Es ist beinah skandalös, dass Daniel Day-Lewis für Der Seidene Faden NICHT den Oscar gewonnen hat, sondern Gary Oldman mit seiner Churchill-Gummimasken-Charade. Dass Johnny Greenwood für den meisternhaften Score ebenfalls nicht gewonnen hat, verstehe ich genauso wenig - gerade weil Greenwood diesmal ja keinen noisy Experimental-Grillen-beim-Zirpen-Avantgarde-Soundtrack liefert, sondern fließendes Piano, das immer den richtigen Ton trifft und die Kamerabewegungen im besten Sinn begleitet.
Nicht minder unverständlich ist die fehlende Nominierung für Kamera und Vicky Krieps. Auf handwerklicher Eben gibt's wohl keinen der Oscar-Anwärter, der mit Der Seidene Faden mithalten kann und auch als Film im Ganzen für mich klar der beste der dieses Jahr für den Oscar nominierten Filme (nur Ladybird habe ich davon noch nicht gesehen).
In der ersten Hälfte hat er für mich erzählerisch ein paar Längen und die Charakterentwicklung ist nicht immer hunderprozentig nachvollziehbar, aber gerade letzteres macht dann auch wieder seinen Reiz aus, weil ich ehrlich gesagt nicht einmal annähernd damit gerechnet hätte, in welche Richtung sich der Film zum Ende hin bewegt. So ist es tatsächlich ein Liebes- und Machtdrama mit überraschend verkorksten Menschen.
Ich bin ja erstaunt, in wie vielen Kategorien ein Film ein Oscar-Anwärter sein könnte, um dann nur mit einer schnöden 7/10 ins Ziel zu torkeln... woran hakt es denn? Nur ein paar Längen und ne seltsame Charakterentwicklung?
Ich bin halt generell eher streng, was das Rating angeht. 7/10 ist schon ein wirklich guter Film, der mich halt nicht auf jeder Ebene mitgerissen hat. Dann wäre es eine 8/10 - und wenn er ein Film des Jahres wäre, dann eine 9/10. Grob gesagt.
Was natürlich immer auch reinspielt, ist das Genre an sich - und ein Film über eine Ehe eines Damenschneiders ist eben jetzt nicht 100% mein Genre. Tendenz geht aber an die 8/10 hier ran, ich finde aber tatsächlich nachvollziehbar, dass PTA zb für die Regie nominiert war, aber eben nicht fürs Drehbuch, denn das ist sicher die eine Schwachstelle im Film - gerade in der ersten Hälfte braucht er für mich schon zu lange, um mich immer mitzunehmen. Zudem ist die Entwicklung gegen Ende dann schon ziemlich erstaunlich, was einerseits positiv, weil überraschend ist, andererseits aber vielleicht auch die eine Ecke zu weit hergeholt, also für mich nicht mehr 100% relatable.
Habe mal nachgeschaut, wie das statistisch aussieht - von den 2017 & 2018 erschienenen Filmen habe ich:
* 13 mit 8-10 bewertet, also 9% besser
* 27 mit 7 bewertet, also 19% genauso gut
* 96 mit 1-6 bewertet, also 70% schlechter.
Nach einer Dreiviertelstunde rätselt man immer noch, was da jetzt noch passieren könnte, damit es ein Film wird anstelle eines etwas zu langen Feldversuchs aus der Reihe "Joko und Klaas machen das längste Theaterstück der Welt". Dann wird es aber doch ganz ordentlich, um mit einem "Hä? Das war es jetzt?"-Schluss zu enden.
Daniel Day-Lewis ist natürlich der Wahnsinn, der stellt selbst die sehr guten weiblichen Darstellerinnen monströs in den Schatten. Die Bilder sind gewaltig und selten galt so sehr "Every frame a painting" wie hier. Eigentlich kann man sich den ganzen Film als Standbilder ausdrucken und an die Wand hängen. Als wäre das noch nicht genug, kommen da teilweise noch perfekte Kamerapositionen/einstellungen dazu.
Leider kann die Story und/oder Aussage für mich da halt gar nicht mithalten.
Ganz vergessen zu erwähnen, wie mich das Klaviergeklimper als Soundtrack in den Wahnsinn getrieben hat, um dann voller Scham im Abspann zu lesen, dass das der unvergleichliche Johnny Greenwood war. Echt schlimm. Andererseits hat er aber offenbar eine weitaus größere Bandbreite (auch in der Instrumentierung) als z.B. Trent Reznor bei seinen Filmmusiken, wenn man das hier z.B. mit There will be blood vergleicht.
