Inzwischen hat jede*r die Dokumentation über die Gefahren und Irrwege der großen Social Media/Big Tech Firmen auf Netflix (ausgerechnet auf Netflix, das könnte man natürlich auch diskutieren) gesehen. Das Besondere an dem Film sind die vielen O-Töne, die neben den üblichen Kritikern wie Jaron Lanier (der hier ja schon fast vernünftig und wie von dieser Welt herüber kommt) vor allem von den Machern und Steigbügelhaltern der großen Netzwerke und ihrer Innovationen kommen, was den Aussagen und Warnungen natürlich ein viel schwereres Gewicht gibt. Interessant ist unter anderem wieder die bekannte Aussage von fast jedem der Beteiligten, dass deren Kinder keinen Zugang zu sozialen Medien oder teilweise sogar zu Smart Phones bekommen würden.
Die Kernaussagen
Worum es den Ex-Mitarbeitern vor allem geht:
- Den Sozialen Netzwerk geht es nicht um Euch, sondern um Eure Daten, die dann an Werbetreibende direkt oder indirekt weitergegeben werden, damit diese auf den SN Werbung schalten und somit eine Lizenz zum Gelddrucken darstellen.
- Um für ihre Kunden (also die Werber, nicht die Benutzer) möglichst valide und attraktive Daten zur Verfügung stellen zu können, müssen die User möglichst lange auf den Plattformen bleiben, um so die Erstellung noch genauerer Datenprofile zu ermöglichen, die dann wieder teurer verkauft werden.
- Die Benutzer werden mit verschiedenen Techniken auf den Seiten gehalten oder immer wieder auf die Seiten zurück gezogen, durch Erinnerungen, Benachrichtigungen oder einer Timeline, die bei jedem Aufruf anders aussieht und deshalb neues und interessantes suggeriert.
Worum geht es mir?
Natürlich hat das ALLES schon vorher JEDE gewusst, aber es war ihr einfach egal. Ich habe ja nichts zu verbergen.
Interessant fand ich den Fokus auf die Zeitvernichtung und das Abziehen und Konzentrieren der Aufmerksamkeit der Benutzer hin zu den Plattformen, die von den Entwicklern so stark in den Fokus gestellt werden.
Sonst, vor allem in den (traditionellen) Medien, scheint ja eher immer die Problematik "Die wollen deine Daten/die wissen alles über dich" im Mittelpunkt der Berichterstattung zu stehen, was natürlich schon richtig ist, aber eine untergeordnete Rolle spielt. Im Normalfall, also außerhalb totalitärer Staaten geht es ja eher selten um "Person xyz leiht sich gerade aus der Bibliothek ein Buch über Sprengstoff aus, wir (also die echten Menschen, die das gerade live beobachten) sollten da mal Maßnahmen einleiten". Interessanter ist eher "64% unserer männlichen Besucher über 50 aus Kleinstädten interessieren sich für Handfeuerwaffen, du bist zu 87% ein eben solcher, da platzieren wir (Computerprogramme, wenn es aber der erleichterten Vorstellung hilft: Eine künstliche Intelligenz) mal eine entsprechende Werbeanzeige".
Zeitverschwendung
Und auf den ersten Blick sind diese Warnungen ja nicht aus der Luft gegriffen. Wann hat man denn wirklich zum letzten Mal ein Buch gelesen? Einen längeren Text geschrieben? Eine Serie geschaut ohne parallel WhatsApp zu checken? Nicht als erstes morgens die Notfications auf dem Smartphone gecheckt? Einen Tag ohne einen Blick auf Facebook verbracht? Nicht die Möglichkeit verstreichen lassen, jemand anderem mit "ach, das hast du noch nicht gesehen?" zu erniedrigen, weil man die zugehörige Spezialinformation vor 15 Minuten im eigenen Stream gesehen hat? Und sich bei der Gelegenheit daran erinnert, immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben und auch zukünftig regelmäßig "seine" "News" zu checken?
Hass und Streit
Natürlich helfen auch vermeintlich kontroverse Meinungen bei der Immersion und Erhöhung der Verweilzeit auf einer Plattform enorm. So schön es ist, wenn jemand meiner Meinung ist, muss doch eher das dumme Gesülze der Gegenseite, die Provokation, die offensichtliche Fake-News, die von dummen Kollegen unreflektiert geteilt wird, kommentiert werden und eine Gegen-Antwort lässt dann auch nicht lange auf sich warten. Was haben wir über Michael Moore gelacht, bei dessen Dokumentation "Bowling for Columbine" eine der Kernaussagen war, dass "Angst" das wichtigste Element der Politik sei, um die Bürger zu kontrollieren. Er war da wohl einfach seiner Zeit voraus und hat die Akteure nur etwas unscharf benannt.
