Wollt ich mir nicht zu Ende anschauen. Immer wieder die gleichen ellenlangen Mafia-Filme mit immer denselben alten Schauspielern. De Niro und Joe Pesci sind eben schon Rentner, beknackte Idee, denen eine Mehrgenerationen-Rolle (oder so) zu geben. Wie tatrig das aussieht, als de Niro als "junger" Mann mal wieder unnachvollziehbar übertrieben einen zusammentritt. Traurig. Interessant wäre eine nähere Beleuchtung der Unterwanderung der Gewerkschaften durch die Mafia gewesen, also mehr die politische Dimension. Aber die erste dreiviertel Stunde mal wieder völlig unmotivierte Rentner-Gewalt.
Und wie isser, der neue Scorsese? Lang isser, der neue Scorsese!
Über dreieinhalb Stunden und mehrere Jahrzehnte erzählt Scorsese die Geschichte von Frank Sheeran (Robert de Niro), dem Mann fürs Grobe der US-italienischen Mafia. Nach einer sehr langen Einleitung nimmt der Film fahrt auf, wenn Sheeran als Leibwächter zum Gewerkschaftsboss Jimmy Hoffa (Al Pacino*) abkommandiert wird und wir aus seiner Straßenköterperspektive die Zeitäufte miterleben dürfen: Kubakrise, Kennedymord, Gewerkschaftsmobilisierungen. Das ist der interessanteste Part des Films, dem es hier auch gelingt, Mitleid für diese alten grauen Männer zu erzeugen - und sind es noch so große Arschlöcher. Seinen Klimax findet "The Irishman" dann auch folgerichtig, wenn sich die Geschichte um Hoffa zuspitzt und de Niros Charakter zwischen seinen Loyalitäten kurzzeitig zerrieben scheint. Dass Scorsese dann aber noch eine Stunde dran hängt, ist vielleicht theoretisch schlüssig, weil er damit wirklich endgültig das Mobstertum im Altersheim entmystifiziert, aber praktisch nun leider auch eher öd.
Alles in allem werde ich den Gedanken nicht los, dass ein richtiges Filmstudio Scorsese dazu gezwungen hätte, konziser zu erzählen als es die freie Hand des Netflix'schen Millionengrabs vermochte.
*Neben de Niro und Pacino sind übrigens auch Harvey Keitel und Joe Pesci am Start. Gerade noch mal knapp davor, auch Brando zu exhumieren.
de Niro spielt hier sicher eine seiner besten Rollen seit langem, während Pacino nicht wirklich aus seiner HB-Männchen-Overacting-Haut kommt. Die größte Überraschung ist für mich aber Joe Pesci, der ja tendenziell immer big time nervt, aber diesmal sehr gelungen die Rolle des Strippenziehers im Hintergrund, der immer mehr weiß als alle anderen, spielt.
Das große Bohei um das De-Aging, also dass hier alle Schauspieler in verschiedenen Generationen dargestellt werden, ist natürlich übertrieben und hoffentlich wie die 3D-Welle nur ein Scherz für eine Kinonacht, weil erstens es ziemlich verwirrend ist, wer jetzt in welcher Szene gerade wie alt sein soll, und zweitens vielleicht das Gesicht "deaged" wird, aber eben nicht die Bewegung eines alten Körpers, was befremdliche Effekte hervorruft.
@bloodymary: finde schon dass Scorsese diesmal etwas anders macht als sonst, in "The Irishman" scheint mir die Entmystifizierung und De-Glorifizierung des Mobstertums die Triebfeder zu sein. Bin aber bei dir, dass die politische Dimension die interessanteste war und ich lieber zwei Stunden davon gesehen hätte als vier Stunden de Niro in empathielosem Selbstzweifel versinken zu sehen.
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Bloody Mary am 01.12.2019 um 21:20 Uhr:
Wollt ich mir nicht zu Ende anschauen. Immer wieder die gleichen ellenlangen Mafia-Filme mit immer denselben alten Schauspielern. De Niro und Joe Pesci sind eben schon Rentner, beknackte Idee, denen eine Mehrgenerationen-Rolle (oder so) zu geben. Wie tatrig das aussieht, als de Niro als "junger" Mann mal wieder unnachvollziehbar übertrieben einen zusammentritt. Traurig. Interessant wäre eine nähere Beleuchtung der Unterwanderung der Gewerkschaften durch die Mafia gewesen, also mehr die politische Dimension. Aber die erste dreiviertel Stunde mal wieder völlig unmotivierte Rentner-Gewalt.Christian_alternakid am 02.12.2019 um 19:48 Uhr:
Und wie isser, der neue Scorsese? Lang isser, der neue Scorsese!Über dreieinhalb Stunden und mehrere Jahrzehnte erzählt Scorsese die Geschichte von Frank Sheeran (Robert de Niro), dem Mann fürs Grobe der US-italienischen Mafia. Nach einer sehr langen Einleitung nimmt der Film fahrt auf, wenn Sheeran als Leibwächter zum Gewerkschaftsboss Jimmy Hoffa (Al Pacino*) abkommandiert wird und wir aus seiner Straßenköterperspektive die Zeitäufte miterleben dürfen: Kubakrise, Kennedymord, Gewerkschaftsmobilisierungen. Das ist der interessanteste Part des Films, dem es hier auch gelingt, Mitleid für diese alten grauen Männer zu erzeugen - und sind es noch so große Arschlöcher. Seinen Klimax findet "The Irishman" dann auch folgerichtig, wenn sich die Geschichte um Hoffa zuspitzt und de Niros Charakter zwischen seinen Loyalitäten kurzzeitig zerrieben scheint. Dass Scorsese dann aber noch eine Stunde dran hängt, ist vielleicht theoretisch schlüssig, weil er damit wirklich endgültig das Mobstertum im Altersheim entmystifiziert, aber praktisch nun leider auch eher öd.
Alles in allem werde ich den Gedanken nicht los, dass ein richtiges Filmstudio Scorsese dazu gezwungen hätte, konziser zu erzählen als es die freie Hand des Netflix'schen Millionengrabs vermochte.
*Neben de Niro und Pacino sind übrigens auch Harvey Keitel und Joe Pesci am Start. Gerade noch mal knapp davor, auch Brando zu exhumieren.
de Niro spielt hier sicher eine seiner besten Rollen seit langem, während Pacino nicht wirklich aus seiner HB-Männchen-Overacting-Haut kommt. Die größte Überraschung ist für mich aber Joe Pesci, der ja tendenziell immer big time nervt, aber diesmal sehr gelungen die Rolle des Strippenziehers im Hintergrund, der immer mehr weiß als alle anderen, spielt.
Das große Bohei um das De-Aging, also dass hier alle Schauspieler in verschiedenen Generationen dargestellt werden, ist natürlich übertrieben und hoffentlich wie die 3D-Welle nur ein Scherz für eine Kinonacht, weil erstens es ziemlich verwirrend ist, wer jetzt in welcher Szene gerade wie alt sein soll, und zweitens vielleicht das Gesicht "deaged" wird, aber eben nicht die Bewegung eines alten Körpers, was befremdliche Effekte hervorruft.
Christian_alternakid am 02.12.2019 um 19:50 Uhr:
@bloodymary: finde schon dass Scorsese diesmal etwas anders macht als sonst, in "The Irishman" scheint mir die Entmystifizierung und De-Glorifizierung des Mobstertums die Triebfeder zu sein. Bin aber bei dir, dass die politische Dimension die interessanteste war und ich lieber zwei Stunden davon gesehen hätte als vier Stunden de Niro in empathielosem Selbstzweifel versinken zu sehen.