Nicht nur mein Album des Jahres 1967, sondern schlicht die beste und wichtigste Platte überhaupt.
Kurz bevor die Flower-Power-Zeit ihrem Ende zugeht, nehmen The Velvet Underground mit ihrem Debüt den Niedergang bereits vorweg. Die spätere Ablehnung der Hippies durch den Punk ist in diesem Album schon angelegt.
Lou Reed erzählt die ärgsten Geschichten aus dem Untergrund von New York - und zwar ohne seine Charaktere zur Schau zu stellen oder sie zu glorifizieren, sondern spricht vom Leben in den Straßen - und ist damit Autoren wie dem drogensüchtigen Situationisten Alexander Trocchi näher als irgendeinem Rock-Lyricisten seiner Zeit.
Lou singt über das Drogendealen ("Waiting for my man"), die Prostitution ("There She Goes Again"), seine Heroinsucht ("Heroin":
"Heroin, be the death of me / Heroin, it's my wife and it's my life"..."And I feel just like Jesus' son") oder S/M ("Venus In Furs") und hat die Band, die seine Themen in angemessen verstörender Weise auf die Bühne bringt.
Ob das stoische Drumming von Mo Tucker oder der avangardistische Einsatz der Viola durch John Cale, ob Lous eigene, fast mehr gesprochene als gesungene Vocals oder Nicos tieftönende deutsche Stimme. Keine Platte klang jemals zuvor auch nur annähernd wie "The Velvet Underground & Nico". Nimm noch das Artwork von Andy Warhol dazu, die mythenumrankten Liveauftritte, die völlige Erfolgslosigkeit im Moment des Erscheinens und das Songwriting, das hinter all diesem Lärm und Krach ein minimalistisches Pop-Nugget nach dem nächsten versteckt und die Frage nach dem einflussreichsten Album der Geschichte ist beantwortet, bevor wir überhaupt darauf eingehen müssen, dass eine handvoll Genres nicht mal existieren würden ohne "The Velvet Underground & Nico": von Dream-Pop über Drone-Rock, von Indie (die Verzerrung) über Kraut-Rock (die Motorik) bis - natürlich - Punk (die Kompromisslosigkeit) kann man so vieles auf diesen Moment in 1967 zurückführen.
Trotz nur 30.000 verkaufter Platten bis in die Mitt70er und einer besten Hitparadenplatzierung von Rang 182 (!) in den Billboard-Charts ist Brian Enos Bonmot deshalb mehr als nur ein smarter Satz, sondern fängt die Wichtigkeit von "Velvet Underground & Nico" treffend ein:
"everyone who bought one of those 30,000 copies started a band!".
Ich habe zwar nie eine Band gegründet, aber seit ich mit 17 erstmals in Kontakt mit dieser Platte kam, ist sie nicht nur über die Jahre stetig besser geworden, sondern hat dank ihrer Vielseitigkeit auch mit jedem Jahrzehnt anders zu mir gesprochen:
Es steckt eine ganze Welt, eine dunkle Welt, in dieser einen Scheibe Vinyl.