Mein Problem mit The Social Dilemma
Nachgestellte Szenen in Dokumentationen sind immer scheiße, wobei ich den Sinn hier schon sehe, technische Prozesse wie das Funktionieren des Algorithmus mit so einer Art Borg-Kommandozentrale bildlich darzustellen. Das Abdriften des Sohnes in den radikalen Untergrund über die YouTube-Uni bzw. das Vereinsamen der Tochter durch Online-Mobbing ist natürlich schon sehr plakativ dargestellt. In Verbindung mit der dramatischen Musk und den sloganhaften Aussagen der Protagonisten bedient man sich natürlich derselben Methodik, die an anderer Stelle kritisiert wird, verfehlt aber nicht seine Wirkung.
Ich selbst verschwende kaum noch Zeit mit Facebook. Ich weiß nicht, ob das mit dem neuen Layout (welches ich schon etwas länger habe) zusammen hängt oder der Tatsache geschuldet ist, dass immer mehr Benutzer der Seite entweder den Rücken kehren oder eher als passive Konsumenten denn als selbst aktiv Schreibende in Erscheinung treten. Interessantes findet man eher in den privaten Gruppen, aber auch dort ist die Aktivität für mich gefühlt doch merklich zurück gegangen. Davon abgesehen spielt der Messenger noch eine gewisse Rolle für den Kontakt zu einzelnen Leuten. Aber klar, ich klicke natürlich auch erstmal auf das Icon, wenn daneben eine rote Zahl auf dem Handy erscheint und bin dann enttäuscht, wenn jemand zu irgendeiner Veranstaltung etwas hinzugefügt hat, was ich aber gar nicht sehe.
Dass sich die Timeline von Facebook nicht dauerhaft sortieren und so konfigurieren lässt, dass ich ALLES von meinen Kontakten und gefolgten Seiten sehe, sondern dem Gutdünken des sehr dummen Algorithmus ausgeliefert bin, war schon immer das Killer-Argument gegen Facebook und das wird noch deutlicher, wenn die Inhalte allgemein immer uninteressanter werden. Damit wird auch die gewollte Illusion, es würde ständig etwas passieren (siehe oben), ad absurdum geführt.
Der Anreiz selbst zu posten wird ebenso immer geringer, da viele Leute keine Lust mehr auf Interaktion haben oder die Posts gar nicht mehr sehen (jedes dumme Bild bei Instagram bekommt mehr Aufmerksamkeit als ein lustiger Schwank auf FB) oder die Kommentarspalte Opfer der ironiebefreiten Gelegenheitsleser und "Freunde von früher" wird und somit eine weitere Beschäftigung mit dem Text unmöglich macht.
Das mit der Werbung auf Facebook habe ich eh noch nie kapiert, weil ich da zwar immer mal auf etwas klicke (Fehler, klar), aber selten etwas wirklich interessant ist und gar zu einem direkten Kauf führt, sondern viel Schrott (bzw. vor allem bei Instagram sehr offensichtlicher Betrug) angezeigt wird. Im Allgemeinen werden meine Interessen hier nur ganz peripher getroffen und dann gerne immer wieder dieselben, uninteressanten Kategorien und Artikel gezeigt, Amazon-Empfehlungen lassen grüßen.
YouTube hat mich meiner Meinung nach noch nie in ein negatives Rabbit hole gezogen. Grund eins ist hier, dass ich das Internet nach wie vor nicht primär als Fernsehersatz/Videoabspielgerät sehe, wie das Medienberichten zufolge bei "der Jugend" so Usos ist. Natürlich stolpere ich über ein Sonic-Youth-Video, das mich zu einer Post-Punk-Dokumentation führt, die mich auf ein Interview aus den frühen 80ern bringt und mich dann zur Radiohead-Coverversion des Joy-Division-Stücks bringt. Aber das funktioniert ja trotzdem auf einem gewissermaßen noch bewussten und dankbaren Weg und macht mich weder zum flat earther noch zum Nazi und die Vorstellung erscheint mir doch hanebüchen, auch wenn die Empirie da scheinbar etwas anderes sagt.
