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tagebuch vom 29.12.
alex
scharping log! und die definition von giftgas finsterau ist ein relikt meiner politischen zeit. hahar! sommer-/wintersitz einer organisation, die alljährlich und in langer tradition die weltrevolution vorbereitet. im bayerischen wald, zwei std. fußweg von der tschechischen grenze.
auch dieses sylvester werden wir in der großen turnhalle nach dem obligatorischen countdown die linke(!) faust erheben und imbrünstig die "internationanle" anstimmen.("völker hört die singale...") danach werden wir uns in die arme fallen und michi jedem einzelnen "ein kämpferisches neues jahr" wünschen.
was mache ich hier?
mit 15, auf der suche nach einem sinn, einer richtung, einer möglichkeit unserem riot ausdruck zu verleihen, diese welt oder doch wenigstens dieses land zu verändern, da loderten wir, idealisiert von rotem feuer, voll glauben und vertrauen in den alternativen sozialismus. einmal wollten auch wir arbeiter sein. arbeiterjugend.
es ist schön zu sehen, wenn ein zugegeben recht kleiner teil meiner gelangweilt-desinteressierten generation von BWLstudenten und bausparern, die sich schon heute um ihre rente sorgt, mit leuchtenden augen geschichten von che guevara und ho chi minh lauscht, sich über notstandsgesetzte und harzvorschläge informiert und den CIA verteufelt.
was mache ich hier?
ich genieße es, ein letztes mal.
steffi
es ist warm im zimmer und sonnig draußen. die alex ist eine gute und war o-saft kaufen. am hauptbahnhof. und semmeln.
ein frühstück mit erzählungen aus dem ost-berlin vor der wende.
aufstehen ist schwer weil müde und alex geht sich treffen wie auch hans-jürgen und ich.
im stadtmuseum mit bea und susi und christoph. stefan moses ist fotograf von menschen an orten. die hängen da, die fotos, im stadtmuseum. und wir später noch im cafe. wo auch sonst.
draußen: regen.
drinnen: milchkaffee.
zuhause wartet nichts. außer zalot und nudeln.
und monopoly. nachdem jeder von jeder straßengruppenfarbe eine straße gekauft hat, kommt gottseidank die jenny
und beendet das doch ziemlich unglücklich verlaufende spiel (och, ja, die badstraße, 200 bitte, wie immer.) hmm.
wir wollen spazieren gehen. an die isar.
und von da. nicht nach hause. sondern zum marienplatz. zum atomcafe.
fast ohne geld. weil. wir wollten ja nur spazieren gehen.
jennys siebzehn fuffzig reichen nicht für viermal eintritt aber für getränke an der tanke.
und da die letzte u-bahn auch schon weg ist laufen wir halt nach hause.
pizzadienste haben nur bis zwölf auf, kartoffelchips mit käse und ketchup heißen nachos. warm.
der schlaf vor drei ist am wichtigsten sagt alex.
im bett mit kerzenlicht, radiohead und martini im becher.
sehr schön. matratzenlager-querliegen. mit zwei sehr netten und gruselgeschichten neben der offenen balkontür.
na dann gute nacht. bald isses wieder hell. der schlaf vor drei.
plattenfreund hardy
Hell in Hell
Wo wir hier sind: Ich hätte keine Ahnung, wenn ich nicht schon mehrmals eigenhändig hierher gefahren wäre. "Willkommen in der Einkaufsstadt Warburg", steht da allen Ernstes auf den Schildern am Ortseingang, wir befinden uns eine halbe Autostunde nördlich von Kassel-Wilhelmshöhe. Ingos Vater hat eine Brauerei, zu der gehört das idyllisch abgelegene Haus am Fluss, in dem wir hier wohnen und ab morgen auch feiern, wir sind fünf Jungs und der Kühlschrank wird NIE leer. Welcome to the Terrordrome.