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babygirliegirl am 06.02.2018 um 21:26 Uhr:
Kein gefälliger Film. Faszinierend zu betrachten, meisterhaft inszeniert, phänomenal gespielt.Christian_alternakid am 11.09.2018 um 10:05 Uhr:
Es ist beinah skandalös, dass Daniel Day-Lewis für Der Seidene Faden NICHT den Oscar gewonnen hat, sondern Gary Oldman mit seiner Churchill-Gummimasken-Charade. Dass Johnny Greenwood für den meisternhaften Score ebenfalls nicht gewonnen hat, verstehe ich genauso wenig - gerade weil Greenwood diesmal ja keinen noisy Experimental-Grillen-beim-Zirpen-Avantgarde-Soundtrack liefert, sondern fließendes Piano, das immer den richtigen Ton trifft und die Kamerabewegungen im besten Sinn begleitet.Nicht minder unverständlich ist die fehlende Nominierung für Kamera und Vicky Krieps. Auf handwerklicher Eben gibt's wohl keinen der Oscar-Anwärter, der mit Der Seidene Faden mithalten kann und auch als Film im Ganzen für mich klar der beste der dieses Jahr für den Oscar nominierten Filme (nur Ladybird habe ich davon noch nicht gesehen).
In der ersten Hälfte hat er für mich erzählerisch ein paar Längen und die Charakterentwicklung ist nicht immer hunderprozentig nachvollziehbar, aber gerade letzteres macht dann auch wieder seinen Reiz aus, weil ich ehrlich gesagt nicht einmal annähernd damit gerechnet hätte, in welche Richtung sich der Film zum Ende hin bewegt. So ist es tatsächlich ein Liebes- und Machtdrama mit überraschend verkorksten Menschen.
motorhorst am 11.09.2018 um 10:22 Uhr:
Ich bin ja erstaunt, in wie vielen Kategorien ein Film ein Oscar-Anwärter sein könnte, um dann nur mit einer schnöden 7/10 ins Ziel zu torkeln... woran hakt es denn? Nur ein paar Längen und ne seltsame Charakterentwicklung?Christian_alternakid am 11.09.2018 um 12:43 Uhr:
Ich bin halt generell eher streng, was das Rating angeht. 7/10 ist schon ein wirklich guter Film, der mich halt nicht auf jeder Ebene mitgerissen hat. Dann wäre es eine 8/10 - und wenn er ein Film des Jahres wäre, dann eine 9/10. Grob gesagt.Was natürlich immer auch reinspielt, ist das Genre an sich - und ein Film über eine Ehe eines Damenschneiders ist eben jetzt nicht 100% mein Genre. Tendenz geht aber an die 8/10 hier ran, ich finde aber tatsächlich nachvollziehbar, dass PTA zb für die Regie nominiert war, aber eben nicht fürs Drehbuch, denn das ist sicher die eine Schwachstelle im Film - gerade in der ersten Hälfte braucht er für mich schon zu lange, um mich immer mitzunehmen. Zudem ist die Entwicklung gegen Ende dann schon ziemlich erstaunlich, was einerseits positiv, weil überraschend ist, andererseits aber vielleicht auch die eine Ecke zu weit hergeholt, also für mich nicht mehr 100% relatable.
Habe mal nachgeschaut, wie das statistisch aussieht - von den 2017 & 2018 erschienenen Filmen habe ich:
* 13 mit 8-10 bewertet, also 9% besser
* 27 mit 7 bewertet, also 19% genauso gut
* 96 mit 1-6 bewertet, also 70% schlechter.
Christian_alternakid am 12.09.2018 um 09:04 Uhr:
Ok, mit einem Mal drüber schlafen: das Handwerkliche überwiegt dann doch, dass es nicht mein Genre ist. Ich erhöhe auf 8/10!motorhorst am 31.12.2018 um 12:20 Uhr:
Nach einer Dreiviertelstunde rätselt man immer noch, was da jetzt noch passieren könnte, damit es ein Film wird anstelle eines etwas zu langen Feldversuchs aus der Reihe "Joko und Klaas machen das längste Theaterstück der Welt". Dann wird es aber doch ganz ordentlich, um mit einem "Hä? Das war es jetzt?"-Schluss zu enden.Daniel Day-Lewis ist natürlich der Wahnsinn, der stellt selbst die sehr guten weiblichen Darstellerinnen monströs in den Schatten. Die Bilder sind gewaltig und selten galt so sehr "Every frame a painting" wie hier. Eigentlich kann man sich den ganzen Film als Standbilder ausdrucken und an die Wand hängen. Als wäre das noch nicht genug, kommen da teilweise noch perfekte Kamerapositionen/einstellungen dazu.
Leider kann die Story und/oder Aussage für mich da halt gar nicht mithalten.
motorhorst am 31.12.2018 um 12:41 Uhr:
Ganz vergessen zu erwähnen, wie mich das Klaviergeklimper als Soundtrack in den Wahnsinn getrieben hat, um dann voller Scham im Abspann zu lesen, dass das der unvergleichliche Johnny Greenwood war. Echt schlimm. Andererseits hat er aber offenbar eine weitaus größere Bandbreite (auch in der Instrumentierung) als z.B. Trent Reznor bei seinen Filmmusiken, wenn man das hier z.B. mit There will be blood vergleicht.