Natürlich muss ich auch sagen, dass ich glücklicherweise kein 14jähriger bin, der aufgrund des sozialen Drucks auf jeder Internet-Sau, die durchs Dorf getrieben wird, aufspringen und mitreiten muss. Das stelle ich mir schon wahnsinnig schwer vor, wenn Du nicht in die WhatsApp-Gruppe (oder was junge Leute verwenden) reinkommst oder aus dieser rausfliegst. Das rechtfertigt zwar auch nicht, so genannten Influencern Millionengehälter (pro Monat) zu bescheren, undurchschaubare Plattformen wie TikTok groß zu machen, aber wie gesagt: Ich muss das auch nicht verstehen.
Ich werde noch traditionell auf Facebook wegen meines Aussehens gemobbt, wenn ich einen besonders klugen Text schreibe und nicht auf Instagram wie die fiktive 13jährige, die daran dann vollkommen zerbricht.
Was ich damit sagen will: Ich habe dieses Problem nicht, aber ich sehe es natürlich und die Vorstellung, damit eines Tages mal selbst zu tun zu haben und damit umgehen zu müssen, treibt mich jetzt schon leicht in den Wahnsinn.
Meine Probleme mit den Sozialen Medien und den großen Tech-Firmen
Wie jeder Mensch bin ich Amazon-Kunde seit über 20 Jahren. Prime-Kunde sogar, weil ich da noch aus 10 Serien und 5 Filmen wählen kann, was ich auf gar keinen Fall sehen will. Natürlich könnte ich den lokalen oder kleinen Online-Plattenhändler unterstützen, aber im Zweifelsfall ist das Produkt bei Amazon billiger, kostet keinen Versand und ist morgen da. Ist halt so. Klar, gäbe es 100 Gründe lieber bei dem kleinen zu bestellen, aber für mich persönlich ändert sich dadurch halt gar nix, außer: weniger Geld. Die Empfehlungen von Amazon sind der letzte Schrott, was beschämend ist, wenn man sieht, wie lange ich Kunde bin. Aber ich kaufe nicht noch 5 USB-Sticks, nur weil ich gerade einen gekauft habe und ich brauche auch nicht noch ein Verlängerungskabel und das Buch habe ich schon, würde ich Dir auch gerne sagen, aber Du lässt mich nicht. Und das soll dann ein Beispiel für einen gefährlichen Algorithmus sein?
Google hat die besten Suchergebnisse und auch E-Mail als Webanwendung als erstes und am richtigsten verstanden. Außerdem bin ich da seit 15 Jahren, die haben schön meine ganzen Mails archiviert und überall habe ich die Adresse angegeben, wie soll ich da rauskommen? Gut, alle sonstigen Google-Produkte sind Mist oder ich verwende Alternativen (brauche weder Docs noch Drive) oder sie werden abgeschafft, wenn sie unvergleichlich gut sind (Google Reader).
Warum Journalisten Twitter für so wahnsinnig wichtig und relevant halten, hab ich auch nach über 10 Jahren nicht kapiert und der völlig unregulierte Hass, dem man dort nach maximal 5 Minuten mit voller Wucht begegnet, ist einfach nur abartig. Was aber dafür spricht, ist die relative Beherrschbarkeit (man KANN die Timeline nach Datum statt nach vorgeblicher Relevanz sortieren, auch wenn man das immer wieder manuell machen muss) und die Tatsache, dass man es mit Listen und Tools (Tweetdeck) sehr übersichtlich machen kann. Die Versuchung, hier eine Hatz nach Likes und eigener Sichtbarkeit zu starten, sehe ich aber als sehr groß an.
Facebook den Rücken zu kehren ist besonders schwierig, wenn man selbst gerne veröffentlicht oder auf Inhalte auf der eigenen Webseite und anderswo machen möchte: Hier gibt es am ehesten Resonanz, Kommentare, die auch als solche ersichtlich sind und auch der Traffic, der so auf die eigene Seite kommt, ist nicht unerheblich. Die Frage ist natürlich, ob man denn wirklich überhaupt noch veröffentlicht und nicht nur passiv ist. Ob auf diese Art nicht auch die Reaktionen und Kommentare immer spärlicher werden. Und ob diese Kommentare durch idiotische Funktionalitäten wie "Top-Kommentare" und "Neuste Kommentare" überhaupt noch sichtbar, wahrnehmbar und relevant sind. Und wenn diese Inhalte mal aus den aktuellen Timelines verschwunden sind, dann verschwinden sie eben wirklich im virtuellen Nirwana, was jeder weiß, der schon einmal einen alten Facebook-Beitrag oder Kommentar später gesucht hat.