Ich hasse es eigentlich, länger als 24 Stunden am Stück drogenumnebelt mit anderen Menschen einen sozialen Lebensraum zu teilen. Mein erstes großes Open-Air-Festival in St. Gallen war so, danach konnte ich den Geruch von Haschisch nicht mehr aushalten, weil es ein Wochenende lang wirklich überall herausgekrochen war, oft verborgen in wenig liebenswerten Gestalten. Und jetzt weiß ich, dass ich mit meinen vier sehr guten Freunden fünf Tage lang an einem Ort sein werde, an dem es - nicht nur, aber auch - darum geht, sich zu berauschen. Und ich weiß noch nicht so genau, wie intensiv ich dabei mitmachen will. (Natürlich will ich: Sonst wäre ich ja nicht hier. Natürlich will ich aber auch nicht: Mit diesen Freunden will ich eigentlich schon lang viel lieber wach reden als benebelt sein. Nur tanzen geht immer, gut so.)
Auf der Reise hierher hatte ich so ein Autobahnreifenquietschwagenwackelerlebnis, von dem ich nicht weiß, ob ich es auf meine Situation als Ganzes münzen soll oder einfach in die Galerie "Jugendlich beschwingte Fahrfehler des Hardy R., 28" einheften. Wach, einigermaßen aufmerksam, aber zu schnell und zu nachts und bei Regen eine Einfädelkurve am Autobahnkreuz genommen - gerutscht, gegengelenkt, wieder gerutscht, wieder gegengelenkt, irgendwann hatte der Opel ausgewackelt und fuhr wieder gradeaus. Das alles in der Gegend von über 100 kmh. Kai am Beifahrersitz nahm das alles nicht so drastisch, aber, aber. Die geordnete Welt hat ihre Grenzen, manchmal stehen die in Leitplankenform entlang von Autobahnen, und lustig war es irgendwie ja nicht. Gedanken eines jungen, aufgeweckten Menschen zum Sonntagabend gen Jahresende: Öfter mal an die Leitplanke denken? Bis jetzt Tendenz zu Nein, trotz allem.
Jetzt aber holt mich doch noch die Arbeit ein, nachdem ich den letzten Zuhausetag angenehm einkäuferisch und produktiv verbracht hatte und groß "Freizeit" über den nächsten fünf Tagen leuchtete: Für die geliebte Rundfunkanstalt will ich einen Stadtmenschen und einen Landmenschen suchen, die für ein Wochenende miteinander Leben tauschen wollen - Freundeskreis, Clubs, Familien, wasweißich - und sich dabei von zwei netten Menschen mit netten Mikrofonen begleiten lassen wollen (Zuschriften bitte an die Redaktion.) Ich habe große Lust auf diese Geschichte, weiß aber noch nicht so genau, wann ich mich da eigentlich drum kümmern will. Irgendwas wird mich retten. Genau hier, wo ich eigentlich gar nicht wüsste, wo ich bin, wäre ich nicht hier.
Was sich dreht: Der Opel in der Kurve
Wie es aussieht: Eiche rustikal an Johannes-Mario-Simmel-Sammlung, dazu ein Jus von Jugendlichkeit an beigefarbener Tapete
Wie es weitergeht: Mit Hoffnung.
säm
Einmal die Nummer 12. Mit extra Zwiebeln. Eremit. Im Erdgeschoss. Vor ein paar Jahren hat mir mal einer erzählt, dass er oft tagelang seine Wohnung nicht verlässt. Er war passionierter Kiffer und konnte sich eine knappe Woche lang nicht blicken lassen, ohne dass es jemanden auffiel. Ernährt von Lieferservices und unterhalten von der eigenen Plattensammlung (übrigens eine sehr gute Auswahl: sämtliche Sonic Youth-Alben, alles existentielle der frühen Grunge und Indie-Bewegung wie Hüsker Dü und Fugazi, zusätzlich viel Klassik).
Ich dachte immer an Steve Dunne (gespielt von Campbell Scott) aus dem Anfang der neunziger Jahre erschienenen Film „Singles“, der tagelang aufgibt, ein Leben zu führen. Steve hat Liebeskummer wegen Linda Powell (Kyra Sedgwick), lässt sich einen Bart wachsen, öffnet keine Post mehr und spielt mit der Modelleisenbahn.
