Der Edel Eichinger Komplex

07.10.2008 | 5 Kommentare | Christian_alternakid

Baader Meinhof Gang goes Chicks With Guns via James Bond
Wohl kein Film der jüngeren Vergangenheit wird derart ideologisch aufgeladen diskutiert.
Deshalb der – fast unmögliche - Versuch, Baader Meinhof Komplex aus seinem Kontext zu lösen und allein aufgrund seiner filmischen Qualität zu richten.

Zunächst: unterhaltsam ist das schon, kein Zweifel. Langeweile kommt nicht auf und auch die Überlänge bemerkt man kaum. Das ist schon mal mehr als man über “Herr der Ringe 3“ sagen konnte. Auch wenn Herold keineswegs besser als Golum aussieht.

Ein Quantum Tempo

Tritt man aber einen Schritt zurück und fragt sich, warum der Film unterhaltsam ist, treten auch schon die Mängel zuhauf zu Tage: BMK funktioniert einzig aufgrund seiner Geschwindigkeit und ist dramaturgisch ziemlich missglückt. Im Grunde ließe sich der RAF-Film so einem humorlosen Teil aus der James-Bond-Reihe gleich setzen, die (zumindest in den letzten 35 Jahren) auch nie deshalb gut unterhielt, weil sie Dramaturgie, Charakterzeichnung oder schlüssige Figurenentwicklungen im Portfolio hatte, sondern einzig und allein aufgrund der Kombination von Tempo und Schauwert.

Söhne Stammheims

Besonders deutlich wird das Kaschieren einer funktionierenden Dramaturgie über Tempo wenn die Erste Generation in Stammheim einsitzt und BMK erstmals seine Geschwindigkeit drosselt und versucht, Innenleben der Figuren und den inneren Kampf der Gruppe zu zeigen und dramatisch scheitert. Weder gelingt es Edel zu zeigen (und es ist Herrgottnochmal ein Film, keine Erzählung aus dem Off!), was mit Meinhof et al passiert, noch nutzt er die Momente des filmischen Durchatmens, den eindimensionalen Figuren Tiefe zu verleihen.

Überhaupt eindimensionale Figuren: im Rahmen dessen, was dieses Drehbuch und Edels Regie an Raum lässt, überzeugen die meisten Hauptdarsteller. Zwar mag nachvollziehbar sein, dass man Wokalek (Ensslin) und Gedeck (Meinhof) in diesem Film ob ihrer überzeichneten Kultivierung des jeweiligen Ticks der Figur (eiskalter Engel vs. nölige Intellektuelle) zu hassen lernt, aber im Rahmen der Möglichkeiten, die Regie & Buch überhaupt bieten, eine identifizierbare Figur zu gestalten, reüssieren sie.
Keinerlei Kritik ist aber an Bruno Ganz’ Auftritt als Horst Herold nachzuvollziehen: wer sich nicht von Hitler lösen kann, suche das Problem bitte bei sich selbst. Ganz hat natürlich auch die Gnade, die interessanteste Figur und den beinahe einzigen Charakter des ganzen Films, dem eine gewisse Zweidimensionalität zugestanden wird, spielen zu dürfen, was Ganz aber auch mit all seiner schauspielerischen Wucht nutzt.
Während Sebastian Blomberg in seiner kleinen Rolle als Rudi Dutschke beeindruckt, bewegt sich Moritz Bleibtreu auf einem schmalen, schmalen Grat. Überhaupt scheint die Darstellung der Baader-Figur – man denke an Frank Gierings Versuch in Christopher Roths „Baader“ – eine der heikelsten hierzulande zu sein und die Flucht in das overacting, in den inneren Nicolas Cage, beinahe zwangsläufig zu geschehen.

RAF – Das Sequel.

