staffel 2 den Charakter der Serie schon stark verändert.
Viel Kritik, aber Nicht-Schauen ist ja auch keine Lösung. Ich bin schon sehr dankbar für Serien wie Breaking Bad, The Sopranos oder selbst Star Trek - Deep Space Nine, die trotz aller widrigen Bedingungen so ihre jeweils gelungenen Abschlüsse fanden.
Christian_alternakid am 03.01.2014 um 12:32 Uhr:
Weil ich zu Weihnachten die letzte Staffel von Moonlighting bekommen habe, habe ich da auch im Netz noch mal nachgelesen, weil die Serie ja auch so sprichwörtlich für den "jumping the shark"-Moment war. Bei Moonlighting geht die Legende, dass der Moment, als die beiden Hauptakteure eben dann doch endlich zusammen gekommen waren, die Spannung raus gewesen wäre.Generell hat sich das bei mir schon ein bisschen eingeprägt, bei Serien nach diesem Jumping-The-Shark-Moment zu suchen, könnte man sogar bei Twin Peaks machen: da war es sicher die Aufklärung des Laura Palmer - Mordes bzw. die Entscheidung, das aufzuklären und trotzdem noch eine Staffel dran zu hängen
(die natürlich dennoch gut ist, aber halt nicht mehr so erderschütternd gut wie bis dahin).
Bei "24" wäre das für mich der Moment, als Jack Bauers Vater und Bruder mitspielen - aber kurioserweise haben die es ja geschafft, in den letzten beiden Staffeln den Trend wieder umzukehren, die waren dann ja wieder fast so toll wie ganz am Anfang.
Christian_alternakid am 03.01.2014 um 12:36 Uhr:
hier der Ursprung der Redewendung (bei der ich mich aber eher frage, wieviel Geduld Zuschauer 1977 noch aufgebracht haben - das dauert ja eeeeewig, bis da irgendwas passiert):http://www.youtube.com/watch?v=t4ZGKI8vpcg
http://en.wikipedia.org/wiki/Jumping_the_shark
Christian_alternakid am 03.01.2014 um 12:36 Uhr:
motorhorst am 03.01.2014 um 12:43 Uhr:
Die Bedeutung von Happy Days für die Popkultur kann wirklich überhaupt nicht überschätzt werden:- Der spätere Oscar-Regisseur Ron Howard als sommersproßiger Richie Cunningham
- Das Zitieren der Serie im Weezer-Video zu Buddy Holly von Spike Jonze
- Die Stelle in Pulp Fiction, die niemand kapiert, aber jeder zitiert aka "Wir sind jetzt alle kleine Fonzies und wie sind Fonzies?" - "C..Cool?" (aus dem Gedächtnis wiedergegeben), aber jeder natürlich wie findet? C...Cool? Ja.