Die vertane Chance

12.11.2006 | 20 Kommentare | motorhorst

Hilmar Bender schreibt in "Die Schönheit der Chance" die Tomte-Tourtagebücher
Bevor mich zum ersten Mal ein Tomte-Konzert restlos begeisterte war ich bereits Fan von Thees Uhlmann, weil er mit den "Tocotronic"-Tourtagebüchern und seiner Art zu schreiben für jede Menge Kurzweile gesorgt hatte. Was läge also näher, als schließlich die Tomte-Tourtagebücher zu veröffentlichen, wenn die Band einen ähnlichen Stellenwert erreicht hätte, vielleicht ca. 6 Jahre nach "Wir könnten Freunde werden", im Sommer 2006.

Hilmar Bender nahm sich der Aufgabe an und begleitete die Band mit Pausen beinahe 3 Jahre lange, hauptsächlich und zunächst geplant auf der Tour zu "Hinter all diesen Fenstern" 2003 und auf den letzten Seiten dann auch auf der diesjährigen Tournee zum letzten Album "Buchstaben über der Stadt".

Nun ja, es ist eher nicht der große Lesespaß. Die Texte, die nach Konzerten in kurze Kapitel gegliedert sind, drehen sich meist um An- und Abreise zu den Gigs sowie den Auftritten selbst. Dazu schweift der Autor immer wieder in persönliche Bereiche ab. Besonders spannend ist das nicht. Dazu wird oft sehr schwammig von Personen und Orten gesprochen, die nie zuvor (oder auch nie mehr danach) im Buch erwähnt wurden. Highlight: "Ich teile das Zimmer mit Mauffi [...]. Im Karate Klub hat er sich scheinbar noch daneben benommen, wie später durchklingt. Das Ende der Zusammenarbeit ist nicht mehr aufzuhalten."
Nein, ich weiss nicht, wer das ist. Auch nicht welche Zusammenarbeit. Und ob sie jemals endete oder weiterging...

Während ausführlichst erklärt wird, was ein Nightliner ist (was in 2 Sätzen passieren könnte), wird der Begriff Backliner so mal eben reingeworfen und auch diverse Geschichten, Querverweise oder Zusammenhänge hingestellt und es dem Leser überlassen, Bescheid zu wissen. Die Zielgruppe des Gelegenheits-Tomte- oder -Musik-Hörers wird man damit eher abschrecken und verwirren. Negatives Highlight ist dabei die ganze Hansen-Geschichte. Man erfährt, dass da ein Film gedreht wird, Heike Makatsch und Jürgen Vogel mitspielen und irgendwie auch ein paar der Grand-Hotel-van-Cleef-Leute irgendwas damit zu tun haben, aber das war es auch schon. Nicht nachvollziehbar. Ärgerlich.

Es wird zwar jede Menge geschissen, gefurzt und gehascht, aber das trägt eher nicht dazu bei, dass man etwas persönliches oder „intimes“ vom Treiben hinter den Kulissen mitbekommt. Ganz im Gegenteil. Es wäre interessant gewesen, wie die Band auf einmal anders behandelt wird, nachdem sie mit "BüdS" auf Platz 4 in die Charts eingestiegen sind. Oder wie man mit einer Band bei Rock am Ring/im Park behandelt wird bzw. wie sich das von 2005 zu 2006 verändert hat (Gerade wenn man nur die Rolle als Publikum = Schwerverbrecher und zu melkender Konsument kennt). Oder ob das Immergut für die Band auch (noch) so toll ist, wie für die Besucher. Generell werden Fans kaum mal an einer Stelle erwähnt, irgendwie spielt sich das ganze Geschehen doch eher im immer gleichen Personenkreis ab. Seltsam bei einer Band, bei der es auf mich immer den Eindruck machte, als wäre das Verhältnis zu den Fans seit den Anfangstagen und erfreulicherweise auch nach dem großen Durchbruch etwas ganz Besonderes.

Puh, jede Menge Negatives, da spare ich mir doch noch den Gegensatz zwischen "Gegen Ausländerhass und Abschiebung" vs. "Über Ossis lustig machen und Lance Armstrong als hodenlos verspotten und schön den deutschen Ulle anfeuern" lieber. Es gibt zwei tolle Stellen, die klasse geschrieben sind. Blöderweise sind das beides sehr traurige Geschichten, nämlich als die Hunde des Autors bzw. des Tomte-Sängers sterben. Das ist echt scheiße, aber das sind die Stellen, die bewegend zu lesen und mehr als oberflächlich sind.