Meine Konsequenzen
Ich habe als erstes als Standardsuchmaschine Qwant statt Google im Browser aktiviert. Inziwschen weiß ich sogar, wo man die ärgerliche Funktion, dass jedes Suchergebnis in einem neuen Tab geöffnet wird, abstellen kann. Google Chrome verwende ich sowieso so gut wie nie.
Bringt natürlich auch nicht viel, wenn man immer noch Gmail als Mailanbieter hat. Zum Glück ist der Google-Chat/Talk quasi irrelevant geworden.
Perspektivisch: Bezahlten Mailanbieter finden oder auf eigenem Server hosten. Keine Anmeldungen mehr "mit Google", sondern nur über E-Mail-Adresse.
Als ich mich für Spotify angemeldet hatte, ging das nur über ein Facebook-Konto. Etwas, was nachher nicht mehr entkoppelt werden konnte - dachte ich zumindest, kann euch aber sagen: Das geht sehr wohl. Habe ich umgestellt auf E-Mail.
Danach habe ich auch alle anderen Webanwendungen, bei denen ich per Facebook angemeldet war, von dort losgelöst, auf E-Mail umgestellt oder gleich komplett gelöscht (weil ich sie eh nicht mehr verwendet habe).
YouTube könnte man nicht eingeloggt verwenden, aber die Empfehlungen sind ja selbst im eingeschaltenen Zustand sehr schwammig und früher oder später suche ich dann doch wieder selbst als die empfohlenen Videos oder - Gott bewahre - das völlig random ausgewählte nächste Video anzuschauen. Aber klar, abmelden und treiben lassen, sicher bleiben die Empfehlungen auch so durch entsprechende Schattenprofil genau so gut/schlecht wie vorher.
So lustig wie Instagram-Stories sind, braucht diese Seite keine Sau. Geile Fotos kann ich auch auf meiner Seite präsentieren, klar, nicht mit allen anderen vermischt. Die Werbung auf Instagram schwankt oft zwischen irrelevant und offensichtlichem Betrug (NBA-Trikots als bestes Beispiel, gemeldete Accounts tauchen kurz darauf mit neuer Adresse auf).
Aus WhatsApp gibt es eigentlich keine Chance rauszukommen, weil das inzwischen so die Bevölkerung durchdrungen hat und selbst von den technisch Unbedarftesten problemlos bedient wird, dass Du die nicht mehr dazu überredest zu Threema, Signal oder Telegram zu kommen (außer sie sind eh schon in der Attila-Hildmann-Gruppe, dann ist es easy). Und klar, damit ist man natürlich auch ohne Facebook und Instagram immer noch im FB-Universum gefangen.
Twitter habe ich mir tatsächlich aus oben beschriebenen Gründen als Ersatzplattform gewählt. Thematisch lässt es sich gut in Kanäle packen und per externer Tools wie Tweetdeck auch sinnvoll bedienen.
Reddit ist als Quasi-Nachfolger der Newsgroups der 90er ein gutes Informationsmedium und mit den entsprechenden Apps (Apollo) auch quasi werbefrei zu bedienen. Allerdings ist hier die Gefahr groß, sehr viel Zeit zu vernichten, wenn man den richtigen/falschen Subreddits folgt, hallo r/Memes. Zudem ist es eher international als Deutschland-fixiert, was grundsätzlich zwar gut ist, aber auch immer den Eindruck hinterlässt, man würde etwas verpassen.
Und ihr?
Ja, viel Text ich weiß. Aber vielleicht möchtet ihr ja auch etwas zur Dokumentation und euren Eindrücken danach los werden oder habt Hilfreiches zum Thema zu schreiben.