Nach einer guten Woche findet ihn so Janet Livermore (Bridget Fonda) und sagt ihm den so wunderbaren Satz „Weißt du, in einer anderen Galaxie wären wir ein richtig gutes Paar geworden“. Spitzenfilm. Kürzlich auch als DVD erschienen. Mit Soundtrack von den Smashing Pumpkins, Alice in Chains und Pearl Jam, die auch noch eine Rolle im Film spielen.
Ich schweife ab.
Was ich eigentlich erzählen wollte ist, dass ich heute auch nicht das Haus verlassen hab. Komme Mittag aus Finsterau zurück. Lege mich ins Bett und schlafe, bis Nora anruft, um mir zu erzählen, dass sie mich besuchen kommt. Aber erst um sieben. Ich schlafe weiter und wache eine halbe Stunde vorm Wecker (17 Uhr) auf und bestelle Pizza. Setze mich vor den Fernseher und schaue langweilige Dokus über den Untergang der Medienbranche. Ich bestelle per Internet Kinokarten für Montag in einem Kino, dass 150 Kilometer entfernt liegt, was meine Montagsplanung schon mal in überschaubare Bahnen wirft und mir Gewissheit gibt, weider das Haus zu verlassen.
Nora kommt vorbei und schnell bemerken wir beide, dass wir das selbe wollen:
Rotwein und Fernsehen. Nach „O Brother where art thou” noch “Zimmer frei” (Gast Otto Sander zeigt seine wahnsinnig schöne Altbauwohnung in Berlin-Wilmersdorf mit 240qm, Stuckdecke und Ben Becker-Tour-Plakaten an der Wand).
Im ZDF zeigen sie „Cabaret“ und ich finde plötzlich Lisa Minelli wahnsinnig gut, was mir vorher nie aufgefallen ist. Mir fallen die Augen zu. Nora ist erkältet. Ich suche nach passender Medizin, finde nur abgelaufene ACC akut und rufe ihr eine Troschke.
Ich drehe die Heizung runter und mir fällt wieder ein, dass ich seit ich hier wohne, noch nie eine Heizkostenabrechnung gesehen habe. Obwohl ich den Vermieter beim Einziehen auf eine Mindest-Nebenkosten-Pauschale runtergehandelt habe.
apstrakt
Nachhilfe Herrenabend im Londontokyoparis. T hat in Christof Wackernagels Atelierwohnung an der Wittener Straße einen Mann kochen gesehen. Soziale Plastik oder profaner Besuch? M und ich wittern verwertbares Material. Beck's, Beck's Gold, Diebels, Falafel Tasche, aber das nur nebenbei. Einige Jahre jünger ist er ja, aber weise sind wir nun bestimmt [noch lange] nicht, immer diese Fragen: "Was soll ich nur mit meiner Jugend anfangen?" - "Verschwende sie!" - Dann müssen wir M sogar noch einige Basics des post- und popmodernen Wissens beibringen. "Wie hieß dieses Buch über Punk noch?" ... "Lebt Michel Foucault eigentlich noch?" usw. usf. Man muß sich fragen, was jemand [nicht] weiß, der keine 1 in der Germanistikzwischenprüfung gekriegt hat. [Doppelte Negation ist nicht gleich Affirmation, behaupten übrigens einige Klugscheißer.] "In welcher Stadt steht gleich noch der schiefe Turm?" - "Was hat das denn damit zu tun?" - Wofür hat er denn jetzt die 1 bekommen?
Horst Motor
Michael Moore, Michael Moore, riding through the land Also, Herr Michael Moore aus Amerika hat mich in den vergangenen Wochen mit seinen Werken "Stupid White Men" (Buch) und "Bowling For Columbine" (Film) ganz groß beeindruckt, da kann auch der SPEX-Artikel, der das ganze etwas relativiert nicht in den Grundfesten etwas ändert. Unabhängig der eigentlichen Aussagen oder Absichten Moores ziehe ich für mich persönlich einen oder mehrere der folgenden Schlüsse für mein weiteres Leben:
1. Ich werde wahrscheinlich nie mehr zur Wahl gehen.
2. Falls doch, werde ich keinen von DENEN wählen.
3. Politischen Diskussionen werde ich mich vollständig entziehen oder so vehement bis aggressiv daran teilnehmen, dass Freundschaften zerbrechen könnten.
