Einige Gedanken zu Oppenheimer:
- "Oppenheimer" ist für Christopher Nolan schon ein sehr ungewöhnlicher Film, denn im Grunde ist sein Biopic über den "Vater der Atombombe" ein Kammerspiel in zwei Räumen - zumindest in seiner zweiten Hälfte. Während Nolan zu Beginn - mit etwas künstlerischem Anspruch - übliche Biopic-Konventionen durchhechelt, gelingt ihm mittig mit der Explosion der ersten Atombombe ein großer Kino-Moment in völliger Stille. Ab hier bewegt sich "Oppenheimer" fast ausschließlich im Inneren, bei einer kleinen und einer großen Anhörung, die das Vermächtnis des Wissenschaftlers verhandelt sowie die Kommunisten-Paranoia der USA anklagt.
- Für mich hat der Kammerspielpart besser funktioniert als die Lebensstation-Abhak-Erzählung der ersten Stunde. Spannend, wie Nolan verschiedene Erzählebenen ineinander verschränkt und zeitweise von vier Momenten Oppenheimers Leben gleichzeitig erzählt.
- Göttingen! Schau an!
- Der neben der Explosion beste Moment ist Oppeheimers Rede im Moment des Triumphs. Hier findet Nolan starke Bilder, die eine innere Erkenntnis visualisieren. Die Angst, etwas geschaffen zu haben, was nicht mehr verschwinden wird.
- Ärgerlich ist allerdings, dass Nolan bei all seiner technischen Finesse dann auf simple narrative Tricks zurückgreift:
* die große Auflösung in der zweiten Verhandlung wird durch einen Charakter beigeführt, der vorher keinerlei Rolle spielt und als Deus Ex Machina auf einmal dasitzt und das Vermächtnis von Oppenheimer bestimmt.
* als seine Frau, vorher bereits als labile Alkoholikerin gezeichnet, in der kleinen Verhandlung als entscheidende Zeugin aufgerufen wird, platziert Nolan sie zunächst als unsichere Kantonistin, doch mit anschwellender Orchestermusik nimmt sie nach anfänglichem Lavieren den Chefankläger so scharfzüngig auseinander, dass hier wirklich meine "suspension of disbelief" aufgegeben war.
* der Adjudant von Oppenheimers Gegenspieler kommentiert die zweite Hälfte hindurch fragend Oppenheimers moralische Positionen und nimmt dadurch natürlich die Rolle des Zuschauers ein, wie Nolan ihn haben möchte. Dass nun selbst der Helfer des Gegenspielers am Ende ins Pro-Oppenheimer Lager wechselt, ist auch billig manipulativ von Nolan.
- Auch wenn er dank einer kleinen Rolle nichts kaputt macht, muss ich Matthias Schweighöfer wirklich nicht noch mal als Genie (Heisenberg) sehen.
What next? Til Schweiger als Einstein?
- Trotz drei Stunden Spielzeit und mit einer Zuspitzung der Geschichte lediglich bei einer Anhörung unterhält "Oppenheimer" doch fasziniernd gut, auch wenn sich mir nicht ganz erschileßt, warum Nolan denkt, dass es seine Bestimmung ist, ein Biopic zu drehen. Der Mann hat schon andere Stärken, sag ich mal.
- Dass Nolan aber solche Einspielergebnisse mit diesem Thema erzielt, ist dann eben doch ein Triumph für das Prinzip Kino. Es gibt wirklich niemanden, der mit diesen Middlebrow-Filmen so sehr die Massen in die Säle lockt.
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Christian_alternakid am 31.07.2023 um 17:56 Uhr:
Einige Gedanken zu Oppenheimer:- "Oppenheimer" ist für Christopher Nolan schon ein sehr ungewöhnlicher Film, denn im Grunde ist sein Biopic über den "Vater der Atombombe" ein Kammerspiel in zwei Räumen - zumindest in seiner zweiten Hälfte. Während Nolan zu Beginn - mit etwas künstlerischem Anspruch - übliche Biopic-Konventionen durchhechelt, gelingt ihm mittig mit der Explosion der ersten Atombombe ein großer Kino-Moment in völliger Stille. Ab hier bewegt sich "Oppenheimer" fast ausschließlich im Inneren, bei einer kleinen und einer großen Anhörung, die das Vermächtnis des Wissenschaftlers verhandelt sowie die Kommunisten-Paranoia der USA anklagt.
- Für mich hat der Kammerspielpart besser funktioniert als die Lebensstation-Abhak-Erzählung der ersten Stunde. Spannend, wie Nolan verschiedene Erzählebenen ineinander verschränkt und zeitweise von vier Momenten Oppenheimers Leben gleichzeitig erzählt.
- Göttingen! Schau an!
- Der neben der Explosion beste Moment ist Oppeheimers Rede im Moment des Triumphs. Hier findet Nolan starke Bilder, die eine innere Erkenntnis visualisieren. Die Angst, etwas geschaffen zu haben, was nicht mehr verschwinden wird.
- Ärgerlich ist allerdings, dass Nolan bei all seiner technischen Finesse dann auf simple narrative Tricks zurückgreift:
* die große Auflösung in der zweiten Verhandlung wird durch einen Charakter beigeführt, der vorher keinerlei Rolle spielt und als Deus Ex Machina auf einmal dasitzt und das Vermächtnis von Oppenheimer bestimmt.
* als seine Frau, vorher bereits als labile Alkoholikerin gezeichnet, in der kleinen Verhandlung als entscheidende Zeugin aufgerufen wird, platziert Nolan sie zunächst als unsichere Kantonistin, doch mit anschwellender Orchestermusik nimmt sie nach anfänglichem Lavieren den Chefankläger so scharfzüngig auseinander, dass hier wirklich meine "suspension of disbelief" aufgegeben war.
* der Adjudant von Oppenheimers Gegenspieler kommentiert die zweite Hälfte hindurch fragend Oppenheimers moralische Positionen und nimmt dadurch natürlich die Rolle des Zuschauers ein, wie Nolan ihn haben möchte. Dass nun selbst der Helfer des Gegenspielers am Ende ins Pro-Oppenheimer Lager wechselt, ist auch billig manipulativ von Nolan.
- Auch wenn er dank einer kleinen Rolle nichts kaputt macht, muss ich Matthias Schweighöfer wirklich nicht noch mal als Genie (Heisenberg) sehen.
What next? Til Schweiger als Einstein?
- Trotz drei Stunden Spielzeit und mit einer Zuspitzung der Geschichte lediglich bei einer Anhörung unterhält "Oppenheimer" doch fasziniernd gut, auch wenn sich mir nicht ganz erschileßt, warum Nolan denkt, dass es seine Bestimmung ist, ein Biopic zu drehen. Der Mann hat schon andere Stärken, sag ich mal.
- Dass Nolan aber solche Einspielergebnisse mit diesem Thema erzielt, ist dann eben doch ein Triumph für das Prinzip Kino. Es gibt wirklich niemanden, der mit diesen Middlebrow-Filmen so sehr die Massen in die Säle lockt.