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barracuda am 02.10.2020 um 11:39 Uhr:
Toller Text. Ich persönlich gehöre ja zu der kleinen Gruppe, die weder Facebook noch Twitter noch Insta nutzt. Ergo: Ich bin mit ganz wenigen von meinen Freunden. Mit denen teile ich aber Superwitziges via Whatsapp. Im Grunde ist mir das alles auch egal, bin schon ein alter Sack. Aber ich teile mit dir die Angst, in wenigen Jahren dennoch knietief in dem ganzen Mist zu waten, weil ich bei meinen Kids medienpädagogisch versagt habe. Schließlich nutze ich weder Facebook noch Twitter noch Insta. Es ist ein Dilemma. PS: Kann die Doku gar nicht ansehen, habe nur Prime …Bloody Mary am 04.10.2020 um 20:48 Uhr:
Was ich bei Facebook immer häufiger benutze, um Dinge zu finden, ist das Aktivitätenprotokoll. Zumindest, wenn das Gesuchte noch nicht allzu lange her ist, sonst sucht man sich auch dumm und deppert. Wobei ich eben sehe, dass es da auch eine Suchfunktion gibt, mal ausprobieren. Außerdem speichere ich vermehrt Beiträge, von denen ich ahne, dass ich sie vielleicht nochmal lesen will. Später schreib ich gern noch mehr zu dem Text.Christian_alternakid am 05.10.2020 um 09:47 Uhr:
Ich bin ehrlich gesagt über das große Echo, das die Doku erfährt, ein wenig überrascht, denn ist da nicht nun wirklich alles offensichtlich, was gesagt wird, und zweitens auch, nun ja, logisch? Was soll denn sonst das Geschäftsmodell von Facebook sein? (P.S.: Dass Netflix zb einen Autostart der nächsten Serienfolge macht, ist natürlich das gleiche in grün, was den Kampf in der Aufmerksamkeitsökonomie angeht)Ich verstehe die Angst um die Anderen (was mich an die schöne Rammstein-Kritiker-Schmähkritik von Peter Richter erinnert: "Denn, zweites Subphänomen, was Rammstein speziell im deutschen Hörer weckt, ist eine überwältigende Fürsorgeanmaßung wider seinen Nächsten: Man selbst durchschaut das Ganze ja noch, aber schon mit Blick auf den unmittelbaren Stehplatznachbarn überwiegt die Sorge, der könnte nach dem Konzert in Polen einmarschieren.“), aber seh jetzt bei mir und den Leuten um mich rum nicht diese extreme Bindung an Social Media, die mir gefährlich erscheint. Ich würd vielleicht einen halben Film pro Tag mehr schauen, würd ich auf Social Media verzichten.
Einen (ebenfalls offensichtlichen) Punkt hat die Doku natürlich, wenn wir über Kinder sprechen. Sehe da auch wirklich kaum, wie eine allgemeine Lösung ausschauen sollte, die nicht auf das Verantwortungsbewusstsein und die erzieherischen Fähigkeiten der Eltern allein vertraut.
xmagic am 08.10.2020 um 13:08 Uhr:
Ich habe die Dokumentation auf Netflix nicht gesehen, da ich im Moment Netflix nicht abonniert habe. Ich werde in guter Facebook-Tradition aber dennoch meinen Senf dazu abgeben. Weil mich niemand daran hindert. Und weil es in motorhorsts Beitrag auch viel weiter geht.Ich nutze die sogenannten sozialen Medien sowohl privat, worauf ich gleich eingehen werde, als auch nicht-privat, und zwar als Administrator eines Stadtverbandes einer politischen Partei. Auf letzteres gehe ich nicht ein, außer wenn ich einen Bezug herstellen muss.
Bei Google Mail bin ich mittlerweile seit 2005. Da lagert also auch alles munter. Ebenso wie Fotos, die über das Smartphone (die fast ausschließliche Fotoquelle) geschossen werden. Bei Suchmaschinen habe ich in der letzten Zeit ein, zwei Versuche gemacht zu wechseln, aber das scheiterte bisher immer daran, dass mir an den Suchergebnissen „irgend etwas nicht passte“.
Noch viel länger bin ich bei Amazon, seit 1999. Mittlerweile kaufe ich – natürlich – alles mögliche darüber, Bücher lese ich meistens – nicht immer – über einen Amazon Kindle oder die Kindle-App auf meinem Smartphone. (Nein, das ist nicht zu klein. Nein, ich mache mir meine Augen nicht kaputt dabei.) Mit Amazon Prime nutze ich auch den Streaming-Dienst, das ist der einzige, die ich ständig abonniert habe. DAZN, Netflix und Disney+ waren nur kurz gebucht, um bestimmte Serien oder Spiele anzusehen.