Die Zahlen
Bayreuth erwähnt auf Seite: 17.
Erwähnte Konzerte, bei denen ich auch war: 2,5 (das halbe ist Marr in Bayreuth).
Seiten: 220.
Preis: 14,90 €
Häufigster Satz: "Die Band hat spitzenmäßig abgeliefert" in allen seinen Variationen.
Nervigster Satz: dito
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Kommentare

pony_rieneck am 13.11.2006 um 15:05 Uhr:

ich hab nur mal kurz reingelesen und fand das auch eher übel. namentlich die dämlichen, sinnlos langen auslassungen über backstageklos. sehr pennälerhumorig.

Christian_alternakid am 13.11.2006 um 15:27 Uhr:

irgendwie fand ich das von anfang komplett uninteressant. konnte mir auch gar nicht vorstellen, dass da lesespaß drin steckt. warum auch immer.

motorhorst am 13.11.2006 um 15:47 Uhr:

Meinst Du jetzt von der ganzen Idee her oder hast Du reingelesen, Christian?

Ich könnte mir das Buch z.B. super vorstellen, wenn es Basti geschrieben hätte. Wie er als Fan den Aufstieg und Durchbruch miterlebt oder was ihm die Songs oder Thees und die Band bedeuten. Oder seine irren Zugfahrten während eines Wochenendes usw.

Christian_alternakid am 13.11.2006 um 15:56 Uhr:

ne, ich habe eben gar nicht erst reingelesen. das ganze äußere des buches hatte nicht den eindruck gemacht, dass es mir etwas geben könnte. ich hatte schon ein völlig anderes gefühl als zum beispiel damals eben bei den Tocotronic-büchern. hatte das nur in der hand und den klappentext gelesen und dann davon abgesehen. das layout, die hernagehensweise, alles wirkte so, wie ich mir eben ein buch über Tomte nicht vorstelle

dass das buch natürlich das beste seit bread came sliced gewesen wäre, hätte es bastomann geschrieben, steht außer frage.

Basti am 13.11.2006 um 15:57 Uhr:

hal und ich planen übrigens eine TV-Show zu dem Zug-Thema. es ist wirklich erstaunlich, dass es nicht noch eine handvoll anderer Idioten gibt, die freiwillig ein komplettes Wochenende im Zug verbringen, um ihre Lieblingsband zu sehen.

zum Buch selbst bleibt zu sagen, dass auch ich mir es weitaus interessanter vorgestellt hätte. Viel Einblick, bzw. schöne Anekdoten sind ja nicht grade am Start.

cleo am 13.11.2006 um 16:06 Uhr:

bitte alle idioten die hand heben, die ihr ganzes wochenende woche für woche ihm zug verbringen, um irgeneine dahergelaufene band irgendwo in deutschland zu sehen! leider musste ich meine hände verkaufen, um mir das leisten zu können. sie sind jetzt in einem zwielichtigem gewerbe tätig, aber wir stehen noch in kontakt. man kann sich ja nicht einfach von seinen händen absagen, nur weil sie dinge tun, die von der gesellschaft nicht akzeptiert werden!!!!

Basti am 13.11.2006 um 16:09 Uhr:

und danke für das Lob auf Pump, ihr Schleimer :)

motorhorst am 13.11.2006 um 16:27 Uhr:

Basti: Mit wochenendlangen Zugfahrten kann ich zwar nicht dienen, aber da ich konzerttechnisch ja auch in der Wüste lebe verbringe ich auch sehr viele km im Auto um die eine oder andere Band, gerne auch schon zum siebten oder achten Mal zu sehen. Verstehen wirklich nicht allzu viele Menschen außerhalb unseres Universums, schon gar nicht in meinem Alter. Scheißegal.

motorhorst am 13.11.2006 um 16:29 Uhr:

Christian: Mich hat schon abgeschreckt, dass das Buch so ca. seit Januar bereits angekündigt war. Das sah alles so furchtbar berechnend aus: Die neue Platte wird voll einschlagen und das ist dann noch das Supplement dazu. Aber wenn es so etwas schon mal im deutschsprachigen Raum gibt, dann kaufe ich mir das Buch halt auch. Und wenn es nur dazu da ist, um eines besseren belehrt zu werden. Bzw. in diesem Fall: Bestätigt.