Die Probleme im dramaturgischen Aufbau bei BMK speisen sich wohl aus zwei grundsätzlichen Überlegungen. Erstens entschieden sich Eichinger / Edel dafür, abzubilden statt zu werten, was angesichts des dünnen Eises, auf dem sich ein RAF-Film immer bewegen wird, zwar nachvollziehbar, aber eben auch feige ist. BMK bemüht sich neben der Actionfilm-Notwendigkeit, seine Hauptfiguren zu vereinfachten Abziehbildern zu machen, gar nicht, tiefere Einblicke in die Persönlichkeit zu wagen, weil selbstredend das Nachstellen einer inneren Entwicklung immer subjektiver sein muss als das Abbilden eines Tatorts.
Das zweite Grundproblem ergibt sich aus Eichingers Anspruch, die ganze RAF Geschichte in einem Film abzuhandeln. Hier hätte man sich besser ebenfalls an James Bond orientiert und ein schönes Franchise gebildet: „RAF – der Baader Meinhof Komplex“, „RAF II – Das BRD-Imperium schlägt zurück“, „RAF III – Die Rückkehr der RAF-Ritterr“ usw. usf.
Denn dann hätte man Figuren, die in fünf Minuten durch BMK huschen, eine Möglichkeit gegeben, ihre Geschichte zu erzählen. Exemplarisch sei auf die Figur der Susanne Albrecht verwiesen, deren Werdegang doch alles besitzt, was wert wäre, über die RAF, ihre Wirkung und ihre Folgen zu erzählen!

Der Edel-Eichinger-Komplex

Neben all den dramaturgischen Mängeln fällt ein gewisser Tick besonders auf: wie fasziniert ist Uli Edel nur von nackten, jungen Damen! Auch wenn es noch einleuchtend sein mag, dass die anfangs eingeführte Nacktheit als unausgesprochenes Zeichen für die Unterscheidung zwischen verstaubter Post-Adenauer-BRD und freiem-Menschen-Denken steht, nimmt die Häufung im Laufe der Geschichte ähnlich absurde Züge wie in B-Movie-Horrorfilmen an, in denen exakt für die Zielgruppe der 16jährigen Solojungs delivert wird und so die weibliche Hauptfigur nun mal duschen MUSS bevor sie erstochen werden kann.
Will Edel damit tatsächlich selbst auf die Exploitation-Filme der 60er & 70er verweisen? Ist das die Vorwegnahme der Kritik, von der er wusste, dass sie auf ihn einprasseln wird? Ist es das heimliche Eingeständnis, einen Chicks-with-Guns-Film zu machen und sich über das Stilmittel der Nacktheit wie der expliziten Mordszenen auch ohne Hemmung diesem Genre zuzuordnen und damit einer Wertung innerhalb anderer Genres zu entziehen?

BRD versus Japan

Interessanterweise lief in diesem Jahr auf der Berlinale ein Dreistünder über den japanischen Linksterrorismus der gleichen Ära: The Red Army von Koji Wakamatsu. Im direkten Vergleich fällt auf, wie beide Filme geradezu obsessiv versuchen, alles, aber auch wirklich alles zu erzählen, jede Figur zu zeigen und jede Szene aufzubereiten, aber andererseits sich Wakamatsu für einen Dreiakter entscheidet, wohingegen Edel eine einzige Linie ohne einzelne Akte (oder gar einen Schluss) filmt. Wakamatsu peitscht die Geschichte des Linksterrorismus in seiner ersten Stunde einer „Brennpunkt RAF“-Sendung auf Speed gleich derart flott durch, dass dir der Kopf nur so schwindelt vor lauter Figuren und Abkürzungen, nimmt sich dann aber im zweiten (und besten!) Akt Zeit, ausschließlich das Innenleben der Gruppe, ihre Selbstzersetzung und Irrwege zu sezieren, in dem er die Terroristen in einer Berghütte eine ganze Stunde lang im inneren Kampf beobachtet (was vergleichbar mit der Stammheim-Episode wäre), um im dritten Akt dann noch einmal das Prinzip „6 gegen 60 Millionen“ im "Assault On Precinct 13"-Style aufzugreifen und zu einem schlüssigen Ende zu führen. Definitiv der bessere - wenngleich anstrengendere und forderndere - der beiden Versuche.
Teilen: Facebook Twitter

