Was ist nur mit James Gray passiert? Früher immer die kleinen, emotional so ergreifenden Geschichten aus den New Yorker Boroughs erzählt, jetzt erst eine Fitzcarraldo light Expedition in die südamerikanischen Urwäler mit "Lost City Of Z" und nun sogar ein Ausflug an den Neptun und weiter in "Ad Astra".
Die Geschichten werden also größer, aber die Emotionen? Ich finde nicht. Wie schon Charlie Hunman in "Lost City" ist auch hier Brad Pitt eher eine Leerstelle im Zentrum des Films. Liegt das daran dass Joaquin Phoenix (The Yards, We Own The Night, Two Lovers) oder Tim Roth (Little Odessa) Schauspieler sind, die innere Zerstörtheit ohne äußeres Acting so vel besser darstellen können? Oder fehlt Gray in diesen "großen" Geschichten der Schlüssel, die ihm ja offensichtlich so wichtigen Emotionen verständlich machen zu können?
Eigentlich ist "Ad Astra" ja - insbesondere in seiner zweiten Hälfte - beinah ein Kammerspiel im All: die Suche eines Mannes nach einem Sinn in seinem Leben, nach einer Linderung für die Verletzungen, die er seit seiner Kindheit in sich trägt und die ihn im Erwachsensein emotional verzwergt haben.
Welchen Mehrwert (außer wunderbar kontemplativen Bildern des Weltalls) gewinnt diese Versetzung der Vater & Sohn - Geschichte aber durch seinen Ausflug zum Neptun? Ich finde leider keinen, weil Grays Geschichte eben durch die Vater-Sohn-Dramatik eher verzwergt als zu einer Allgemeingültigkeit anzuwachsen. Gray stößt diesmal an den Rand des Sonnensystems vor, bleibt aber in den Gefühlen stärker an der Oberfläche als wenn er Geschichten aus Brooklyn erzählt.
Trotzdem natürlich kein schlechter Film, denn allein die Bilder sind schön genug, um einen Blick zu riskieren. Es ist nur die Diskrepanz zwischen dem, was erzählt werden soll, und was bei mir ankommt, das ihn zu einer milden Enttäuschung werden lässt.
Klarer Fall von style over substance, da muss ich Christian schon Recht geben. Mich hat die Einsamkeit und emotionale Vernarbtheit von Brad Pitt (der hier irgendwie gar nicht nach sich selbst aussieht) während des Kinobesuchs allerdings doch gepackt, wofür die unfassbar schönen, kühlen Bilder aus dem Weltall natürlich einen kongenialen Hintergrund bereitstellen. (Kleine oder auch nicht ganz so kleine Spitzen gegen den Weltraumkapitalismus reichen zudem von den alles andere als kostenlosen Servicepaketen an Bord der Raumfähre bis zur Mad Max-artigen Dystopie einer in sich bekriegende Fraktionen zerfallenden Mondkolonie.)
Folgerichtig - und angesichts der vollends lächerlichen Szene beim Verlassen des Neptun-Schiffes auch sehr viel glaubhafter - wäre es gewesen, die Reise des einsamen Astronauten in und mit sich selbst enden zu lassen, denn die Erkenntnis, dass wir, egal wohin wir auch gehen, stets nur uns selbst (wieder-)finden, hatte schon Yoda in "Das Imperium schlägt zurück" für Luke und die Kinozuschauer parat. Aber für einen Blockbuster (denn welcher Film mit Brad Pitt in der Hauptrolle erhebt diesen Anspruch bitteschön nicht) wäre das wohl allzu finster gewesen. Schade.
Ein ganz schöner Stinker mit einer Top-Besetzung (Brad Pitt, Tommy Lee Jones, Donald Sutherland und Liv Tyler in einer 3-Minuten-Nebenrolle ist schon ein Wort bzw. mehrere Wörter). Die Problematik bzw. meine mit Science-Fiction-Filmen ist, dass wir jede Raumschiffform inzwischen mehrfach gesehen haben und auch die nicht abzusprechende optische Opulenz (die aber eben jeder Nicht-Low-Budget-Film des Genres aufweist) kann doch über die massiven erzählerischen und handwerklichen Fehler hinweg täuschen.
Mir geht es dabei gar nicht bzw. weniger um Planetenhopping und Moon-Buggy-Verfolgsjagden, auf solche vernunftwidersprechenden Albernheiten lasse ich mich gerne ein. Wenn ich jedeoch 80% eines Filmes nur über Voiceovers erklären muss, dass selbst der theatrical cut von Blade Runner peinlich berührt auflacht, dann habe ich nicht nur das Einmaleins des "Show don't tell" nicht verstanden, sondern sollte vielleicht ein Hörspiel oder besser noch ein Buch schreiben.
Da bleibt wirklich gar nichts Erinnernswertes oder ein Fitzelchen, über das man wenigstens kurz nachdenken möchte.
