"Der Text ist meine Party" ist ein guter Rundumblick auf die Hamburger Schule, der sich bemüht, die vielen Facetten dieses doch sehr heterogenen "Genres" zu erfassen, einschließlich von Benjamin Moldenhauer auf den Punkt geschriebenen Reviews der wichtigsten Hamburger-Schule-Platten.
Dabei greift Jonas Engelmann nicht auf ein Oral-History-Konzept zurück, sondern schreibt im Fließtext über die verschiedenen Aspekte der Hamburger Schule. Da dennoch viel mit O-Tönen gearbeitet wird, hat dieses Konzept für mich auch seine Schwächen, denn innerhalb der Kapitel ist nicht ersichtlich, welche Aussagen nun aus aktuellen Interviews zum Buch stammen oder aus zeitgenössischen Gesprächen in Musikmagazinen oder Fanzines exzerpiert wurden. Anders gesagt, eine wahrscheinlich seltene Beschwerde meinerseits: zu wenige Fußnoten!
Grundsätzlich ermöglicht diese Herangehensweise aber einen kompletteren Blick, da ein Hamburger-Schule-Buch natürlich davon profitiert, wenn Distelmeyer O-Töne vorhanden sind - auch wenn die von 1995 stammen (nur würd ich das eben gerne gleich erkennen!).
Die interessantesten Ecken des Buches sind - wenig überraschend - im politischen Diskurs und in Fragen zu kulturellen Räumen zu finden. Gerade weil das verbindende Element der musikalisch ja recht unterschiedlichen Bands die politische Attitude war, muss ein Hamburger Schule - Buch natürlich darüber sprechen. Hier finden sich in der Gleichzeitigkeit von damaligen Aussagen und späteren Bewertungen auch die Diskrepanzen zwischen dem, was man erreichen wollte, und dem, wie man es umgesetzt hat, als spannenden Brennpunkt wider.
Von der Unmöglichkeit Gutes zu tun, ohne anderen auf die Füße zu treten.
Besonderen Raum widmet "Der Text ist meine Party" auch der Frage, wie äußere Strukturen etwas so Innerliches wie Kunsterzeugen ermöglichen - oder eben verunmöglichen. Hamburg St. Pauli ist in dieser Erzählung eine Spielwiese der freien Räume, der spontanen Konzerte und vor allem der kleinen Kneipen, an deren Tresen sich erst die Gemeinsamkeit der Attitude herausgebildet hat, die heute als das einzig wirklich verbindende Element all dieser Bands erscheint. Neben all der Politik, Musiktheorie und Textexegese ist Jonas Engelmanns Buch auch eine Hymne auf die Orte der Nacht, an denen Verbindungen zwischen Menschen entstehen.
P.S.: gerade im Vergleich zur ARD-Doku macht "Der Text ist meine Party" viel richtig: Begemann kommt zu seinem Recht, Schreuf wird ohne Zweifel als der vielleicht wichtigste, aber auch fast vergessene Kulminationspunkt der Szene platziert und selbst die "Frauen in der Hamburger Schule"-Diskussion wird hier bereits richtig thematisiert, ohne diese Szene darauf zu schrumpfen.
Kommentieren
Um zu kommentieren, muss man eingeschaltenes Mitglied der motorjugend sein.
Die Medien-Datenbank verwendet die TMDb API, steht aber in keiner Verbindung zur TMDb oder ist von dieser in irgendeiner Weise zertifiziert.
Christian_alternakid am 05.09.2024 um 11:38 Uhr:
"Der Text ist meine Party" ist ein guter Rundumblick auf die Hamburger Schule, der sich bemüht, die vielen Facetten dieses doch sehr heterogenen "Genres" zu erfassen, einschließlich von Benjamin Moldenhauer auf den Punkt geschriebenen Reviews der wichtigsten Hamburger-Schule-Platten.Dabei greift Jonas Engelmann nicht auf ein Oral-History-Konzept zurück, sondern schreibt im Fließtext über die verschiedenen Aspekte der Hamburger Schule. Da dennoch viel mit O-Tönen gearbeitet wird, hat dieses Konzept für mich auch seine Schwächen, denn innerhalb der Kapitel ist nicht ersichtlich, welche Aussagen nun aus aktuellen Interviews zum Buch stammen oder aus zeitgenössischen Gesprächen in Musikmagazinen oder Fanzines exzerpiert wurden. Anders gesagt, eine wahrscheinlich seltene Beschwerde meinerseits: zu wenige Fußnoten!
Grundsätzlich ermöglicht diese Herangehensweise aber einen kompletteren Blick, da ein Hamburger-Schule-Buch natürlich davon profitiert, wenn Distelmeyer O-Töne vorhanden sind - auch wenn die von 1995 stammen (nur würd ich das eben gerne gleich erkennen!).
Die interessantesten Ecken des Buches sind - wenig überraschend - im politischen Diskurs und in Fragen zu kulturellen Räumen zu finden. Gerade weil das verbindende Element der musikalisch ja recht unterschiedlichen Bands die politische Attitude war, muss ein Hamburger Schule - Buch natürlich darüber sprechen. Hier finden sich in der Gleichzeitigkeit von damaligen Aussagen und späteren Bewertungen auch die Diskrepanzen zwischen dem, was man erreichen wollte, und dem, wie man es umgesetzt hat, als spannenden Brennpunkt wider.
Von der Unmöglichkeit Gutes zu tun, ohne anderen auf die Füße zu treten.
Besonderen Raum widmet "Der Text ist meine Party" auch der Frage, wie äußere Strukturen etwas so Innerliches wie Kunsterzeugen ermöglichen - oder eben verunmöglichen. Hamburg St. Pauli ist in dieser Erzählung eine Spielwiese der freien Räume, der spontanen Konzerte und vor allem der kleinen Kneipen, an deren Tresen sich erst die Gemeinsamkeit der Attitude herausgebildet hat, die heute als das einzig wirklich verbindende Element all dieser Bands erscheint. Neben all der Politik, Musiktheorie und Textexegese ist Jonas Engelmanns Buch auch eine Hymne auf die Orte der Nacht, an denen Verbindungen zwischen Menschen entstehen.
P.S.: gerade im Vergleich zur ARD-Doku macht "Der Text ist meine Party" viel richtig: Begemann kommt zu seinem Recht, Schreuf wird ohne Zweifel als der vielleicht wichtigste, aber auch fast vergessene Kulminationspunkt der Szene platziert und selbst die "Frauen in der Hamburger Schule"-Diskussion wird hier bereits richtig thematisiert, ohne diese Szene darauf zu schrumpfen.