Wenn ich bei Amazon bin, muss ich auch das Streamen von Musik erwähnen. Das geht so komplett an mir vorbei. Amazon Unlimited nutze ich nicht, obwohl mir schon manchmal ein Lied unterkommt, dass Amazon nicht direkt spielt. Meistens reicht’s mir, einen Interpreten zu nennen, manchmal sind’s konkrete Lieder. Playlisten sind’s selten, eigene nie. Und ich höre auch noch oft Radio, vor allem im Auto beim Pendeln, dort sogar noch analog. Ansonsten hilft Alexa.
Als nächstes Facebook: Eigentlich schon eine berechtigte Frage, warum tut man sich das an? Keine Möglichkeit, ordentlich zeitlich zu sortieren. GUI auf dem Desktop mittlerweile eine Katastrophe. Weiß immer wieder nicht, wie ich bestimmte Dinge tun kann. Privat poste ich fast nix, meistens nur, wenn’s mit der politischen Aktivität zu tun hat. Likes sind meine Hauptaktivität, Teilen tue ich eigentlich nie etwas. Und was bringt’s mir dann? Nun, es gibt manchmal eben doch Inhalte von Personen / Vereinen / Institutionen, die mich interessieren, die ich aber woanders nicht finde. Nur zwei Beispiele seien an dieser Stelle genannt: 1. Interviews und Berichte von der Oldschdod. 2. Aktuelle Speisenkarten und Ferienzeiten von Restaurants, die ich regelmäßig besuche.
Instagram und Twitter kamen neulich nur hinzu, weil ich für nicht-private Zwecke auch Accounts eingerichtet habe. Bei Instagram habe ich eine Handvoll Bilder gepostet. Hier nerven diese Kontaktanfragen. Ist jetzt aber alles wieder ruhiger geworden. Bei Twitter schreibe ich nichts und lese wenig. Für mich persönlich schon fast überflüssig.
Messenger-Dienste? Erstaunlich viel geht über Threema, WhatsApp lässt sich nicht vermeiden, weil’s der Quasi-Standard ist. Der FB Messenger wird auch noch oft genutzt, vor allem bei Leuten, wo ich außer einer FB-Verbindung keine Daten, also vor allem keine Telefonnummern, habe.
Die Fragen im Abschnitt Zeitverschwendung finde ich gut, das trifft es. Und unaufgefordert beantworte ich sie auch. „Wann hat man denn wirklich zum letzten Mal ein Buch gelesen?“ Wenn auch nur über den Kindle, so doch immer samstags ein paar Seiten bei einem Kaffee. Das war früher mehr. „Einen längeren Text geschrieben?“ Nun, kurze Staffelrezensionen auf dieser Seite zählen da nicht, aber wann habe ich das früher gemacht? Dieser Text ist länger. „Eine Serie geschaut ohne parallel WhatsApp zu checken?“ Naja, vielleicht nicht WhatsApp. Aber „second screen“ ist schon angesagt. „Nicht als erstes morgens die Notfications auf dem Smartphone gecheckt?“ „Einen Tag ohne einen Blick auf Facebook verbracht?“ Tja, wahr, wahr. „Nicht die Möglichkeit verstreichen lassen, jemand anderem mit "ach, das hast du noch nicht gesehen?" zu erniedrigen, weil man die zugehörige Spezialinformation vor 15 Minuten im eigenen Stream gesehen hat?“ Das mache ich wiederum nicht. Liegt aber eher an der eigenen Passivität. „Und sich bei der Gelegenheit daran erinnert, immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben und auch zukünftig regelmäßig "seine" "News" zu checken?“ Nun, ich gebe ja zu, dass ich da ständig rein schaue.
So, das war die Bestandsaufnahme. Und jetzt? Ich muss bekennen, dass sich bei mir eine gewisse Gleichgültigkeit eingeschlichen hat, die verhindert, dass ich etwas ändere. Ändern will. Das private Umfeld sagt schon mal: Du bist so oft in Facebook. Du daddelst zuviel am Smartphone. Sind aber auch die, die entweder die Infos aus Facebook gerne in Anspruch nehmen, wenn es relevant ist (siehe oben) oder bei anderer Gelegenheit auch daddeln. Vielleicht nutze ich in Zukunft Qwant, ist auf meinem Dienst-Laptop die Default-Suchmaschine. Aber vielleicht werde ich auch das Trimm-Dich-Fahrrad nutzen. Dieses „vielleicht“ gibt’s auch schon lange. Sieht also eher nach einem „weiter so“ aus.