Tags

Medien  

Bewertungen

0 Bewertungen
Um eine Bewertung abzugeben, musst Du ein eingeschaltenes Mitglied der Motorjugend sein.

Kommentare

Bloody Mary am 07.10.2008 um 14:43 Uhr:

Find ich auch problematisch, die komplette RAF-Geschichte in einen Film zu pfropfen, wobei die Idee einer Gesamtschau von Aufstieg und Niedergang prinzipiell gut ist (Filme, die sich mit einzelnen Phasen oder Aktionen auseinandersetzen gibt es ja schon, s. „Todesspiel“ über die Schleyer- und Flugzeugentführung, was in BMK dankenswerterweise nur angerissen wurde). Andererseits wäre ein Mehrteiler mit noch mehr historisch-politischen Details und Charakterzeichnung / Figurenpsychologisierung bei dem ganzen RAF-Overkill der letzten Jahre auch ermüdend gewesen und wahrscheinlich schon bei Teil 2 auf Desinteresse gestoßen.

Und gerade dadurch, dass die Figuren nur als Abziehbilder dargestellt werden, wird eine Wertung vorgenommen, nämlich eine Abwertung. Man soll sich ja gerade nicht identifizieren können, der ganze Film zielt auf eine schrittweise Demontage des RAF-Mythos ab: zuerst wird das rebellische Sexappeal der Gruppe (auch optisch) mit ihren (im Prinzip auf Forderung nach Gerechtigkeit basierenden) Handlungsmotivationen aufgegriffen, bis am Ende nur noch eine wild herumballernde Horde übrig bleibt, die sich selber verrät und im Knast gegenseitig fertig macht.

Außerdem kann man an der Figur der Meinhof, die ja doch irgendwie zentral steht, schon eine Entwicklung und Charakterzeichnung ablesen: Erfolgsjournalistin mit Familie, die dann zerbricht, die zuerst keine Texte für die Gruppe schreiben will, dann aber doch von der Gruppendynamik mitgerissen wird, die im Zwiespalt zwischen der Sorge um ihre Kinder und dem politischen Aktionismus steht usw.

Christian_alternakid am 07.10.2008 um 14:50 Uhr:

ja, die Meinhof-Figur ist sicher noch die am differenziertesten gezeichnete. aber auch bei ihr ist das schon sehr sprunghaft, insbesondere die wandlung von "nicht ohne meine Töchter" zu der zustimmung, die Töchter nie mehr zu sehen oder ihren Freund liquidieren zu lassen.

Bloody Mary am 07.10.2008 um 15:02 Uhr:

Ja, aber sie wurde ja auch bis zum Schluss von der Gruppe mit den Vorwürfen unter Druck gesetzt, dass sie zu labil sei. Ich glaub aber auch wirklich nicht, dass in dieser Gruppe moralische Konflikte eine große Rolle gespielt haben, das war ja das schöne an denen ;)

AsJörchla am 08.10.2008 um 14:30 Uhr:

Hab ihn noch nicht gesehen. Würd ihn aber schon wegen der nackten, jungen Mädels gucken.
Danke AK!

Christian_alternakid am 08.10.2008 um 15:57 Uhr:

that's the spirit!


Kommentieren

Als Mitglied der motorjugend mit dem Rang Blicker oder mehr kannst Du an dieser Stelle einen Kommentar zu dieser Text abgeben und andere Kommentare kommentieren.


Andere Artikel

Medien

Wohin geht es mit der Mediendatenbank?

Das erste große Medien-Datenbank-Projekt 2016: Das filmische Tagebuch

Es gibt nun mal mehr Arschlöcher als gute Menschen, das ist Fakt!

Ausnahmsweise mal im richtigen Moment die richtige Sendung eingeschaltet oder eingeschalten.

Amy Winehouse

Kein Nachruf