4. Werde den Artisten der einst als vincent. bekannt war aufsuchen und nochmal genau zu diesen Molotow-Cocktails befragen.
5. Werde mir noch andere Schimpfworte für die ganzen Politkasper ausdenken, die "Nazi" nur erblasen lassen.
6. Wenn mir das jemand als Politikverdrossenheit auslegt, dann fängt er ein paar, das ist nämlich das genaue Gegenteil ihr Nazis (bzw. das andere Wort, das ich noch überlege, siehe 5).
tripolar
füllmengenglättung auf planniveau.
tripon
wagnerstadt am morgen schnelles frühstück und die komplette familie noch einmal umarmt und schon bin ich auf der autobahn. irgendwie fühle ich mich trotz 8 stunden schlafs im waschkeller nicht so richtig fit, aber was soll man machen, will ja so schnell wie möglich ins fichtelgebirge. unterwegs ruft tobi an, muss zunächst nach bayreuth, noch leute abholen. treffe um 15:20 in der wagnerstadt ein und fahre erstmal in die maxstr. um mc muse sein weihnachtsgeschenk zu überreichen. el senor freakadelique sieht sehr wohl erholt aus und ich muss schnell weiter in die von-römer-str. anne und jörg abholen. kurze zeit später treffen wir voll beladen in der edelweisshütte in weißenhaid ein. alles ist wie im prospekt und ich freue mich schon auf die nächsten paar tage. flugs ein flensburger geöffnet und ab an den grossen tisch und erzählen. als küchenchef for the night trommele ich meine fleissigen küchenhelferinnen sonja, sabine & kerstin zusammen und die vorbereitungen für chili con kulmbacher bierkracher beginnen. mit dem endresultat bin ich dann weniger zufrieden. zuviel flüssigkeit. grumpf. aber trotzdem schmeckt es den momentan 11 freunden und nach kurzer erholungspause kommen die "humor mit herz - ein pikantes unterhaltungsspiel für erwachsene"-karten auf den tisch. aber so ganz will der 70er humor heute abend nicht aufkommen. lustig wirds erst, als vier grazien aus dem dorf zum "christbaum schaun" vorbeikommen, schon leicht betrunken ein liedchen lallen und als entschädigung schnaps und was zu essen fordern. schnell tische ich ihnen noch je einen teller chili auf und patrick verteilt den letzten obstler. danach müssen sie mitspielen und zum ersten mal greift die spielregel "es ist erst fortzufahren, wenn alle sich beruhigt haben". nach ihrem abflug trinken und rauchen wir weiter und irgendwann findet sich sogar noch eine doppelkopf-runde ein, die dann aber wegen zu starker alkoholisierung und verströmbelung des herrn s. anhalt abgebrochen werden muss. im schnarcherzimmer patrick, lumumba & el tripone wird dann gesägt, was das zeug hält und irgendwann schlafe ich ein.
monosyl
family-action also habe ich mich gegen 10h aus dem bett gequält, weil mich meine eltern um 10.30h abholen wollten. da waren sie dann schon ne viertel stunde früher. grmbl. noch völlig verpeilt und verschlafen bin ich zum auto geschlurft und dann sind wir gemeinsam zu tante, onkel, oma gefahren. vorher noch lecker essen beim chinesen. wahnsinn, das war wirklich soooooo lecker. nr. 208 - muss ich mir merken!
der rest des nachmittags ist nicht erwähnenswert - fröhliches kaffetrinken im familienkreis. mit fragen wie solche: und, was macht dein freund?
danke, darauf möchte ich nicht angesprochen werden. das ist eine klaffende wunde und ich schreie gleich, weil du salz reinschüttest!
stattdessen sage ich aber ganz nüchtern: den gibts nicht mehr. punkt.
schweigen.
themawechsel.
mein oma sitzt nur in ihrem sessel und versteht - gott sei dank/leider... ich weiß auch nich... - nichts.
bin froh, als wir wieder heimfahren.
abends kam dann meine rettung - bin mit olli durch die kneipen gezogen, same procedure than last sunday. war sehr schön.
Hexe
Da das größte Ereignis dieses Tages wohl das Frühstück war, sei auch nichts weiter dazu gesagt.
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