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Christian_alternakid am 01.06.2020 um 18:23 Uhr:
Was ist nur mit James Gray passiert? Früher immer die kleinen, emotional so ergreifenden Geschichten aus den New Yorker Boroughs erzählt, jetzt erst eine Fitzcarraldo light Expedition in die südamerikanischen Urwäler mit "Lost City Of Z" und nun sogar ein Ausflug an den Neptun und weiter in "Ad Astra".Die Geschichten werden also größer, aber die Emotionen? Ich finde nicht. Wie schon Charlie Hunman in "Lost City" ist auch hier Brad Pitt eher eine Leerstelle im Zentrum des Films. Liegt das daran dass Joaquin Phoenix (The Yards, We Own The Night, Two Lovers) oder Tim Roth (Little Odessa) Schauspieler sind, die innere Zerstörtheit ohne äußeres Acting so vel besser darstellen können? Oder fehlt Gray in diesen "großen" Geschichten der Schlüssel, die ihm ja offensichtlich so wichtigen Emotionen verständlich machen zu können?
Eigentlich ist "Ad Astra" ja - insbesondere in seiner zweiten Hälfte - beinah ein Kammerspiel im All: die Suche eines Mannes nach einem Sinn in seinem Leben, nach einer Linderung für die Verletzungen, die er seit seiner Kindheit in sich trägt und die ihn im Erwachsensein emotional verzwergt haben.
Welchen Mehrwert (außer wunderbar kontemplativen Bildern des Weltalls) gewinnt diese Versetzung der Vater & Sohn - Geschichte aber durch seinen Ausflug zum Neptun? Ich finde leider keinen, weil Grays Geschichte eben durch die Vater-Sohn-Dramatik eher verzwergt als zu einer Allgemeingültigkeit anzuwachsen. Gray stößt diesmal an den Rand des Sonnensystems vor, bleibt aber in den Gefühlen stärker an der Oberfläche als wenn er Geschichten aus Brooklyn erzählt.
Trotzdem natürlich kein schlechter Film, denn allein die Bilder sind schön genug, um einen Blick zu riskieren. Es ist nur die Diskrepanz zwischen dem, was erzählt werden soll, und was bei mir ankommt, das ihn zu einer milden Enttäuschung werden lässt.
Erdjohann am 17.09.2020 um 18:19 Uhr:
Klarer Fall von style over substance, da muss ich Christian schon Recht geben. Mich hat die Einsamkeit und emotionale Vernarbtheit von Brad Pitt (der hier irgendwie gar nicht nach sich selbst aussieht) während des Kinobesuchs allerdings doch gepackt, wofür die unfassbar schönen, kühlen Bilder aus dem Weltall natürlich einen kongenialen Hintergrund bereitstellen. (Kleine oder auch nicht ganz so kleine Spitzen gegen den Weltraumkapitalismus reichen zudem von den alles andere als kostenlosen Servicepaketen an Bord der Raumfähre bis zur Mad Max-artigen Dystopie einer in sich bekriegende Fraktionen zerfallenden Mondkolonie.)Folgerichtig - und angesichts der vollends lächerlichen Szene beim Verlassen des Neptun-Schiffes auch sehr viel glaubhafter - wäre es gewesen, die Reise des einsamen Astronauten in und mit sich selbst enden zu lassen, denn die Erkenntnis, dass wir, egal wohin wir auch gehen, stets nur uns selbst (wieder-)finden, hatte schon Yoda in "Das Imperium schlägt zurück" für Luke und die Kinozuschauer parat. Aber für einen Blockbuster (denn welcher Film mit Brad Pitt in der Hauptrolle erhebt diesen Anspruch bitteschön nicht) wäre das wohl allzu finster gewesen. Schade.
motorhorst am 24.10.2022 um 08:32 Uhr:
Ein ganz schöner Stinker mit einer Top-Besetzung (Brad Pitt, Tommy Lee Jones, Donald Sutherland und Liv Tyler in einer 3-Minuten-Nebenrolle ist schon ein Wort bzw. mehrere Wörter). Die Problematik bzw. meine mit Science-Fiction-Filmen ist, dass wir jede Raumschiffform inzwischen mehrfach gesehen haben und auch die nicht abzusprechende optische Opulenz (die aber eben jeder Nicht-Low-Budget-Film des Genres aufweist) kann doch über die massiven erzählerischen und handwerklichen Fehler hinweg täuschen.Mir geht es dabei gar nicht bzw. weniger um Planetenhopping und Moon-Buggy-Verfolgsjagden, auf solche vernunftwidersprechenden Albernheiten lasse ich mich gerne ein. Wenn ich jedeoch 80% eines Filmes nur über Voiceovers erklären muss, dass selbst der theatrical cut von Blade Runner peinlich berührt auflacht, dann habe ich nicht nur das Einmaleins des "Show don't tell" nicht verstanden, sondern sollte vielleicht ein Hörspiel oder besser noch ein Buch schreiben.
Da bleibt wirklich gar nichts Erinnernswertes oder ein Fitzelchen, über das man wenigstens kurz nachdenken möchte.