Bloody Mary am 13.10.2020 um 17:21 Uhr:
Neue Seiten-Layouts finde ich persönlich immer erstmal scheiße, weil ungewohnt. Meistens gewöhnt man sich schon dran, aber die allgemeine Tendenz geht ja leider mittlerweile dahin, möglichst wenig Information in einen Bildausschnitt zu setzen, sodass man wie ein Depp scrollen muss. Das neue Facebook-Layout geht auch in diese Richtung, und das wird mich wohl immer nerven.Dass man sich durch die persönlich zusammengestellten Abonnement, Likes und Freunde in einer Blase bewegt, ist ja irgendwie nur logisch. Warum sollte ich z. B. Trump liken, wenn ich seinen Scheiß gar nicht lesen will, nur um etwas Vielfalt zu bekommen. Ich wüsste nicht, wie FB dem entgegen wirken könnte, außer vielleicht, dass einem random unterschiedlichste Gruppen- oder Seitenvorschläge angezeigt werden. Darauf, dass der einzige Vorteil von FB, gewünschte Informationen aus ausgesuchten Bereichen gebündelt an einem Platz zu bekommen, nicht mehr funktioniert, reagiere ich persönlich mit noch mehr Filterung. Funktioniert aber auch nicht. Vor allem, was die Anzeige von neuen Veranstaltungen von den abonnierten Seiten der Locations betrifft, bin ich schon lange sehr enttäuscht. Ich bekomm das meist nur noch mit, wenn ein Freund sich dafür interessiert. Das heißt, man muss sich die Infos dann trotzdem mühsam zusammen klauben, indem man regelmäßig die bereits abonnierten Seiten einzeln aufruft und ggf. Einstellungen abändert. Hinzu kommt, dass nicht überall gute Social Media Manager am Werk sind, die Dinge nicht aktualisieren oder Infos gar nicht oder zu spät oder falsch einstellen, sodass die Verlässlichkeit auch nicht immer gegeben ist. Die Kommunikation in einer Gruppe funktioniert am besten über ein praktisches Thema. Bin in einer Nähgruppe und der Austausch dort ist rege und informativ.
Bei Twitter ist der Informationsgewinn ähnlich mau. Von den Politikern und Vereinigungen, die mich interessieren, nutzt diesen Kanal keiner hinlänglich, und wahrscheinlich dadurch, dass so selten getweetet wird, müllt Twitter einen mit irgendwelchen anderen Benachrichtigungen zu. Als Journalist hat man vermutlich ALLES abonniert. Aber als Privatmensch ist der einzige Mehrwert von Twitter, die neuesten Infos sofort und direkt zu bekommen, auch eher theoretisch gegeben.
Auch weil bei den vielen anderen Kanälen der persönliche Mehrwert nicht automatisch da ist, hab ich auch keine Lust, mich dauernd damit zu beschäftigen, um doch noch irgendwas Brauchbares heraus zu filtern. Damit hat sich die Frage, ob ich mich abmelden muss, quasi erledigt, weil das, was mir nichts bringt benutze ich auch nicht und der Account liegt brach. Ich bin überall mit unterschiedlichen E-Mail-Adressen angemeldet und habe nichts synchronisiert und keine Konten verknüpft. Die Option, die Kanäle, die ich schon habe, sofort nutzen zu können, wenn ich wollte, will ich mir erhalten. Auch, wenn man online viel damit beschäftigt ist, sich durch Berge von Müll zu wühlen und permanent aus zu sortieren, nutze ich die Möglichkeit der Zeitverschwendung bei Facebook während meiner stupiden Arbeit fast durchgehend und wenn ich frei hab kaum. Jeder muss lernen und entscheiden, ob und in welchem Maß er den Druck und die Verführungsmechanismen der ganzen Tools mitmachen will. Sich da unbedingt ganz raus zu nehmen ist meiner Meinung nach nicht nötig, wenn man weiß, wie es funktioniert, was es kostet und ob die Leistung es einem Wert ist.
Bloody Mary am 13.10.2020 um 17:26 Uhr:
Das Thema ist fast schon ein bisschen zu weitläufig.