Basti am 13.11.2006 um 16:45 Uhr:

da oben sollte vielleicht stehen: "dass es nur noch eine handvoll anderer Idioten gibt". ich dachte zunächst noch, das macht jeder mal ab und zu. ;) aber die meisten fahren dann doch nur nach München, Stuttgart oder Frankfurt.

ich bin mal allein mit dem Zug nach Halle gefahren, weil Tomte da im Turm gespielt haben. derbe Punk wie ich bin, hab ich natürlich ordentlich Dosenbier getrunken. Da aber am Vorabend auch schon ordentlich gefeiert wurde, war ich recht müde. Hab meine Dose auf den Mülleimer im Zug gestellt. Bin eingeschlafen. Die Dose fiel mir natürlich beim nächsten Bremsvorgang in den Schoß. Was einen herrlich feuchten Schritt ergab. Das war umso blöder, weil das schon kurz vor Halle war. Viel Zeit zum Trocknen gabs da nicht ... durfte ich mir natürlich dementsprechende Sprüche anhören. haha

michl am 13.11.2006 um 19:00 Uhr:

Ich hab nur mal Barnis und mein Leben riskiert, als ich nach Hinfahrt nach Hamburg, 8 Stunden St. Pauli Benefizkonzert und Heimfahrt, kurz vor Zuhause hinter dem Steuer eingeschlafen bin.

Daniel_ am 13.11.2006 um 21:13 Uhr:

Ey Basti, schreib das mal alles schön auf, immer nur so sechs Zeilen wie gerade, echt. Mach das mal über ein paar Wochen und schwupsdiwups wirst du Autorenkönig. Echt. Ich schwör's.

Basti am 13.11.2006 um 21:52 Uhr:

wenn man sich so manche Bücher dieser Art durchliest, daniel. dann hast du damit leider recht. mehr geben die auch nicht her ;)

ich beglück euch dann zur Tomte-Reunion 2020 mit meinen gesammelten Werken ...

und michl, dieses Bild hab ich letztens erst wieder vor Augen gehabt. du und barni auf gefährlichen Abwegen.

michl am 13.11.2006 um 21:57 Uhr:

ja, du hättest auch dabei sein sollen. auf dem hinweg hat uns sophia noch begleitet. was treibt die eigentlich so?
lass uns doch noch mal nen trip machen. ich verspreche auch nicht einzuschlafen. wobei, so ne 1 1/2 sekunden verfilmte biographie hat schon was

motorhorst am 13.11.2006 um 22:04 Uhr:

Basti, michl und so weiter: Wir machen das. So ein Projekt, wo jeder seine Konzertanekdoten aufschreibt. Egal wie groß oder klein die sind. Wie man beim Smashing Pumpkins Konzert fast kaputt getrampelt wurde, als man Micha Acher auf dem Autobahn-Klo nach dem Immergut getroffen hat, Radiohead innerhalb von 2 Tagen in Berlin und Hamburg anschauen, aus Enttäuschung über ein abgesagtes Oasis-Konzert die Karten beim VVK abgeben und zwei Tage später dann wieder zurückkaufen... das wären nur vier Geschichten von mir.

michl am 13.11.2006 um 22:12 Uhr:

oder betrunken gesagt bekommen "hey, das ist flo, der schlagzeuger von den sportfreunden", darauf antworten "die fand ich schon immer scheiße", besagten kurz wegschubsen, bevor man 20 stufen zur toilette runterfällt.

Basti am 13.11.2006 um 22:14 Uhr:

michl, der gehts ganz gut. studiert in Berlin.

motorhorst: du hast doch sonst schon genug zu tun, oder? ;) aber klaro, warum nicht ...

michl am 13.11.2006 um 22:50 Uhr:

perpetuum motorhorst:-)

säm am 14.11.2006 um 01:26 Uhr:

beim oasis-geheimkonzert in berlin:
"der sich da vor uns reindrängelt ist robert stadlober. der aus `cracy`."
sie (die damalige freundin) - so laut, dass er es auch hört: "aber der in dem film war doch völlig scheiße!"

jahre später hatte ich den typen dann im arm, als wir in der ersten reihe bei teenage fanclub "ain´t that enough" so laut mitschreien, dass keine anlage der welt gegen uns ankommt.

oder damals, als wir den björn hassten. er so der schüler, der seine facharbeit über tocotronic macht und wir die zwei spacken, die diese band lieben und schnell mal interviewen wollen, uns aber vor angst fast in die hosen kacken...

säm am 14.11.2006 um 01:31 Uhr:

der oise ronsberger von là par force und eldorado records haut in drei minuten mehr zoten raus, als stories in der bibel stehen. die eine nummer mit dem spucken auf die (sportfreunde) stiller (als vorband der boxhamsters) ist gold wert.
danach aber noch die geschichte mit der blaskapelle zwiesel und dem stoiber erzählen lassen. dann vielleicht noch die "shitaly"-geschichte und zum schluß noch, wie er damals vorband von metallica war... super typ.


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